Reichsgräfin Gisela. Eugenie Marlitt
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Название: Reichsgräfin Gisela

Автор: Eugenie Marlitt

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783754187548

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СКАЧАТЬ einmal ein Mauerstein oder so was geworden – er sah mich nicht an... Herr, ich sagte vorhin, daß in der Nacht die ganze wilde Jagd über den Thüringer Wald hingetobt sei – nun ja, die Gräfin kam als Frau Venus mitgeritten, und wer der Tannhäuser war, das weiß ich –, mein Herr war seitdem ein verlorener Mann, die Gräfin aber die reichste Frau weit und breit. Das Testament, das sich vorfand, fiel in die Zeit, wo die Feindschaft mit dem Hofe zu A. am schlimmsten und die Macht der Gräfin am höchsten gewesen war – es soll förmlich niet- und nagelfest gewesen sein, und kein Gerichtshof hat daran rütteln können. Was da war, gehörte der Erbschleicherin, nicht einmal die Armen im Lande kriegten einen Groschen.«

      »Verwünscht, daß der Fürst zu spät kam! – stieß der Student hervor und schlug mit der Hand auf den Tisch.

      »Zu spät?« wiederholte Sievert. »Er kam gar nicht. Gegen Morgen fingen Bauern in der Nähe von A. ein herrenloses Pferd ein, und der Baron Fleury wurde im Chausseegraben gefunden. Er war im Hinreiten nach der Stadt mit dem Pferde gestürzt und hatte sich die Gliedmaßen dergestalt verstaucht, daß er nicht von der Stelle konnte... Hei, der sah aus, wie er auf der Trage eingebracht wurde! Die Kleider zerrissen und voll Chausseeschlamm, und die Haare, die der Pomadenheld alle Tage so schön kräuseln und ringeln ließ, hingen wie bei einem Zigeuner über das Gesicht!... Nu, er hat sein Schmerzensgeld vollauf gekriegt. Es ist ihm nicht vergessen worden, daß er sein Leben in die Schanze geschlagen hat, um dem Fürstenhause die Erbschaft zuzuwenden, und drum ist er auch schließlich – Minister geworden.«

      »Und Herr von Eschebach?« fragte der Student.

      »Ja so, Herr von Eschebach!« wiederholte Sievert, indem er sich die Stirn rieb. »Um seinetwegen hab' ich ja eigentlich die Schandgeschichte erzählt. Je nun, der verging sozusagen seit der Nacht. Zuerst war er noch ziemlich lustig und guter Dinge – er ritt viel nach Greinsfeld; das hörte aber schon nach ein paar Tagen ganz auf. Er zog nach A., und just an dem Tage, wo in Greinsfeld große Hochzeit war – die junge Gräfin heiratete den Grafen Sturm –, da ging er auf und davon... Nu, der konnte freilich so mir nichts dir nichts in die weite Welt gehen, er hatte ja nicht Weib und Kind wie mein Major –«

      Der Hüttenmeister war während der letzten Mitteilung des Alten an eines der Fenster getreten und hatte die Vorhänge auseinandergeschlagen – ein berauschender Blumenduft strömte sofort in das Zimmer. Auf dem Fenstersims blühten in Töpfen Veilchen, Maiblumen und Tazetten. Der junge Mann schnitt erbarmungslos die schönsten Blüten ab und schob sie vorsichtig in eine weiße Papiertüte. Bei Sieverts letzten Worten bog er den Kopf ins Zimmer zurück: Ein rascher Seitenblick streifte die gespannten Gesichtszüge seines Bruders, wobei ihm eine helle Röte über Gesicht und Wangen flog.

      »Aber nun lassen Sie die alten Geschichten ruhen, Sievert!« rief er, die Rede des alten Soldaten rasch abschneidend, hinüber. »Sie selbst machen ja vieles gut, was andere verschuldet haben. Sie sind der getreue Eckart –«

      »Wider Willen, ganz wider meinen Willen, Hüttenmeister!« fuhr Sievert grimmig auf, indem er sich erhob und hastig seine Sachen zusammenpackte. »Hat einer seinen Herrn lieb gehabt, so bin ich's gewesen; ich wär' für ihn durchs Feuer gelaufen in der Zeit, wo er noch gut und strenge und ein rechter Kavalier war. Aber nachher wurde er der Gräfin ihr Narr, er spielte und trank mit dem Baron Fleury und dergleichen Gelichter die Nächte durch und machte alle ihre ›noblen Nichtsnutzigkeiten‹ mit; er mißhandelte seine Frau – die Frau, die ihr Herzblut tropfenweise für ihn hingegeben hätte –, und da kam mir der Grimm, ich hab' ihn gehaßt und verachtet, und es war sein und mein Glück, daß er mich fortschickte... Ja, ja, da heißt's: ›Er ist auf dem Felde der Ehre gestorben!‹ Das klingt gar gewaltig und löscht alle Sünden aus; wenn aber einer Bankrott macht und geht in der Verzweiflung sich selbst ans Leben, da ist er verurteilt für alle Zeiten. Herr, es war alles fort und verjubelt bis auf die elende Baracke, das Waldhaus; die Frau Gräfin wollte mit dem Bettler auch nichts mehr zu schaffen haben, und da ging der letzte Zweiflingen nach Schleswig-Holstein, stürzte sich in den dichtesten Kugelregen und ließ sich niederschießen. Aber das ist beileibe kein Selbstmord – sollte mal einer sich unterstehen, das Ding so zu nennen! Die Kavalier-Ehre ist gerettet, und nun sieh zu, Witwe, wie du zurechtkommst! Seine adligen Hände konnten wohl Geld ausgeben, aber rechtschaffen arbeiten und das gutmachen, was sie gesündigt hatten, das durften sie nicht – dazu waren sie zu vornehm!«

      Er warf den Mantelzipfel über die Schulter und griff nach der Laterne. »So, nun hab' ich einmal meinem Herzen Luft gemacht!« sagte er nach einem tiefen Atemzug. »Hätten Sie den Namen ›Eschebach‹ nicht genannt, wär's nicht geschehen... Und nun gehe ich heim und schleppe mein Joch weiter!... Aber noch eins, Hüttenmeister: Nennen Sie mich nie wieder den getreuen Eckart! Zu dem Posten gehört ein Herz voll Liebe und Geduld, und das hab' ich nicht, absolut nicht... Der Major hätte mir zehn solcher Briefe hinterlassen können, wie sie nach der Schlacht bei Idstedt einen bei ihm gefunden haben, ich wär' deshalb noch lange nicht zu seiner Frau und Tochter gegangen, denn die Liebe war ausgelöscht; aber es war einmal eine Zeit, wo mein Vater sein Bauerngütchen durch einen nichtsnutzigen Prozeß verlieren sollte; da nahm der Major den besten Advokaten im Lande an und bezahlte ihn, und mein Alter blieb auf seinem rechtmäßig ererbten Eigentum. An die Zeit dachte ich, packte meine sieben Sachen zusammen und wurde wohlbestallter Haushofmeister, das heißt Küchenmagd, Holzlieferant, Scheuerfrau und so weiter bei Frau von Zweiflingen.«

      Der Ausdruck beißenden Hohnes in der Stimme des alten Soldaten wurde noch verstärkt durch die ironische Würde in Haltung und Gebärden, die er bei Aufzählung seiner Funktionen einnahm. Auf den Hüttenmeister aber wirkte diese Art und Weise peinlich und verletzend. Er kniff die Lippen unter dem Vollbart fest aufeinander, seine Brauen falteten sich noch düsterer als zuvor, und stillschweigend legte er die Papiertüte, die er bis dahin in der Hand gehalten hatte, auf einen Seitentisch. Sievert trat jedoch mit zwei raschen Schritten zu ihm.

      »Geben Sie nur her!« sagte er, indem er die Tüte ergriff und auf das Brot in seinem Korbe legte. »Den Gefallen tu' ich Ihnen schon... Ändern kann ich doch nichts mehr, und die armen Dinger da sollen nicht umsonst abgeschnitten sein... Will's schon ausrichten, weshalb Sie heute nicht zur ›Teegesellschaft‹ kommen können. Und nun gute Nacht und gute Besserung für den Herrn Studenten!«

      Damit verließ er das Zimmer und trat wieder hinaus in den stürmischen Abend.

      2

      Er schlug denselben Weg ein wie die Pfarrerin – nach dem Dorfe Neuenfeld, das ungefähr einen Büchsenschuß weit vom Hüttenwerk lag. Aber der Weg war unterdessen ein sehr mühseliger geworden; der Sturm hatte fußhohe Schneewälle zusammengefegt und quer über die Landstraße geworfen, und der Flockenwirbel erfüllte die Luft so dicht und undurchdringlich, daß auch nicht eine Spur der Ebereschenbäume zu beiden Seiten der Straße sichtbar war.

      Der alte Soldat stampfte mit Todesverachtung im förmlichen Sturmschritt vorwärts; ihm wurde wohl inmitten des Tumultes. Er schob die wohlbefestigte Mütze nach dem Hinterkopf zurück und ließ sich von dem kalten Schnee die Stirn bestäuben, hinter der die plötzlich wachgerüttelten alten, bösen Erinnerungen brannten. Das Knirschen und Krachen unter seinen Füßen erfüllte ihn mit einer fast kindischen Befriedigung; er trat noch einmal so fest auf und dachte an seinen Lebensweg, den er mit Mißbehagen und tiefem Widerwillen ging, da durfte er ja nie auftreten, wie er wollte, und wurde unter der Einlösung alter Verpflichtungen grau, verbittert und menschenfeindlich.

      Neuenfeld, eines jener armseligen Gebirgsdörfer, wie der Thüringer Wald deren genug auf seinem Rücken trägt, lag in lautloser Stille vor ihm; es sah aus, als habe es sich geduldig und willenlos ergeben in die kleine Talsenkung hingestreckt, um sich nun bis an seine Schindeldächer einschneien und einsargen zu lassen. Am Tage erschienen die elenden, unregelmäßig durcheinander gestreuten Häuser mit den verwahrlosten Gärtchen an ihrer Seite nichts weniger als einladend; in diesem Augenblick jedoch, wo Schnee und СКАЧАТЬ