Claus Störtebecker. Georg Engel
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Название: Claus Störtebecker

Автор: Georg Engel

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ jetzt die einzig vernünftige Gabe deines Gottes, die edelste und doch nie sättigende Speise, die nicht lediglich für den Gaumen der Reichen aufgespart blieb – kurz, ich zeige deinen blöden Augen die schaumige, die hüftenprangende Aphrodite.«

      Er warf die zitternde Hand weit vor, und um seinen glatten Mund spielte der unbeherrschteste Zug von Wollust und schonungsloser Sinnengier. Katzenhaft, leise kichernd, glitt er bis an den freien Rand des Hanges. Allein ein rascher Griff des Knaben warf ihn unsanft zurück. Totenblaß, taumelnd, im Innersten seiner bereits zerrütteten Seele aufgewühlt, schwankte der große Bursche vor dem Erstaunten auf und ab. Was er von sich abwehren wollte, das wußte der Halberwachsene nicht, aber seine schon von Stürmen bedrängte Scham tobte noch einmal in Wut und Grauen gegen das Geheimnis, zu dessen Entschleierung ihm bisher der Mut gemangelt.

      »Du sollst nicht«, zeterte er besessen und grub seine Blicke angestrengt in das Laub des Waldbodens, »das ist Anna Knuth, die –«

      »Narr«, versetzte Heino Wichmann scharf und schüttelte die Faust ab. »Der Name fällt mit dem Gewand. Geh zum Spinnrocken deiner Mutter!«

      Da vergaß Claus, daß er hier trotz allem mit dem Wohltäter rang, der ihn aus Nacht in den Tag geführt, besinnungslos, Funken vor den Blicken, hob er die Faust, um dann – wie eine Bildsäule der Ratlosigkeit zu erstarren. Ein freches, höhnisches, gewalttätiges Lachen schmetterte ihm entgegen, lähmte ihm den Arm und grub ihn wie einen Pfahl in den Boden ein. Schon jetzt erkannte der Gebändigte, welche schreckhaften, unheimlich aufspringenden Kräfte in dem Leib dieses bartlosen Kindes verborgen fluteten. Stöhnend, von einem haltlosen Schluchzen geschüttelt, wodurch das Vergnügen des Kleinen aber nur noch gesteigert wurde, und dabei selbst unter den Peitschenhieben eines unsichtbaren Peinigers, so mußte der Fischersohn mit ansehen, wie der Strohblonde, auf dem Bauche liegend, alle Wonnen des Lichtes in sich einschlürfte, und Abscheu und tiefer Schmerz um die entschwirrende Reinheit entluden sich bei Claus in einem wilden Tränensturz. Unbewußt weinte er um die in Sünden lachende Menschheit.

      »Frommes Schäflein«, spottete Heino Wichmann über die Schulter zurück. »Wir wollen dir ein Glöckchen um den Hals hängen.«

      V

      Kalte, winddurchsauste Nacht senkte sich über den Landflecken Bergen. In dem elenden Orte, der zwei bis drei Wegstunden von dem Sassensitze entfernt auf der höchsten Erhebung der Insel kauerte, war Kirmes abgehalten worden. Zudem hatten sich Gaukler gezeigt, die vom Hofe des Wolgaster Herzogs zurückwanderten; hinten auf dem Ringelplatz hatten Roßtäuscher die Gelegenheit benützt, ihr Vieh zum Verkauf anzubinden, und die herbeigeeilten Fischer und Bauern versäumten nicht die seltene Gelegenheit zu Spiel und Feier. Noch jetzt, nach Einbruch der Dunkelheit, trieben grölende und trunkene Haufen ihre grobe Kurzweil, ja, durch das Heulen des Sturmes schrillten lauter und ohrenbetäubender als vorher die Posaunen, Flöten und Trommeln der Wandermusikanten und Gaukler, denn diese leichten Vögel marschierten tanzend und springend an der Spitze einer Rotte, die sich eben begeistert und freudentoll zum Höhepunkt allen Vergnügens anschickte – zum Rauchspiel. Man hatte gottlob einen verwachsenen, halbnackten Bettler dabei erwischt, wie er ein Huhn unter seinen Lumpen verschwinden lassen wollte, und jetzt jagte man den Armseligen, der nur mühsam an seiner Krücke sowie auf einem Holzbein daherhumpelte, mit Ruten — und Stockhieben nach dem »Schütting«. Als man in dieser ehemaligen Räucherkammer angelangt war, entzündeten junge Burschen, denen das Amt als Auszeichnung überwiesen sein mochte, das auf den Fliesen der Hütte aufgeschichtete Laubwerk; der Hühnerdieb wurde an einem Querbalken bis unter das Dach des Raumes emporgezogen, und nun knisterten die brennenden Zweige, dicker Qualm wälzte sich an den Wänden hinauf, und es war spaßhaft zu beobachten, wie das Opfer nieste und hustete und durch allerlei Verrenkungen gegen das Ersticken ankämpfte.

      »Kuck, Fiek«, meinte ein junger Bauer zu seiner andächtig emporstarrenden Braut, »das Luder hat ein Loch im Strumpf. Ich will ihn ein wenig an den Zehen kitzeln.«

      Düsterrot, in langen blutigen Streifen fiel der Widerschein des Feuers durch die Ritzen der Hütte auf die Straße. An der fensterlosen Kalkwand des benachbarten Häuschens lehnten zwei Gestalten in unbeteiligter Ruhe. Ihre braune Fischertracht und die derben Tuchkappen unterschieden sie keineswegs von dem sich drängenden Menschenknäuel. Nur wer sie genauer musterte, konnte trotz der Dunkelheit in ihren blassen Gesichtern lesen, wie wenig sie von der allgemeinen Lustbarkeit angesteckt waren. Spöttisch grinste der Kleinere auf das rohe Getümmel, und wenn die Schreie des Geräucherten lauter herausdrangen, dann zuckte sein schlanker Gefährte vor Unmut oder Mitleid zusammen und konnte nur durch den festen Griff des anderen davon abgehalten werden, über den abstürzenden Weg in der Nacht zu verschwinden.

      Um sie herum war Streit, Gelächter und Aufregung. Der Gott der ehrbaren deutschen Lust gönnte seinen Gläubigen neue Freude. Unter der Linde, die vor dem Rauchhaus ihre nackten Äste im Winde knarren und stöhnen ließ, zeterte der Bader des Ortes wütend auf einen Tabulettkrämer ein, weil ihn der Hausierer angeblich mit einem stumpfen Schermesser betrogen. Jauchzend stieß der breite Haufe die beiden Widersacher gegeneinander, reizte sie zu immer heftigeren Tätlichkeiten und fiel schließlich über den ortsfremden Krämer her, um ihn zur Sühnung seines Vergehens zu dem beliebten »Rasieren« zu zwingen. Auf einem Fußknorren der Linde hockend und von zahllosen Fäusten festgehalten, mußte es sich der Gerichtete gefallen lassen, bei Fackelschein von dem gereizten Bartkratzer nach strengen Regeln der Zunft eingeseift zu werden. Aber statt Schaum ward ihm Unflat ins Gesicht geschmiert, und als Messer diente eine schartige Sichel, die ihr Werk mit Kratzen und Geräusch verrichtete.

      Tosender Beifall übertönte das Ächzen des Geschundenen, und die Nacht verschlang den tanzenden Wirbel, der um die Linde herumtollte.

      »Komm«, fröstelte Claus, indem er sich gewaltsam losriß, »wir wollen heim.«

      »Schürzenband«, spottete der andere und lehnte ruhig weiter an der kahlen Wand, »behagt es dir nicht bei den Deinen?«

      Der Junge verzog die Stirn, wie immer, sobald seinem Willen ein anderer entgegengesetzt wurde, dann jedoch kratzte er aufbrausend gegen die Mauer.

      »Warum quälen sie sich?« warf er verstört hin. »Weshalb halten sie nicht Eintracht untereinander, da sie doch alle arme Schächer sind?«

      »Warum?« Ein bissiges Kichern antwortete auf diesen Notruf eines grübelnden Gewissens, und während der Kleine pfeifend die Hände in seinen Ledergürtel schob, schien er sich innerlich über die Bedrängnis seines Schülers zu ergötzen. »Bist ein zu artiges Muttersöhnchen«, gönnte er ihm endlich. »Weißt du nicht, daß die großen Herren nur so lange auf dem Buckel des Haufens da zu reiten vermögen, als er roh und unbelehrt bleibt? Wenn der abgetriebene Gaul schreiben und lesen könnte wie du, dann würde er leicht um sich schlagen und fürchterlich werden.«

      »Was würde er dann tun, Heino?« flüsterte der junge Mensch unruhig.

      Nahe unter der Linde tobten die dunklen Schatten immer zügelloser, aus dem Schütting trug man den halb ohnmächtigen Bettler gerade zur Erholung ins Freie, doch Claus Beckera durchstieß mit seinen Blicken jene taumelnde Menge und schritt geisterhaft durch sie hindurch ins Weite.

      »Was würde der befreite Haufe tun?« murmelte er von neuem.

      Mit einbohrendem Verständnis und doch beinahe belustigt hatte Heino Wichmann das Versinken seines Schutzbefohlenen beobachtet, jetzt rüttelte er ihn derb an der Schulter, denn der genießerische Sinn des Kleinen verachtete nichts so sehr als das Vergessen von Zeit und Gegenwart.

      »Was weiß ich?« stieß er spitz zwischen den Zähnen hervor. »Vielleicht würden deine wackeren Landsleute, wenn man sie aufweckte, auf den Einfall geraten, anstatt Schweine und Kühe einmal das sanfte Fell von Gräfinnen und Herzoginnen zu streicheln. СКАЧАТЬ