Название: Wilderer und Jäger Staffel 1
Автор: Anne Altenried
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Wilderer und Jäger Staffel
isbn: 9783740934996
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Der grau melierte Weidmann lächelte die Tochter an und kniff sie zärtlich in die Wange. »Richtig, Kindl. Diesen Dreckschleudern muss man die Meinung sagen. Aber jetzt wird’s höchste Zeit für mich.« Rasch packte er noch die Feldflasche mit dem Zitronentee in den Beutel, verabschiedete sich von der Tochter und eilte hinaus in die Diele. Dort drückte er sich den Hut auf den Kopf und schulterte den Stutzen.
Der Dunst, der den Morgenhimmel überzogen hatte, lichtete sich allmählich. Ein paar Wölkchen bildeten sich als hübsche weiße Farbtupfer am tiefen Blau des Firmaments.
Ebenhecht stapfte über den feuchten, lehmigen Weg auf den Fuß des massigen Horns zu.
Der Forstmann durchstreifte zwei Stunden lang die Waldung und stapfte dann hinauf zu den grünenden Almmatten. Weit im Hintergrund stieg ein dünner Rauchfaden auf. Dort stand die Sennhütte, die von einem Wiesenbuckel verdeckt wurde. Ebenhecht überlegte einen Moment, ob er seine Vesper drüben abhalten sollte. Entschlossen schüttelte er den Kopf. Die Sennermoidl war eine unzugängliche, mürrische Person, an deren Gesellschaft ihm wenig lag. Darum suchte er sich einen Stein aus, auf dem er Platz nahm und sein nahrhaftes Mitbringsel auspackte. Behaglich kauend ließ er die Blicke bis hinauf zur bizarren Spitze des Stieglerhorns herumfliegen.
Er spülte Salami und Brot mit Zitronentee aus der Feldflasche hinunter und verschloss den Leinenbeutel. Eine Weile wollte er noch sitzen bleiben und die Beine von sich strecken. »Man wird net jünger und merkt’s auch von Tag zu Tag deutlicher«, stellte er feixend fest.
Aus einer Fichtengruppe, die dem oberen Saum der Waldung vorgelagert war, traten zwei Rehgeißen.
Sie vollführten ein paar muntere Sprünge und machten sich dann daran, Gras abzuzupfen. Der Jäger warf ihnen einen flüchtigen Blick zu Er wollte sich gerade erheben; um einen Pirschgang hinauf zum Latschenhang anzutreten. Da bemerkte er aus den Augenwinkeln, dass sich am Waldrand etwas bewegte. Ebenhecht duckte sich und griff zu seinem Stutzen.
Ein schlanker Bursche tauchte auf, der ein langläufiges Gewehr in den Händen hielt. Der Bursche legte an und zielte auf eines der beiden Rehe. Ebenhecht schrie: »Halt, Bürschl! Lass dein Kügerl im Lauf stecken, sonst schick ich auch eins los! Aber das gilt dir.«
Der junge Wilddieb zuckte heftig zusammen. Er ließ die Mündung seiner Schusswaffe sinken und drehte den Kopf herum. Nur für einen Moment. Dann rannte er auf den Waldrand zu.
»Stehen bleiben!«, brüllte der Jäger.
Er feuerte einen Schuss in die Luft ab. Der Flüchtende ließ sich davon nicht einschüchtern und war Sekunden später hinter den ersten, mächtigen Fichtenstämme untergetaucht.
Ebenhecht lief ein Stück am Waldrand entlang und drang dann in dichtes Unterholz ein. Seiner Meinung nach strebte auch der Wilderer dem Dickicht zu, das so manches Versteck aufzuweisen hatte. Die Chance, den Ausreißer aufzustöbern, war hier nicht besonders groß.
Das Gesicht des Weidmanns wies etliche Schürfwunden auf, die ihm dürre Zweige zugefügt hatten, als er endlich das Unterholz verließ. Wütend schob er sich den Hut aus der Stirn. Gleich darauf rieb er sich verdutzt die Augen. Der schlanke Bursche lief über den Wiesenbuckel und verschwand dahinter.
Kopfschüttelnd folgte ihm Ebenhecht. Dass der Jagdsünder den Schutz des Waldes verlassen hatte, wollte ihm nicht einleuchten. Doch ihm blieb keine Zeit, sich darüber lange Gedanken zu machen. Keuchend erreichte er den oberen Punkt des Buckels. Vom Wilddieb war nichts mehr zu sehen. In einer Entfernung von etwa dreihundert Metern stand die Almhütte. Die Tür war einen Spaltbreit offen.
Der Jäger stieg vom Buckl aus den schrägen Wiesenhang hinunter und langte wenig später an der Hütte an. Kräftig klopfte er an das Holz. Schlurfende Schritte näherten sich. Die Tür wurde weit aufgerissen. Ebenhecht blickte in das von Runzeln durchzogene Gesicht der Almhüterin, in dem besonders die vorstehenden Backenknochen auffielen.
»Grüß dich, Sennermoidl!«, sagte der Weidmann und schnaufte immer noch heftig. »Du müsstest eigentlich das Bürschl gesehen haben, das eben an der Alm vorbeigelaufen ist.«
»Dalkerte Red«, keifte die Alte. »Wie soll ich ein Bürschl gesehen haben, wenn ich drinnen in der Stube einen Kupferkessel gescheuert hab? Kann ich gar durch die Wänd schauen?« Die flinken gelblichen Augen wichen dem Blick des Jägers aus.
Dieser beugte sich vor und sah in die Stube hinein. Auf dem Tisch entdeckte er einen Kupferkessel und daneben eine Dose mit Scheuerpulver. Die Aussage der Moidl stimmte also. Aber die unruhigen Augen der Frau machten ihn stutzig.
Scheinbar gelassen sagte er: »Dass du dir einen Haufen Ärger einhandelst, Moidl, wenn du das Wildererbürschl versteckst, ist dir hoffentlich klar.«
»Auf was für Ideen du kommst, Jäger«, murrte die Sennerin und kehrte zurück zum Tisch in der Hütte.
»Für einen langen Schwatz fehlt mir die Zeit. Ich muss arbeiten.« Heftig polierte sie mit einem Lappen das Kupfer.
»Lass dich net aufhalten«, sagte der Weidmann und trat ebenfalls in das Hütteninnere. »Wirst wohl nix dagegen haben, dass ich mich in deinem Stüberl ein bissel umseh?«
Die Hand mit dem Putzlappen hielt inne. »Wer gibt dir das Recht dazu, Jäger?«, würgte sie hervor. Ihre Stimme zitterte.
»Das Recht nehm ich mir einfach«, erklärte Ebenhecht und machte schmale Augen. Ihm war die Angst der Sennerin nicht entgangen. Er war auf der richtigen Spur.
Seine Blicke flogen in dem nicht sehr großen Raum herum. Als Versteck bot sich nur die Liegestatt an, unter die ein Mann bequem kriechen konnte. Er richtete den Lauf seiner Waffe in diese Richtung. Hinter seinem Rücken hörte er das erregte Schnaufen der Almhüterin.
»Komm unter dem Bett hervor, Spitzbub«, rief er scharf. »Lass dir aber keine Dummheiten einfallen, sonst hast ein Loch im Fell.«
Ein paar Sekunden lang war es still in der Hütte. Dann vernahm er scharrende Geräusche. Ein Kopf tauchte am Bettrand auf. Eine schlanke Burschengestalt schob sich hinterher. Der Wilddieb richtete sich auf und streckte dem Forstmann verkniffen grinsend das Gewehr entgegen.
»Ah, der Leitner-Pauli«, schmunzelte Ebenhecht. »Man trifft halt allweil die gleichen Früchterl bei der Wildräuberei. Für deinen Pirschgang neulich steht der Richterspruch noch aus. Aber jetzt kommt dein heutiger Versuch der Wilddieberei hinzu. Da brauchst vom Richter keine Milde erwarten. Du landest im Loch.«
Die Sennerin näherte sich und fuchtelte erregt mit den Armen in der Luft herum. »Zieh mich bitt schön net in die Sache mit hinein, Jäger«, flehte sie. »Der Pauli ist ein weitschichtiger Verwandter, drum hab ich ihm geholfen. Obwohl er’s net wert ist, der Nixnutz.«
»Schon gut, Moidl«, beschwichtigte sie der Jäger. »Ich hab schon vergessen, dass er unter deiner Bettlade gelegen hat.« Darauf wandte er sich an den Burschen. »Komm, Pauli. Wir steigen bergab.«
Seite an Seite schritten die beiden ungleichen Männer über die Almmatten und näherten sich der Waldung. Der Zwanzigjährige war sehr nachdenklich, wie Ebenhecht aus den Augenwinkeln beobachtete. Sie hatten kaum den Bergwald betreten, da blieb Pauli stehen und sah den Forstmann eine Weile stumm an.
»Ich pack СКАЧАТЬ