Italienische Reise — Band 2. Johann Wolfgang von Goethe
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СКАЧАТЬ vernünftiges Wort zu sagen. Gestern hab' ich vieles gesehen und wieder gesehen, ich bin vielleicht in zwölf Kirchen gewesen, wo die schönsten Altarblätter sind.

      Dann war ich mit Angelika bei dem Engländer Moore, einem Landschaftsmaler, dessen Bilder meist trefflich gedacht sind. Unter andern hat er eine Sündflut gemalt, das etwas Einziges ist. Anstatt daß andere ein offnes Meer genommen haben, das immer nur die Idee von einem weiten, aber nicht hohen Wasser gibt, hat er ein geschlossenes hohes Bergtal vorgestellt, in welches die immer steigenden Wasser endlich auch hereinstürzen. Man sieht an der Form der Felsen, daß der Wasserstand sich dem Gipfel nähert, und dadurch, daß es hinten quervor zugeschlossen ist, die Klippen alle steil sind, macht es einen fürchterlichen Effekt. Es ist gleichsam nur grau in grau gemalt, das schmutzige aufgewühlte Wasser, der triefende Regen verbinden sich aufs innigste, das Wasser stürzt und trieft von den Felsen, als wenn die ungeheuren Massen sich auch in dem allgemeinen Elemente auflösen wollten, und die Sonne blickt wie ein trüber Mond durch den Wasserflor durch, ohne zu erleuchten, und doch ist es nicht Nacht. In der Mitte des Vordergrundes ist eine flache isolierte Felsenplatte, auf die sich einige hülflose Menschen retten in dem Augenblick, daß die Flut heranschwillt und sie bedecken will. Das Ganze ist unglaublich gut gedacht. Das Bild ist groß. Es kann 7-8 Fuß lang und 5-6 Fuß hoch sein. Von den andern Bildern, einem herrlich schönen Morgen, einer trefflichen Nacht, sag' ich gar nichts.

      Drei volle Tage war Fest auf Ara coeli wegen der Beatifikation zweier Heiligen aus dem Orden des heiligen Franziskus. Die Dekoration der Kirche, Musik, Illumination und Feuerwerk des Nachts zog eine große Menge Volks dahin. Das nah gelegene Kapitol war mit erleuchtet und die Feuerwerke auf dem Platz des Kapitols abgebrannt. Das Ganze zusammen machte sich sehr schön, obgleich es nur ein Nachspiel von St. Peter war. Die Römerinnen zeigen sich bei dieser Gelegenheit, von ihren Männern oder Freunden begleitet, des Nachts weiß gekleidet mit einem schwarzen Gürtel und sind schön und artig. Auch ist im Korso jetzt des Nachts häufiger Spaziergang und Fahrt, da man des Tags nicht aus dem Hause geht. Die Hitze ist sehr leidlich und diese Tage her immer ein kühles Windchen wehend. Ich halte mich in meinem kühlen Saale und bin still und vergnügt.

      Ich bin fleißig, mein "Egmont" rückt sehr vor. Sonderbar ist's, daß sie eben jetzt in Brüssel die Szene spielen, wie ich sie vor zwölf Jahren aufschrieb, man wird vieles jetzt für Pasquill halten.

Rom, den 16. Juli

      Es ist schon weit in der Nacht, und man merkt es nicht, denn die Straße ist voll Menschen, die singend, auf Zithern und Violinen spielend, miteinander wechselnd, auf und ab gehn. Die Nächte sind kühl und erquickend, die Tage nicht unleidlich heiß.

      Gestern war ich mit Angelika in der Farnesina, wo die Fabel der Psyche gemalt ist. Wie oft und unter wie manchen Situationen hab' ich die bunten Kopien dieser Bilder in meinen Zimmern mit euch angesehn! Es fiel mir recht auf, da ich sie eben durch jene Kopien fast auswendig weiß. Dieser Saal oder vielmehr Galerie ist das Schönste, was ich von Dekoration kenne, so viel auch jetzt dran verdorben und restauriert ist.

      Heute war Tierhetze in dem Grabmal des August. Dieses große, inwendig leere, oben offene, ganz runde Gebäude ist jetzt zu einem Kampfplatz, zu einer Ochsenhetze eingerichtet wie eine Art Amphitheater. Es wird vier — bis fünftausend Menschen fassen können. Das Schauspiel selbst hat mich nicht sehr erbaut.

      Dienstag, den 17. Juli, war ich abends bei Albacini, dem Restaurator antiker Statuen, um einen Torso zu sehen, den sie unter den farnesinischen Besitzungen, die nach Neapel gehen, gefunden haben. Es ist ein Torso eines sitzenden Apolls und hat an Schönheit vielleicht nicht seinesgleichen, wenigstens kann er unter die ersten Sachen gesetzt werden, die vom Altertum übrig sind.

      Ich speiste bei Graf Fries; Abbate Casti, der mit ihm reist, rezitierte eine seiner Novellen, "Der Erzbischof von Prag", die nicht sehr ehrbar, aber außerordentlich schön, in Ottave rime, geschrieben ist. Ich schätzte ihn schon als den Verfasser meines beliebten "Re Teodoro in Venezia". Er hat nun einen "Re Teodoro in Corsica" geschrieben, wovon ich den ersten Akt gelesen habe, auch ein ganz allerliebstes Werk.

      Graf Fries kauft viel und hat unter andern eine Madonna von Andrea del Sarto für 600 Zechinen gekauft. Im vergangenen März hatte Angelika schon 450 drauf geboten, hätte auch das Ganze dafür gegeben, wenn ihr attenter Gemahl nicht etwas einzuwenden gehabt hätte. Nun reut sie's beide. Es ist ein unglaublich schön Bild, man hat keine Idee von so etwas, ohne es gesehn zu haben.

      Und so kommt tagtäglich etwas Neues zum Vorschein, was, zu dem Alten und Bleibenden gesellt, ein großes Vergnügen gewährt. Mein Auge bildet sich gut aus, mit der Zeit könnte ich Kenner werden.

      Tischbein beschwert sich in einem Briefe über die entsetzliche Hitze in Neapel. Hier ist sie auch stark genug. Am Dienstag soll es so heiß gewesen sein, als Fremde es nicht in Spanien und Portugal empfunden.

      "Egmont" ist schon bis in den vierten Akt gediehen, ich hoffe, er soll euch Freude machen. In drei Wochen denke ich fertig zu sein, und ich schicke ihn gleich an Herdern ab.

      Gezeichnet und illuminiert wird auch fleißig. Man kann s nicht aus dem Hause gehn, nicht die kleinste Promenade machen, ohne die würdigsten Gegenstände zutreffen. Meine Vorstellung, mein Gedächtnis füllt sich voll unendlich schöner Gegenstände.

Rom, den 20. Juli. 20

      Ich habe recht diese Zeit her zwei meiner Kapitalfehler, die mich mein ganzes Leben verfolgt und gepeinigt haben, entdecken können. Einer ist, daß ich nie das Handwerk einer Sache, die ich treiben wollte oder sollte, lernen mochte. Daher ist gekommen, daß ich mit so viel natürlicher Anlage so wenig gemacht und getan habe. Entweder es war durch die Kraft des Geistes gezwungen, gelang oder mißlang, wie Glück und Zufall es wollten, oder wenn ich eine Sache gut und mit überlegung machen wollte, war ich furchtsam und konnte nicht fertig werden. Der andere, nah verwandte Fehler ist, daß ich nie so viel Zeit auf eine Arbeit oder Geschäft wenden mochte, als dazu erfordert wird. Da ich die Glückseligkeit genieße, sehr viel in kurzer Zeit denken und kombinieren zu können, so ist mir eine schrittweise Ausführung nojos und unerträglich. Nun, dächt' ich, wäre Zeit und Stunde da, sich zu korrigieren. Ich bin im Land der Künste, laßt uns das Fach durcharbeiten, damit wir für unser übriges Leben Ruh' und Freude haben und an was anders gehen können.

      Rom ist ein herrlicher Ort dazu. Nicht allein die Gegenstände aller Art sind hier, sondern auch Menschen aller Art, denen es Ernst ist, die auf den rechten Wegen gehen, mit denen man sich unterhaltend gar bequem und schleunig weiter bringen kann. Gott sei Dank, ich fange an, von andern lernen und annehmen zu können.

      Und so befinde ich mich an Leib und Seele wohler als jemals! Möchtet ihr es an meinen Produktionen sehen und meine Abwesenheit preisen. Durch das, was ich mache und denke, häng' ich mit euch zusammen, übrigens bin ich freilich sehr allein und muß meine Gespräche modifizieren. Doch das ist hier leichter als irgendwo, weil man mit jedem etwas Interessantes zu reden hat.

      Mengs sagt irgendwo vom Apoll von Belvedere, daß eine Statue, die zu gleich großem Stil mehr Wahrheit des Fleisches gesellte, das Größte wäre, was der Mensch sich denken könnte. Und durch jenen Torso eines Apolls oder Bacchus, dessen ich schon gedacht, scheint sein Wunsch, seine Prophezeiung erfüllt zu sein. Mein Auge ist nicht genug gebildet, um in einer so delikaten Materie zu entscheiden; aber ich bin selbst geneigt, diesen Rest für das Schönste zu halten, was ich je gesehn habe. Leider ist es nicht allein nur Torso, sondern auch die Epiderm ist an vielen Orten weggewaschen, er muß unter einer Traufe gestanden haben.

Sonntags, den 22. Juli,

      aß ich bei Angelika; es ist nun schon hergebracht, daß ich ihr Sonntagsgast bin. Vorher fuhren wir nach dem Palast Barberini, den trefflichen Leonard da Vinci und die Geliebte des Raffaels, von ihm selbst gemalt, zu sehen. Mit Angelika ist es gar angenehm, Gemälde zu betrachten, da ihr Auge sehr gebildet und ihre mechanische Kunstkenntnis СКАЧАТЬ