Название: Wilderer und Jäger Staffel 1
Автор: Anne Altenried
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Wilderer und Jäger Staffel
isbn: 9783740934996
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»Wenn du’s schon weißt, Jäger, dann will ich’s auch net leugnen«, sagte er gepresst. »Ich war ein paarmal zur Nachtstund in deinem Revier, hab auf dein Wild geschossen und auch getroffen. Heut versteh ich selber nimmer, wie ich das hab tun können. Dabei ist mir die Schießerei bis ins Innerste zuwider. Das sag ich net, um mich zu entschuldigen, sondern weil es wahr ist. Kannst mir’s glauben oder net, Jäger.«
Die Schärfe verschwand aus dem Blick des Älteren. Über den Tisch hinweg griff er nach dem Handgelenk des Jungbauern. »Ich kann mir gut vorstellen, wie du zur Wilddieberei gekommen bist, Mangold. Hast dich halt beschwatzen lassen von einem, der ein flinkes Maul hat und auch einen flinken Finger am Abzug seiner Kugelspritze. Ich sitz net bei dir da, Mangold, um dich zum Gendarm zu schleppen. Ich erwart von dir, dass du mir mit deiner Aussag hilfst, den Hopf-Emmeran zu überführen. Ihn und jenen andern, der mir net aus dem Sinn geht.«
»Aber Ebenhecht«, wunderte sich Severin, »du hast doch die Aussag von dem Bürschl, das dir heut in die Finger geraten ist.«
Der Jäger lachte bitter auf und erklärte: »Der Rotzbub hat zuerst vor lauter Angst geschwatzt wie ein Rudel Waschweiber. Danach ist ihm wohl eingefallen, dass sich die Veteranen an ihm rächen könnten. Er hat alles widerrufen. Ich kann verstehen, dass sich das Bübl vor den rabiaten Kerlen fürchtet. Aber du bist ein Mannsbild, Mangold, das sich bestimmt net einschüchtern lässt.«
Severin lehnte sich zurück. »Die Leutl, von denen hier die Red ist«, sagte er ruhig, »schrecken mich net, Jäger. Aber ich hab in meinem ganzen Leben noch keinen denunziert. Das bring ich net fertig. Du kannst mich dem Gendarm melden, Ebenhecht. Ich streit nix ab, was meine Person betrifft. Doch über andere Schützen bringt keiner ein Wörtl aus mir heraus.«
Geräuschvoll schob Ebenhecht den Stuhl zurück und erhob sich. »Es fällt mir net im Traum ein, dich anzuzeigen, während die Hauptschuldigen frei herumlaufen«, erwiderte er, bückte sich nach seinem Hut und strich vorsichtig über die zerzauste Spielhahnfeder. Er streckte dem Jüngeren die Hand entgegen. »Eigentlich hab ich nix anderes von dir erwartet. Ich hätt an deiner Stell genauso gehandelt. Trag mir’s net nach, dass ich dich so lang von der Nachtruh abgehalten hab, Mangold.«
Todmüde sank Severin ins Bett. Trotzdem fand er so schnell keinen Schlaf. Das Zwiegespräch mit dem Jäger ging ihm noch lange durch den Kopf. Er bemühte sich, nur noch an die reizende, mollige Posthalterin zu denken. Doch deren Gesicht nahm bald Züge an, die einem anderen weiblichen Geschöpf zu eigen waren.
»Bei mir stimmt’s wohl nimmer ganz im Hirnkastl«, knurrte er, drehte sich auf die Seite und versank endlich in einen Schlummer, der ihm Träume mit aufregenden Wildererszenen bescherte, in denen sich sogar Gundi und eine Rothaarige mit schussbereiten Gewehren gegenüberstanden. Schweißgebadet erwachte er am Morgen und fühlte sich wie zerschlagen, als er aus den Federn kroch.
*
Mit griesgrämiger Miene saß der Bergführer Ludl Neudecker auf einem niederen Bretterhaufen vor der halb verfallenen Sägemühle am Stieglerbach, die seit Jahren schon nicht mehr in Betrieb war, und blinzelte in die schräg stehende Nachmittagssonne. Er wartete auf Martha, die Jägerstochter. Bisher war er im Ebenhechthaus vergnügt ein und aus gegangen, doch bei seinem letzten Besuch hatte ihn der Forstmann mit eisigem Schweigen bedacht, sodass ihm die Lust vergangen war, dessen Schwelle noch einmal zu überschreiten. Besondere Herzlichkeit war ihm von Marthas Vater noch nie entgegengebracht worden. Aber besondere Empfindlichkeit gehörte auch nicht zu Ludls Eigenschaften. Großzügig hatte er darüber hinweggesehen. Doch was zu viel ist, ist zu viel, fand er. Das hatte ein Mann wie er nicht nötig. Darum hatte er als Treffpunkt des nächsten Stelldicheins die alte Sägemühle vorgeschlagen. Und die Rothaarige hatte achselzuckend zugestimmt.
Ludl zog die Uhr aus der Joppentasche und warf einen ärgerlichen Blick darauf. Die Zeit der Zusammenkunft war schon um eine Viertelstunde überschritten. Was dachte sich das Jägerdirndl eigentlich? Er war ein Bursche, um den sich die Weiber rissen. Das Abenteuer mit Mathilde hatte er längst vergessen. Eine Fabrikantengattin aus dem Norden war inzwischen seinem urwüchsigen Charme erlegen. Sein Mund verzog sich zu einem selbstgefälligen Grinsen. Der Liebeslohn war mehr als reichhaltig ausgefallen. Davon konnte ein sparsamer Mensch ein volles Jahr leben, ohne einen Finger krumm zu machen. Warum bloß bemühte er sich immer noch um das Rotschöpfl? Er kratzte sich grübelnd hinterm Ohr. Irgendwas war an ihr, das ihn fesselte. Er wusste selbst nicht zu sagen, was es war. Egal. Ein Ludl Neudecker nahm sich, was ihm gefiel.
Er schielte verkniffen zum Sonnenball hinauf, der ein gutes Stück weiter nach Westen gerückt war. Auf dem sandigen Weg, der zum alten Sägewerk führte, war immer noch nicht die schlanke Mädchengestalt zu sehen, auf die er wartete. Zehn Minuten wollte er auf dem Bretterhaufen noch ausharren, dann war seine Geduld endgültig erschöpft. Er suchte nach einem Zigarillo in sämtlichen Taschen. Vergebens. Missmutig hob er ein verwittertes Holzstück vom Boden auf und schleuderte es weit von sich weg.
Da tauchte sie auf in einem hellen Leinenkleid. Ein Sonnenstrahl zauberte Gold in das kupferrote Haar. Sofort verschwand sein Missmut. So graziös wie sie wiegte sich kein anderes Dirndl beim Schreiten in den Hüften. Lebhaft winkte er ihr zu, aber sie winkte nicht zurück. Und dann stand sie vor ihm und nickte ihm zu. Er sprang auf.
»Grüß dich, Ludl!«, sagte sie mit ihrer wohlklingenden Stimme. »Ich hab mich ein bissel versäumt. Sei net bös.«
»Wie könnt ich dir bös sein, Rotschöpfl«, heuchelte er und machte Anstalten, sie in die Arme zu schließen, doch sie wich einen Schritt zurück. Das Lächeln gefror in seinem Gesicht. »Was hast, Herzmadl? Willst mich am End auch so schlecht behandeln wie dein Vater neulich?« Er ließ sich wütend auf den Bretterhaufen zurückfallen und streckte die Beine von sich.
Martha sah nachdenklich auf ihn hinab. »Der Vater spricht net mit mir darüber«, sagte sie ruhig, »aber er wird seine Gründe haben.«
»Er mag mich net«, stieß Ludl grimmig hervor. »Ihm war ich schon allweil ein Dorn im Aug.« Um den Verlauf des Beisammenseins nicht zu unerfreulich werden zu lassen, kämpfte er seinen Groll nieder und lachte versöhnlich. »Aber du magst mich, Herzkäferl«, glaubte er zu wissen, griff nach ihr und zog die Widerstrebende auf seinen Schoß. »Hast mir’s ja oft genug bewiesen.« Er suchte ihren Mund, erreichte ihn nicht und küsste ihr Ohr. Ernüchtert ließ er sie los und fragte: »Willst zur Klosterschwester werden, Martha?«
Sie glitt von seinem Schoß herunter und setzte sich neben ihn auf den Holzstapel. »Bestimmt net, Ludl«, versicherte sie. »Aber auf Busserl, die für mich übrig bleiben, wenn du keine Sommerfrischlerin im Arm hältst, kann ich verzichten.«
Der Bergführer knöpfte den Hemdkragen auf, als wäre er ihm plötzlich zu eng geworden. »Die Red versteh ich net, Madl«, behauptete er. »Musst sie mir schon genauer erklären.« Seine Schuhspitze bohrte sich in den sandigen Boden und versuchte einen Kreis zu zeichnen. Das Vorhaben misslang.
»Glaub net, dass die Dörfler keine Augen und Ohren haben«, sagte die Jägerstochter ohne jede Regung. »Sie hören, sehen und schwatzen viel. Da ist’s kein Wunder, wenn einem so manches zugetragen wird.«
Dem Stiernackigen wurde immer unbehaglicher zumute. Er verbarg es hinter gut gespielter Entrüstung. »Was heißt das?«, fuhr er auf. »Hast du zu ein paar schandmäuligen Ratschweibern mehr Vertrauen als zu mir?« Insgeheim war er verblüfft. Nie hatte er es an der nötigen Vorsicht fehlen lassen. Dennoch entging den neugierigen Gaffern nichts in diesem verflixten Nest.
»Im ›Federerbräu‹ hast du fleißig gefensterlt, und bei der alten Zaglauerin, die an ein Fabrikantenehepaar vermietet СКАЧАТЬ