Die Schlucht. Иван Гончаров
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Название: Die Schlucht

Автор: Иван Гончаров

Издательство: Public Domain

Жанр: Русская классика

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СКАЧАТЬ ging nach der Tür und sah nach ihr zurück. Sie saß unbeweglich da: nichts weiter war in ihrem Gesicht zu lesen, als nur der ungeduldige Wunsch, daß er schon gehen möchte. Kaum hatte er das Zimmer verlassen, als sie sich erhob, aus der Karaffe ein Glas Wasser eingoß, es langsam austrank und dann die bereits angespannten Pferde abzuschirren befahl. Nun setzte sie sich wieder in den Sessel und saß in tiefem Nachdenken da, ohne sich zu rühren.

      Wenige Minuten darauf ließen sich Schritte vernehmen, und die Portiere öffnete sich. Sophie fuhr zusammen, blickte flüchtig in den Spiegel und stand auf. Der Vater trat ein und mit ihm ein Gast, ein Herr in mittleren Jahren, hochgewachsen, brünett, mit melancholischem Gesichte. Es war keine russische Physiognomie. Der Vater stellte ihn Sophie vor.

      »Graf Milari, ma chére amie,« sagte er— »grand musicien et le plus aimable garcon du monde. Er ist seit vierzehn Tagen in Petersburg – du hast ihn ja damals bei der Fürstin, beim Balle, gesehen? Verzeih, meine Liebe, ich war beim Grafen, und er ließ mich nicht fort – ich konnte dich nicht zum Theater abholen . . .«

      »Ich habe schon ausspannen lassen, Papa; ich habe keine Lust, heut hinzufahren,« antwortete sie.

      Sophie bat den Gast, Platz zu nehmen. Sie begannen sich über Musik zu unterhalten, und Nikolaj Wassiljewitsch ging, sich auf die Lippen beißend, ins Gastzimmer.

      Fünfzehntes Kapitel

      Raiski kehrte wie berauscht nach Hause zurück, er achtete kaum auf den Weg, das Treiben der Straße, die Passanten, die vorüberfahrenden Wagen. Er sah nur Sophie – sah sie im Bilde, in einem Rahmen von Samt und Spitzen, ganz in Seide und im Schmuck der Brillanten, doch war es nicht mehr die ruhige, allen Gefühlen unzugängliche Sophie von früher.

      Er hatte in ihrem Gesicht die ersten schüchternen Strahlen des Lebens bemerkt, flüchtige Blitze der Ungeduld, dann der Unruhe und Furcht, und zuletzt war es ihm gelungen, eine gewisse Erregtheit, vielleicht ein unbewußtes Bedürfnis nach Liebe in ihr hervorzurufen.

      Er hatte den Zweifel in ihre Seele geworfen, vielleicht Fragen in ihr geweckt, vielleicht auch das Bedauern über ein verlorenes Leben, mit einem Wort: er hatte sie in Wallung gebracht. Und in weiter Ferne sah er dann die Leidenschaft von ihrer Seele Besitz nehmen, sah er das Drama sich entwickeln, die Statue sich zum Weibe wandeln.

      Vorläufig war er auch schon mit diesem winzigen Erfolge seiner Propaganda zufrieden; er hoffte, daß nun die Ahnen in ihren Augen von dem hohen Piedestal herabsteigen würden.

      Noch zwei-, dreimal, dachte er, würde er den Zipfel des Vorhangs vor ihren Augen lüften und sie einen Blick in die strahlende Ferne tun lassen – dann wird ihr plötzlich das Verständnis für das Leben, das Glück aufgehen. Ihr Blick wird verwundert auf jemandem ruhen und sich wieder heben, um starr in die Ferne zu schauen— und wie im Handumdrehen wird sie umgewandelt sein.

      »Wer aber wird dieser Jemand sein?« fragte er sich eifersüchtig. »Wird es nicht der sein, der zuerst in ihr den Funken angefacht, das Gefühl geweckt hat? Hatte er nicht ein Anrecht darauf, daß ihr Gefühl sich nun auch ihm zuwandte?«

      Er blickte in den Spiegel und versank in Nachsinnen, trat dann ans Fenster, öffnete das Luftpförtchen und atmete die frische Luft ein. Die Klänge eines Violoncells drangen an sein Ohr.

      »Ach, da beginnt dieser Kerl wieder auf seinem Instrument herumzusägen!« sagte er ärgerlich, während sein Blick das gegenüberliegende Fenster des Seitenflügels streifte. »Und immer dieselben Passagen!« fügte er hinzu und schloß das Luftpförtchen heftig.

      Aber die Töne drangen noch immer, wenn auch nur gedämpft, an sein Ohr. Jeden Morgen und jeden Abend sah er diesen Menschen dort am Fenster, über sein Instrument gebeugt, hörte er die ewigen Wiederholungen dieser fast unmöglichen Passagen, fünfzigmal, hundertmal, ganze Wochen und Monate lang.

      »Dieser Esel!« sagte Raiski, legte sich auf den Diwan und versuchte einzuschlafen, aber die Töne verstummten nicht, so tief er auch sein Ohr in das Kissen hineinwühlte. Immer und immer wieder, unaufhörlich klang dieses Sägen und Kratzen durch die Luft.

      »Ein richtiger Esel, weiß Gott!« wiederholte er, setzte sich selbst ans Klavier und begann kräftig in die Tasten zu greifen, um das Violoncell zu übertönen. Dann schlug er paar lustige Triller an und spielte einige Motive aus verschiedenen Opern, um das Wimmern dort drüben nicht zu hören, und schließlich vergaß er es über seinen eigenen Improvisationen.

      Vor seinem Geiste schwebte Sophie: während des Spiels sah er nur immer sie, schon war ihre Leidenschaft geweckt, schon liebte und litt sie – doch als er dann fragte: »Wer ist’s, den sie liebt?« – da brach sein Spiel plötzlich wie von selbst ab. Er erhob sich vom Klavier und öffnete das Pförtchen.

      »Er spielt immer noch!« murmelte er ganz verwundert und wollte das Pförtchen sogleich wieder zuwerfen, als er plötzlich wie gebannt stehenblieb.

      Das waren nicht dieselben Töne: nicht jenes Wimmern, jenes ewige Wiederholen der schwierigen Passagen vernahm er. Eine kräftige Hand führte den Bogen; er hatte das Gefühl, als strichen sie unmittelbar über seine Nerven hin. Die Töne weinten und lachten wie auf Geheiß, und es war, als ob sie den Zuhörer in ein wogendes Meer versetzten, ihn jetzt tief in den Abgrund schleuderten, dann plötzlich in die Höhe emporschnellten und durch die Lüfte forttrügen.

      Welten öffneten sich vor ihm, Visionen tauchten auf, zauberische Gefilde weiteten sich. Mit Augen und Ohren lauschte Raiski dem Spiel: er sah nur die Gestalt dort in der bloßen Weste und in Hemdärmeln; eine Kerze beleuchtete die feuchte Stirn, die Augen waren nicht sichtbar. Boris schaute starr und unbeweglich nach ihm hin, wie dereinst nach Waßjukow.

      »O, was ist das?« dachte er, während er erschauernd, fast erschreckt, diesen harmonisch hinflutenden Tonwellen lauschte.

      »Was ist das?« wiederholte er seine Frage – »woher kommen ihm diese Töne? Wer hat sie ihm eingegeben? Verdankt er sie seiner monate- und jahrelangen Eselsarbeit, seiner Geduld und Ausdauer? Jahrelang Gipsköpfe zeichnen, jahrelang auf den Saiten herumsägen – ist’s das, was dem Bilde Feuer und Leben leiht, was die Kraft gibt, den magischen Punkt oder Strich hinzusetzen, was dem Spiel die Leidenschaft, den nervös vibrierenden Fingern die Zauberkraft einflößt? Alles das ist mir doch nicht fremd: der magische Punkt, und das nervöse Vibrieren, und die flammende Leidenschaft – sie sind hier, in meiner Brust!« Er schlug sich bei diesen Worten selbst gegen die Brust. »Nur eins vermag ich nicht: sie in einer anderen Brust aufflammen zu lassen! Ich bringe es nicht fertig, mit meinem Feuer das Blut des Zuschauers zu entzünden! Das heilige Feuer geht bei mir nicht über in die Töne, läßt sich nicht bannen in meine Bilder. Die Gestalten meiner Gedichte, meiner Romane gruppieren sich nicht harmonisch – wie geht das nur zu?«

      Und wiederum lauschte er und war ganz Ohr: er hörte weder den Bogen noch die Saiten; das Instrument war nicht vorhanden, frei und begeistert schien die Brust des Künstlers selbst zu tönen.

      Tränen der Rührung traten Raiski in die Augen, und er schloß leise das Pförtchen.

      Geduld und Ausdauer – besaß er selbst sie denn nicht, diese wundertätigen Eigenschaften? Welche Anstrengungen machte er nicht, um . . . seine Pläne bei der Cousine durchzusetzen, wieviel Geist, Phantasie und Anstrengung verwandte er darauf, um in ihr das Feuer, das Leben, die Leidenschaft zu wecken! . . . Das war das Ziel, das seine Kräfte in Anspruch nahm!

      »Du darfst nicht die Kunst ins Leben hinaustragen wollen,« flüsterte ihm jemand zu, »sondern mußt vielmehr Leben bringen in die Kunst! Hüte die Kunst, hüte deine Kräfte!«

      Er trat an die Staffelei und zog den grünen Taft zurück: ein Porträt СКАЧАТЬ