Das Bildnis des Dorian Gray. Wilde Oscar
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Название: Das Bildnis des Dorian Gray

Автор: Wilde Oscar

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ Fluidum oder ein seltener Wohlgeruch: darin lag eine wahre Lust – vielleicht die allerbefriedigendste Lust, die uns übriggeblieben ist, in einer so beschränkten und ordinären Zeit wie die unsere, die so derbfleischlich in ihren Genüssen und so grobzufassend in ihren Begierden ist… Auch war er ein wundervoller Typus, dieser junge Mensch, den er durch einen so wunderbaren Zufall in Basils Atelier kennengelernt hatte, oder konnte jedenfalls zu einem wunderbaren Typus umgemodelt werden. Anmut war ihm verliehen und die schneeige Reinheit der Jünglingschaft, und eine Schönheit, wie man sie bei alten griechischen Marmorbildern findet. Nichts gab es, was sich nicht aus ihm machen ließe. Man konnte einen Titanen oder ein Spielzeug aus ihm machen. Welch Jammer, daß solche Schönheit dahinwelken muß… Und Basil? Wie interessant war doch er für den Psychologen! Diese neue Art von Kunst, diese neue Weise, das Leben anzuschauen, die ihm auf das seltsamste durch die sichtbare Gegenwart eines Menschen erweckt wurde, der von alledem nichts wußte: der stille Geist, der in einer düsteren Waldlandschaft wohnte und ungesehen ins offene Feld entwandelte, enthüllte sich plötzlich wie eine Dryade, und ohne Scheu, weil in der Seele, die sehnsüchtig nach ihm suchte, jene wundersame Vision wach geworden war, der nur die außerordentlichen Dinge offenbar werden: die bloßen Formen und Linien der Dinge wurden gleichsam edler und bekamen eine Art von symbolischer Bedeutung, als wären sie selbst nur Schatten einer anderen und vollendeteren Form, deren Abbilder sie zur Wirklichkeit erhoben: wie merkwürdig das alles war! Er erinnerte sich, daß es in der Geschichte irgend etwas Ähnliches gab. War es nicht Plato, dieser Künstler in der Welt der Gedanken, der es als erster untersucht hatte? War es nicht Buonarotti, der es in den farbigen Marmor seiner Sonettreihe gemeißelt hatte? Aber in unserem Jahrhundert war es etwas Seltenes… Ja, er wollte versuchen, für Dorian Gray das zu sein, was der Jüngling, ohne es zu wissen, für den Maler war, der das prächtige Bildnis geschaffen hatte. Er wollte versuchen, in ihm zu herrschen – hatte es in Wahrheit schon zum Teil getan. Er wollte diesen wunderbaren Geist zu seinem eigenen machen. Es war etwas unwiderstehlich Magnetisches in diesem Abkömmling von Tod und Liebe.

      Plötzlich blieb er stehen und sah an den Häusern hinauf. Er entdeckte, daß er bereits an dem Hause seiner Tante vorbeigegangen sei, und ging stillächelnd zurück. Als er in die etwas düstere Halle eintrat, sagte ihm der Diener, die Herrschaften seien schon beim Frühstück. Er gab einem Lakai Hut und Stock und ging in den Speisesaal.

      „Spät wie immer, Harry“, rief seine Tante, ihm zunickend.

      Er erfand eine glaubwürdige Entschuldigung, setzte sich auf den leeren Platz neben sie und sah sich um, zu sehen, wer noch da war. Dorian begrüßte ihn schüchtern vom Ende des Tisches her, und seine Wangen wurden vor geheimer Freude rot. Gegenüber saß die Herzogin von Harley, eine Dame von bewunderungswürdig guter Laune und ebensolchem Charakter, die jeder gern hatte und deren Körper in jenen erhabenen architektonischen Maßen aufgebaut war, der von zeitgenössischen Geschichtsschreibern bei Frauen, die nicht gerade Herzoginnen sind, als Beleibtheit bezeichnet wird. Zu ihrer Rechten saß Sir Thomas Burdon, ein radikales Parlamentsmitglied, das im öffentlichen Leben seinem Parteichef Gefolge leistete und im privaten den besten Küchenchefs, der nach einer weisen und allgemein verbreiteten Lebensregel mit den Tories dinierte und mit den Liberalen geistig übereinstimmte. Den Platz an ihrer Linken nahm Herr Erskine of Treadley ein, ein alter prächtiger und gebildeter Herr, der sich die schlechte Gewohnheit des Schweigens angeeignet hatte, da er, wie er einmal Lady Agatha erklärte, schon vor seinem dreißigsten Lebensjahr alles gesagt hatte, was er überhaupt zu sagen hatte. Seine Nachbarin war Frau Vandeleur, eine der ältesten Freundinnen seiner Tante, eine vollendete Heilige unter den Frauen, aber so geschmacklos verputzt, daß man bei ihrem Anblick immer an ein schlechtgebundenes Gebetbuch denken mußte. Zu seinem Glück saß an ihrer anderen Seite Lord Faudel, eine sehr intelligente Mittelmäßigkeit in den besten Jahren, der so kahl war wie der Bericht eines Ministers auf eine Interpellation im Unterhaus, und mit ihm unterhielt sie sich in jenem intensiv-ernsten Tone, der, wie Lord Henry einmal selbst geäußert hatte, der eine unverzeihliche Irrtum ist, in den alle wirklich guten Menschen verfallen, und den keiner von ihnen völlig vermeiden kann.

      „Wir sprechen über den bedauernswerten Dartmoor, Henry“, rief die Herzogin, ihm vergnügt über den Tisch zunickend. „Glauben Sie, daß er wirklich die berückende junge Dame heiratet?“

      „Ich glaube, Frau Herzogin, sie hat sich fest vorgenommen, um das Jawort zu bitten.“

      „Wie schrecklich“, rief Lady Agatha. „Dann sollte sich wirklich jemand ins Mittel legen.“

      „Ich erfahre aus einer ganz vorzüglichen Quelle, daß ihr Vater ein Kurzwarengeschäft in Amerika hat“, sagte Sir Thomas Burdon mit einem überlegenen Blicke.

      „Mein Onkel hat behauptet: Schweinefleischlieferant, Sir Thomas.“

      „Kurzwaren! Was sind amerikanische Kurzwaren?“ fragte die Herzogin und erhob staunend ihre großen Hände und dabei jede Silbe betonend.

      „Amerikanische Romane“, antwortete Lord Henry und nahm von den Wachteln.

      Die Herzogin machte ein erstauntes Gesicht.

      „Geben Sie nicht acht auf ihn, meine Liebe,“ wisperte ihr Lady Agatha zu, „er meint nie im Ernst, was er sagt.“

      „Als Amerika entdeckt wurde,“ sagte der radikale Abgeordnete und ließ einige langweilige Tatsachen vom Stapel. Wie alle Menschen, die bestrebt sind, ein Thema zu erschöpfen, erschöpfte er seine Zuhörer. Die Herzogin seufzte und benützte ihr Vorrecht, zu unterbrechen. – „Wollte Gott, es wäre überhaupt nicht entdeckt worden“, rief sie aus. „Unsere Töchter haben heutzutage wirklich gar keine Chance mehr. Das ist geradezu empörend!“

      „Vielleicht ist Amerika überhaupt nicht entdeckt worden, wenn man's recht betrachtet“, sagte Herr Erskine. „Ich würde eher sagen, daß es nur aufgefunden worden ist.“

      „Oh, ich muß aber gestehen, daß ich einige Exemplare seiner Bewohnerinnen gesehen habe,“ antwortete die Herzogin zerstreut, „ich muß zugeben, die meisten von ihnen sind ausgesprochen hübsch. Und außerdem ziehen sie sich gut an. Sie beziehen alle ihre Kleider aus Paris. Ich wollte, ich könnte mir das auch leisten.“

      „Man sagt: wenn gute Amerikaner sterben, so fahren sie nach Paris“, gluckste Sir Thomas, der eine große Kiste voll abgelegter Scherze sein eigen nannte.

      „In der Tat? Und wohin gehen schlechte Amerikaner, wenn sie sterben?“ fragte die Herzogin.

      „Sie gehen nach Amerika“, murmelte Lord Henry.

      Sir Thomas runzelte die Stirn. „Ich fürchte, Ihr Neffe hat Vorurteile gegen dieses große Land“, sagte er zu Lady Agatha. „Ich habe es ganz bereist im Eisenbahnwagen, die mir die Direktionen zur Verfügung stellten. Man ist da in diesen Dingen außerordentlich höflich. Ich versichere Ihnen, es ist eine vorzüglich bildende Reise da drüben.“

      „Aber müssen wir wirklich nach Chicago schwimmen, um unsere Bildung zu vervollständigen?“ fragte Herr Erskine wehmütig. „Ich fühle mich wirklich zu solcher Reise nicht aufgelegt.“

      Sir Thomas winkte mit der Hand. „Herr Erskine of Treadley besitzt die Welt auf seinen Bücherregalen. Wir Männer des praktischen Lebens lieben es, die Dinge zu sehen, nicht darüber zu lesen. Die Amerikaner sind ein außerordentlich interessantes Volk. Sie sind vollständig Vernunftmenschen. Ich glaube, das ist ihr Charaktermerkmal. Ja, Herr Erskine, ein ausschließlich von der Vernunft beherrschtes Volk. Ich versichere Ihnen, es gibt bei den Amerikanern keinerlei Unsinn.“

      „Wie schrecklich!“ rief Lord Henry aus. „Ich kann rohe Gewalt vertragen, aber rohe Vernunft ist mir unerträglich. Ich finde immer, daß ihre Anwendung unbillig ist. Es heißt den Geist unterjochen.“

      „Ich verstehe Sie nicht“, erwiderte Sir Thomas СКАЧАТЬ