Название: Die Äbtissin von Castro
Автор: Stendhal
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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Der Papst gab ihm das Zeichen, zu sprechen, und er sprach drei lange Stunden; danach nahm der Papst alle ihre Schriftstücke an sich und schickte sie fort. Als sie gingen, war Altiere der Letzte; er hatte Furcht, sich kompromittiert zu haben und warf sich vor dem Papst auf die Knie, indem er sagte:
„Es blieb mir nichts übrig, als in dieser Sache zu erscheinen, denn ich bin Anwalt der Armen.“
Worauf der Papst antwortete:
„Wir wundern uns nicht über Euch, sondern über die anderen.“
Der Papst wollte sich nicht niederlegen, sondern verbrachte die ganze Nacht damit, die Verteidigungsschriften der Advokaten zu lesen; er ließ sich bei dieser Arbeit von dem Kardinal von San Marcello helfen. Seine Heiligkeit schien dermaßen gerührt, daß man etwas Hoffnung für das Leben dieser Unglücklichen schöpfen konnte. Um die Söhne zu retten, suchten die Advokaten die ganze Schuld auf Beatrice zu wälzen. Da im Prozeß bewiesen worden war, daß ihr Vater mehrmals in einer verbrecherischen Absicht Gewalt angewendet hatte, hofften die Advokaten, daß ihr der Mord vergeben würde, da sie sich im Zustand der berechtigten Notwehr befand; und wenn es so geschah, daß dem Haupturheber des Verbrechens das Leben geschenkt wurde, wie wäre es möglich, ihre Brüder, die durch sie verleitet waren, mit dem Tode zu bestrafen?
Nach dieser in seinen Pflichten als Richter verbrachten Nacht, befahl Clemens VIII., daß die Angeklagten ins Gefängnis zurückgeführt und in geheimer Haft gehalten würden. Es war erwiesen, daß Beatrice den Monsignor Guerra liebte, aber niemals die Regeln der strengsten Tugend überschritten hatte: man konnte ihr also bei wahrer Gerechtigkeit nicht die Verbrechen eines Ungeheuers anrechnen und sie strafen, weil sie von ihrem Verteidigungsrecht Gebrauch gemacht hatte. Was hätte man getan, wenn sie eingewilligt hätte? Mußte es sein, daß die menschliche Rechtsprechung das Mißgeschick eines so liebenswürdigen, so bemitleidenswerten und schon so unglücklichen Wesens noch vergrößerte? Hatte sie nicht nach einem so traurigen Leben, daß sie schon, bevor sie 16 Jahr alt war, mit allen Arten des Unglücks überhäuft hatte, das Recht auf weniger schreckliche Tage? Jedermann in Rom schien ihre Verteidigung übernommen zu haben. Wäre ihr nicht verziehen worden, wenn sie Francesco Cenci erdolcht hätte, als er zum ersten Mal das Verbrechen versuchte?
Papst Clemens VIII. war milde und voll Erbarmen. Wir begannen zu hoffen, er würde, – ein wenig beschämt über die Grille, die ihn das Beweisverfahren der Advokaten hatte unterbrechen lassen, – jener verzeihen, die Gewalt mit Gewalt vergolten hatte, und wahrhaftig nicht als vorschnelle Erwiderung des Verbrechens, sondern erst, als man es von neuem an ihr versuchen wollte. Ganz Rom war in ängstlicher Spannung; da erhielt der Papst die Nachricht des gewaltsamen Todes der Marchesa Constanza Santa Croce. Ihr Sohn Paolo Santa Croce hatte diese sechzig Jahre alte Dame mit Dolchstichen getötet, weil sie sich nicht verpflichten wollte, ihn zum Erben aller ihrer Güter einzusetzen. Der Bericht fügte hinzu, daß Santa Croce die Flucht ergriffen habe und daß man keine Hoffnung hätte, ihn festzunehmen. Der Papst erinnerte sich an den Brudermord der Massini, der vor kurzer Zeit begangen worden war. Aufs Tiefste betrübt über diese Häufung von Morden an Nahverwandten, glaubte Seine Heiligkeit, es sei nicht gestattet, zu verzeihen. Als der Papst den verhängnisvollen Bericht über Santa Croce erhielt, befand er sich, es war am 6. September, im Palast von Monte Cavallo, um am folgenden Tage ganz in der Nähe der Kirche Santa Maria degli Angeli zu sein, wo er einen deutschen Kardinal zum Bischof weihen sollte.
Am Freitag, zur zweiundzwanzigsten Stunde, das ist vier Uhr nachmittags, ließ er Ferrante Taverna, den Gouverneur von Rom, rufen und sagte diesem wörtlich: „Wir geben die Sache der Cenci an Euch, damit das Recht durch Eure Fürsorge und ohne jeden Aufschub geschehe.“
Der Gouverneur kam, sehr bewegt von dem Auftrag, den er erhalten hatte, in seinen Palast zurück; er fertigte sogleich das Todesurteil aus und berief die Kongregation, um über die Art der Vollstreckung zu beraten.
Samstag früh, am 11. September 1599, begaben sich die ersten Signori Roms, Mitglieder der Brüderschaft der Confortatori, in die beiden Gefängnisse, nach Corte Savella, wo Beatrice und ihre Stiefmutter waren und nach Tordinona, wo sich Giacomo und Bernardo Cenci befanden. Während der ganzen Nacht vom Freitag zum Sonnabend taten die römischen Herren, die erfahren hatten, was vorging, nichts anderes, als vom Palazzo Monte Cavalli zu denen der ersten Kardinäle zu eilen, um wenigstens zu erreichen, daß die Frauen im Innern des Gefängnisses hingerichtet würden und nicht auf schmählichem Schafott, und daß man den jungen Bernardo Cenci begnadigte, da er kaum fünfzehn Jahr alt und gewiß nicht ins Verbrechen eingeweiht gewesen sei. Der edle Kardinal Sforza hat sich vor allen in dieser verhängnisvollen Nacht durch seinen Eifer ausgezeichnet; aber ein so mächtiger Fürst er auch war, konnte er doch nichts ausrichten. – Das Verbrechen von Santa Croce war ein niedriges Verbrechen, es war wegen des Geldes begangen; doch das Verbrechen Beatrices war begangen, um die Ehre zu retten.
Während die mächtigsten Kardinäle so viele unnütze Schritte taten, hatte unser großer Rechtsgelehrter Farinacci die Kühnheit, zum Papst vorzudringen und, bei seiner Heiligkeit angelangt, besaß dieser erstaunliche Mann die Geschicklichkeit, ihn bei seiner Gewissenhaftigkeit zu packen und schließlich gelang es ihm, Bernardo Cenci das Leben zu retten.
Als der Papst dies große Wort aussprach, konnte es vier Uhr morgens sein (vom Sonnabend, dem 11. September). Die ganze Nacht war auf dem Platz bei der Engelsbrücke an den Vorbereitungen dieser grausamen Tragödie gearbeitet worden. Indessen waren alle notwendigen Abschriften des Todesurteils erst um fünf Uhr morgens beendet, so daß man den armen Unglücklichen, die ruhig schliefen, erst um sechs Uhr früh die verhängnisvolle Nachricht ankündigen konnte.
Das junge Mädchen vermochte zuerst nicht einmal die Kraft zu finden, sich anzukleiden. Sie stieß in einem fort durchdringende Schreie aus und überließ sich ganz haltlos der schrecklichsten Verzweiflung. „Wie ist es möglich, oh! Gott!“ schrie sie, „daß ich so unvorbereitet sterben muß?“
Lucrezia dagegen benahm sich ganz gefaßt; erst kniete sie nieder und betete, dann forderte sie gelassen ihre Tochter auf, sich mit ihr in die Kapelle zu begeben, um sich mit ihr auf den großen Übergang vom Leben zum Tode vorzubereiten.
Dies Wort gab Beatrice ihre ganze Ruhe wieder; soviel Maßlosigkeit und Aufwallung sie zuerst gezeigt hatte, so gefaßt und verständig war sie nun, seit ihre Stiefmutter ihre große Seele zu sich selbst zurückgerufen hatte. Von diesem Augenblick an war sie ein Spiegel der Standhaftigkeit, den ganz Rom bewundert hat.
Sie verlangte einen Notar, um ihr Testament zu machen, was ihr bewilligt wurde. Sie bestimmte, daß ihr Leichnam nach San Pietro in Montorio gebracht werde und hinterließ den Nonnen der Wundmale des Heiligen Franziskus 300 000 Francs, welche Summe dazu dienen sollte, fünfzig arme Mädchen auszustatten. Dieses Beispiel bewegte auch die Signora Lucrezia dazu, daß sie ihr Testament machte und die Anordnung traf, ihren Leichnam nach San Giorgio zu überführen; sie hinterließ 500 000 Francs Almosen für diese Kirche und machte noch andere fromme Legate.
Um acht Uhr beichteten sie, hörten darauf die Messe und nahmen das Heilige Abendmahl. Aber bevor sie zur Messe gingen, erwog Beatrice, daß es nicht passend sei, auf dem Schafott, vor den Augen des ganzen Volks mit den reichen Gewändern zu erscheinen, die sie trugen. Sie bestellte zwei Kleider, das eine für sich, das andere für ihre Mutter. Die Gewänder wurden wie Nonnenkutten gearbeitet, ohne Aufputz an Brust und Schultern, nur gefältelt mit weiten Ärmeln. Das Kleid der Stiefmutter war aus schwarzer Baumwolle, das des jungen Mädchens aus blauem Taft mit einer dicken Schnur, welche den Gürtel bildete.
Als man die Kleider brachte, erhob sich Signora Beatrice, die auf den Knien lag und sagte der Signora Lucrezia: „Frau Mutter, die Stunde unsres Leidens nähert sich, СКАЧАТЬ