Die Ratten. Textausgabe mit Kommentar und Materialien. Gerhart Hauptmann
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Название: Die Ratten. Textausgabe mit Kommentar und Materialien

Автор: Gerhart Hauptmann

Издательство: Bookwire

Жанр:

Серия: Reclam XL – Text und Kontext

isbn: 9783159614892

isbn:

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      Gerhart Hauptmann

      Die Ratten

      Berliner Tragikomödie

      Herausgegeben von Peter Langemeyer

      Reclam

      2018 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

      E-Book-Konvertierung: pagina GmbH Publikationstechnologien, Herrenberger Straße 51, 72070 Tübingen

      Made in Germany 2018

      RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

      ISBN 978-3-15-961489-2

      ISBN der Buchausgabe 978-3-15-019437-9

       www.reclam.de

      [5]Die Ratten

       Berliner Tragikomödie

      [7]Dramatis personae

      HARRO HASSENREUTER, ehemaliger Theaterdirektor

      SEINE FRAU

      WALBURGA, seine Tochter

      PASTOR SPITTA

      ERICH SPITTA, Kandidat der Theologie, sein Sohn

      ALICE RÜTTERBUSCH, Schauspielerin

      NATHANAEL JETTEL, Hofschauspieler

      Schüler Hassenreuters

      KÄFERSTEIN

      DR. KEGEL

      JOHN, Maurerpolier

      FRAU JOHN

      BRUNO MECHELKE, ihr Bruder

      PAULINE PIPERKARCKA, Dienstmädchen

      FRAU SIDONIE KNOBBE

      SELMA, ihre Tochter

      QUAQUARO, Hausmeister

      FRAU KIELBACKE

      SCHUTZMANN SCHIERKE

      ZWEI SÄUGLINGE

      [9]Erster Akt

      Im Dachgeschoss einer ehemaligen Kavalleriekaserne zu Berlin. Ein fensterloses Zimmer, das sein Licht von einer brennenden Lampe erhält, die von der Mitte der Decke über einen runden Tisch herunterhängt. In die Hinterwand mündet ein gerader Gang, der den Raum mit der Entreetür verbindet, einer eisenbeschlagenen Tür mit einer primitiven Schelle, die der Eintritt Begehrende von außen durch einen Drahtzug in Bewegung setzt. Eine Tür in der Wand links schließt ein Nebengemach ab. An der Wand rechts führt eine Treppe auf den Dachboden.

      Auf diesem Dachboden, sowie in den sichtbaren Räumlichkeiten, hat der Extheaterdirektor Harro Hassenreuter seinen Theaterfundus untergebracht.

      Man kann, bei dem ungewissen Licht, im Zweifel sein, ob man sich in der Rüstkammer eines alten Schlosses, in einem Antiquitätenmagazin oder bei einem Maskenverleiher befindet.

      Zu beiden Seiten des Ganges sind auf Ständern Helme und Brustharnische Pappenheim’scher Kürassiere aufgestellt, ebenso in je einer Reihe an der rechten und linken Wand des vorderen Raums. Die Dachbodentreppe steht zwischen zwei Geharnischten. Die Decke darüber schließt die übliche Bodenklappe ab.

      Ein Stehpult ist vorn links an die Wand gerückt. Tinte, Federn, alte Geschäftsbücher und ein Kontorbock sowie einige Stühle mit hohen Lehnen um den runden Mitteltisch lassen erkennen, dass der Raum zu Bürozwecken dienen muss. Wasserflasche mit Gläsern auf dem Tisch und einige Photographien über dem Stehpult. Die Photographien zeigen Di[10]rektor Hassenreuter als Karl Moor sowie in verschiedenen anderen Rollen.

      Einer der Pappenheim’schen Kürassiere trägt einen ungeheuren Lorbeerkranz um den Nacken gehängt, mit einer Schleife, deren Enden in goldenen Lettern die Worte tragen: »Unserem genialen Direktor Hassenreuter! Die dankbaren Mitglieder.« Eine Serie mächtiger roter Schleifen trägt nur die Aufschriften: »Dem genialen Karl Moor« … »Dem unvergleichlichen, unvergesslichen Karl Moor« … usw. usw.

      Der Raum ist nach Möglichkeit zu Magazinzwecken ausgenutzt. Wo irgend angängig, hängen an Kleiderhaken deutsche, spanische und englische Kostümstücke aus verschiedenen Jahrhunderten. Man sieht schwedische Reiterstiefel, spanische Degen und deutsche Flamberge.

      Die Tür links hat die Aufschrift: Bibliothek.

      Das ganze Gemach zeigt eine malerische Unordnung. Alte Scharteken und Waffen, Pokale, Becher usw. liegen umher. Es ist eines Sonntags, Ende Mai.

      Frau John, über Mitte der Dreißig hinaus, und das blutjunge Dienstmädchen Piperkarcka sitzen am Mitteltisch. Die John, den Oberkörper weit über den Tisch gelehnt, redet lebhaft auf das Dienstmädchen ein. Die Piperkarcka, dienstmädchenhaft aufgedonnert, mit Jackett, Hut und Schirm, sitzt aufrecht. Ihr hübsches rundes Lärvchen ist verweint. Ihre Gestalt zeigt Spuren noch nicht vollendeter Mutterschaft. Sie malt mit der Schirmspitze auf der Diele.

      FRAU JOHN.

      Na ja doch! Freilich! Ick sag’t ja, Pauline.

      DIE PIPERKARCKA.

      Nu ja. Ick will nu also Schlachtensee oder Halensee. Muss jehn un muss nachsehn, ob ick ihm treffe! (Sie trocknet ihre Tränen und will sich erheben.)

      [11]FRAU JOHN

      (verhindert die Piperkarcka am Aufstehen). Pauline! Um Jottes willen, bloß det nich! Det nich, um keenen Preis von de Welt. Det macht Skandal, kost Jeld und bringt nischt. Wat wolln Se woll, und wo Se noch in den Zustande sind, dem schlechten Halunken noch weiter nachloofen!?

      DIE PIPERKARCKA.

      Denn soll meine Wirtin heute soll warten umsonst verjeblich auf mir. Ick spring im Landwehrkanal und versaufe.

      FRAU JOHN.

      Pauline! Warum denn? warum denn, Pauline? Jeben Se Obacht, heeren Se jetzt bloß um Jottes willen ’n janz ’n eenziges … bloß ma’n janzen kleenen Oochenblick uff mir, und passen Se dadruff uff, wat ick Ihn vorstelle! Det wissen Se doch, ick hab et Ihn doch bei de Normaluhr, wo ick an Alexanderplatz aus de Marchthalle bin jekomm, jleich anjesehn und hab et Ihn uff’n Kopp druff jesacht. Wat hab ick jesacht? Jelt, hab ick Ihn uff’n Kopp druff jefragt, jelt, kleenet Aas, er will nischt von wissen! – Det jeht hier vielen, det jeht hier allen, det jeht hier vielen Millionen Mächens so! Und denn hab ick jesacht … wat hab ick jesacht? komm, hab ick jesacht, ick will dir helfen.

      DIE PIPERKARCKA.

      Zu Hause darf ick mir nu janz natürlich nich blicken lassen, wie ick verändert bin. Mutter schreit doch auf’n ersten Blick! Vater haut mir Kopf an die Wand und schmeißt mir Straße. Jeld hab ick nu ebenfalls ooch weiter nu weiter keens nich! als wie Stücker zwei Joldstücke, was ick mich Jackettfutter einjenäht. Hätte mich schlechter Mensch nich Mark nich Pfennig übriggelassen.

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