Название: Jane Eyre
Автор: Шарлотта Бронте
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: 99 Welt-Klassiker
isbn: 9783954180196
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»Helen«, flüsterte ich sanft, »wachst du?«
Sie bewegte sich, schob den Vorhang zurück – – und ich blickte in ihr bleiches, abgezehrtes aber ruhiges Gesicht. Sie schien so wenig verändert, dass meine Furcht augenblicklich schwand.
»Bist du’s wirklich, Jane?« fragte sie mit ihrer gewohnten, sanften Stimme.
»Ah!« dachte ich, »sie wird nicht sterben; sie irren sich alle; wäre es der Fall, so könnte sie nicht so ruhig, so friedlich aussehen; das wäre nicht möglich.«
Ich ging an ihr Bett und küsste sie; ihre Stirn war kalt und ihre Wange war kalt und abgezehrt, und ihre Hände und ihre Arme ebenfalls; aber ihr Lächeln war das alte geblieben.
»Weshalb kommst du hierher, Jane? Es ist schon nach elf Uhr; ich habe es vor einigen Minuten schlagen hören.«
»Ich kam um dich zu sehen, Helen. Ich hörte, du seist sehr krank, und ich konnte nicht einschlafen, bevor ich noch einmal mit dir gesprochen hatte.«
»Du bist also gekommen, um mir Lebewohl zu sagen: wahrscheinlich bist du gerade noch zu rechter Zeit gekommen.«
»Willst du fort, Helen? Willst du etwa nach Hause.«
»Ja, nach Hause – in meine letzte, meine ewige Heimat!«
»Nein, nein, Helen«, unterbrach ich sie jammernd. Während ich versuchte, meiner Tränen Herr zu werden, hatte Helen einen heftigen Hustenanfall; indessen weckte dieser die Krankenwärterin nicht; als er vorüber, lag sie einige Minuten ganz erschöpft da; dann flüsterte sie:
»Jane, deine kleinen Füße sind nackt; lege dich zu mir ins Bett und decke dich mit meiner Decke zu.«
Ich tat es; sie schlang ihren Arm um mich, und ich schmiegte mich dicht an sie. Nach langem Schweigen fuhr sie flüsternd fort:
»Ich bin sehr glücklich, Jane; und wenn du hörst, dass ich gestorben bin, so musst du mir versprechen, nicht zu trauern; denn es ist nichts zu betrauern. Wir alle müssen ja eines Tages sterben, und die Krankheit, die mich fortrafft, ist nicht schmerzhaft; sie schreitet langsam und schmerzlos fort; mein Gemüt ist in Frieden. Ich hinterlasse niemanden, der mich betrauert. Ich habe nur einen Vater; er hat sich vor kurzem wieder verheiratet und wird mich nicht vermissen. Ich sterbe jung – aber ich werde auch vielen Leiden entgehen. Ich hatte keine Eigenschaften, keine Talente, die mir geholfen hätten, einen guten Weg durch die Welt zu machen. Fortwährend würde ich das Verkehrte getan haben.«
»Aber wohin gehst du denn, Helen? Kannst du es sehen? Kannst du glauben?«
»Ich glaube; – ich habe die feste Zuversicht: ich gehe zu Gott.«
»Wo ist Gott? Was ist Gott?«
»Mein Schöpfer und der deine, der niemals zerstören kann, was er geschaffen hat. Ich glaube fest an seine Macht und vertraue seiner Allgüte. Ich zähle die Stunden bis zu jener großen, bedeutungsvollen, die mich ihm zurückgeben soll, ihn mir von Angesicht zu Angesicht zeigen wird.«
»Du bist also sicher, Helen, dass es ein Etwas gibt, das sich Himmel nennt; und dass unsere Seelen dorthin gehen werden, wenn wir sterben?«
»Ich bin sicher, dass es ein künftiges Leben gibt; ich glaube, dass Gott gut ist; ich gebe ihm mein unsterbliches Teil vertrauensvoll hin. Gott ist mein Vater; Gott ist mein Freund, ich liebe ihn; ich glaube, dass er mich liebt.«
»Und werde ich dich wiedersehen, Helen, wenn ich sterbe?«
»Du wirst in dieselben Regionen der Glückseligkeit kommen wie ich; derselbe mächtige Allvater wird auch dich an sein Herz nehmen, Jane, zweifle nicht daran.«
Wiederum fragte ich, doch dieses Mal nur in Gedanken, »wo sind jene Regionen? Sind sie wirklich?« Und fester schlang ich meine Arme um Helen; sie war mir in diesem Augenblick teurer denn je; mir war, als könne ich sie nicht fortgehen lassen; ich verbarg mein Gesicht an ihrer Brust. Gleich darauf sagte sie in ihrer süßesten Weise:
»Wie wohl ich mich fühle! Jener letzte Hustenanfall hat mich ein wenig ermüdet; mir ist, als könnte ich jetzt schlafen; aber verlass mich nicht, Jane; es ist so schön, dich so nahe zu wissen.«
»Ich bleibe bei dir, süße Helen; niemand soll mich von hier fortnehmen.«
»Ist dir warm, mein Liebling?«
»Ja.«
»Gute Nacht, Jane.«
»Gute Nacht, Helen.«
Sie küsste mich und ich küsste sie: bald schliefen wir beide.
Als ich erwachte, war es Tag. Eine ungewöhnliche Bewegung weckte mich; ich öffnete die Augen; jemand hielt mich in den Armen; es war die Krankenwärterin; sie trug mich durch die Korridore in den Schlafsaal zurück. Man erteilte mir keinen Verweis dafür, dass ich mein Bett verlassen hatte; die Leute hatten an andere Dinge zu denken. Auf meine vielen Fragen gab man mir damals keine Erklärungen; aber einige Tage später erfuhr ich, dass Miss Temple, als sie in ihr Zimmer zurückgekehrt, mich in dem kleinen Bette gefunden habe; mein Gesicht ruhte auf Helen Burns Schulter, meine Arme umschlangen ihren Hals. Ich schlief, und Helen war – tot.
Ihr Grab befindet sich auf dem Friedhofe von Brocklebridge; noch fünfzehn Jahre nach ihrem Tode deckte es nur ein einfacher Grashügel. Jetzt bezeichnet eine graue Marmortafel die Stelle; darauf steht ihr Name und das Wort: »Resurgam.«
Zehntes Kapitel
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