Auf fremden Pfaden. Karl May
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Название: Auf fremden Pfaden

Автор: Karl May

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783746750170

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      »Nur bei der Herde.« antwortete Stalo.

      »Nicht weiter?«

      »Nein. Willst du nicht die Hütte auf eine kurze Zeit verlassen?«

      »Warum?« fragte ich.

      »Ich will mit der Kunnus reden.«

      Er wußte, daß Vater Pent mich zu seinen wirklichen Freunden zählte, und darum sagte er mir so aufrichtig, was er zu thun beabsichtigte. Sehr viele Lappen bangen noch mehr oder weniger an ihren alten heidnischen Gebräuchen, zu denen auch das Fragen der Zaubertrommel gehört. Ich hätte dieser Manipulation sehr gern mit beigewohnt, mußte mich aber natürlich in den Willen des Hausherrn fügen. Auch die Frauen durften nicht zugegen sein; sie verließen die Hütte und begaben sich zur Herde. Sie hätten gerne ein Gespräch mit mir angeknüpft, aber ich zog es vor, meine Schneeschuhe anzulegen, um die Umgebung des Lagers genau abzusuchen, denn es verstand sich von selbst, daß der Knecht hier irgendwo das Geld versteckt hatte.

      Spuren gab es genug, sowohl von Stiefeln als auch von Schneeschuhen, und ich mußte sehr aufmerksam sein. Ich beschrieb zunächst einen engeren und dann einen weiteren Kreis um die Hütte und die Herde, wobei die Frauen mich kopfschüttelnd beobachteten – ich bemerkte nichts. Erst bei einem dritten, noch weiteren Kreise stieß ich auf eine Einzelspur, an deren einer Seite ich das bewußte Zeichen erblickte. Sofort folgte ich ihr. Sie führte nach einer schmalen, aus dem Walde tretenden Rinne, in welcher ein eisüberdecktes Wasser floß. Nach noch nicht fünf Minuten blieb ich überrascht halten, denn ich hatte das größte Geheimnis eines Lappen entdeckt, nämlich sein Tiorfwigardi, eine kleine, aus Rentierhörnern errichtete Umzäunung, die einen heidnischen Opferplatz umschloß. Den Mittelpunkt desselben bildete ein sogenannter Sait, ein im Wasser gefundener Stein von sonderbarer Gestalt. Obwohl diese Steine jetzt wohl nicht mehr wirklich verehrt werden, ist doch noch immer ein jeder Tiorfwigardi ein heiliger Ort, den eigentlich nur der Hausherr betreten darf. Aber gerade hierher führten die Spuren des Knechts. Ich ahnte, daß ich sein Versteck vor mir hatte. Wer konnte wohl vermuten, daß ein Lappe gestohlenes Gut an einem so heiligen Ort verbergen werde!

      Die Fährte ging bis zur zweiten Ecke des Hörnerzaunes, wo sie aufhörte, um später wieder umzuwenden. Ich brachte meine Schneeschuhe genau in dieselbe Lage und befand mich also nun gerade in der Stellung, die der Knecht eingenommen hatte, als er das Geld versteckte. Nun betrachtete ich zunächst den Schnee, soweit er im Bereiche meiner Hände lag; er war unversehrt – doch nein, da unten lagen einige Schneesternchen, als seien sie nicht herabgeweht, sondern durch eine mechanische Berührung herabgestreift worden. Ich bückte mich und schaute durch die Geweihe – richtig, da hing das Gesuchte, aber so gut versteckt zwischen den dicht ineinander stoßenden Geweihzacken, daß es durch den bloßen Zufall gar nicht entdeckt werden konnte. Es war ein großer Tabaksbeutel, und als ich ihn berührte, fühlte ich deutlich die zwei Geldbeutel, welche er enthielt.

      Ich ließ ihn hängen und kehrte schleunigst zurück. Als ich die beiden Frauen erreichte, fragte ich sie nach dem Knechte und erfuhr, daß er sich noch immer in der Hütte befinde. Doch brauchten wir nicht lange mehr zu warten, bis wir wieder eintreten durften.

      Der Knecht Pawek blickte mir höhnisch entgegen.

      »Härra, ich habe ihm meinen Saiwa tjalem gegeben, und es hat ihn beschützt.« erklärte mir Vater Pent. »Dieses Saiwa tjalem ist gut!«

      »So!« sagte ich ernsthaft. – »Wo hat er es denn?«

      »Hier am Halse hängt es ihm; aber er wird es mir wiedergeben, nachdem es ihn beschützt hat.«

      »Und was hat die Zaubertrommel gesagt?« fragte ich Nachbar Stalo.

      »Er ist unschuldig.« antwortete er. »Der Dieb ist aus dem Osten gekommen, sagt die Trommel; er ist ein Kainolatspiätnak, der sogleich mit dem Silber entflohen ist.«

      »Ist dies gewiß?«

      »Die Trommel irrt sich nie. Sie ist sicherer als das Wort eines Storfar, der aus der Bibel redet!«

      »Lästere nicht, Attje Stalo!« warnte ich ihn. »Die Rede eurer Trommel ist nicht so viel wert wie das Wort eines gewöhnlichen Schneeschuhes!«

      »Du scherzest, Härra, denn ein Ski kann niemals reden.«

      »Er redet sicherer und wahrer als deine Trommel, und er beschützt die beiden Wuossah des Vater Pent viel besser als sein schlechter Saiwa tjalem thun konnte!«

      »Mein Saiwa tjalem ist gut.« behauptete Pent. »Laß doch einmal einen Schneeschuh reden, Härra!«

      »Gut, du sollst ihn reden hören und dann dein Papier in das Feuer werfen.«

      Ich ging hinaus und holte den betreffenden Ski herein.

      »Ist dieser Ski dein Eigentum?« fragte ich den Knecht nochmals.

      »Ja.« lachte er höhnisch.

      »Seht ihr diese Narbe an der Sohle? Sie ist der Mund, durch den er redet. Sie hat sich in den Schnee abgedrückt dort, wo Pawek den Vater Pent bestahl, und sie hat sich abgedrückt auf dem ganzen Wege bis hierher. Sie hat mir gesagt, daß kein anderer der Dieb ist, als er, und sie sagt mir auch, an welchem Orte er das Silber versteckt hat.«

      »Laß dir doch einmal den Ort von ihr sagen!« grinste der Knecht.

      »Das wird sie sofort thun,« antwortete ich. »Zunächst sagt sie mir, daß du die beiden Wuossah mit dem Silber in deinen Tabaksbeutel gesteckt hast. Zeige mir den Beutel!«

      Jetzt wurde er plötzlich außerordentlich verlegen.

      »Ich habe ihn verloren.« antwortete er zögernd.

      »Das ist eine Lüge, denn dieser Schneeschuh sagt mir, daß du ihn hier in der Nähe versteckt hast. Folgt mir! In der Zeit, in welcher man drei ›Attje mijen, jukko leh almesne‹ betet, sollt ihr an dem Orte sein, wo er seinen Tabaksbeutel mit dem Silber versteckt hat!«

      »Härra, ist dies wahr?« rief Pent.

      »Ja!«

      »Wirklich? Dann gelobe ich dir, das Saiwa tjalem in das Feuer zu werfen und niemals wieder auf die Zaubertrommel zu hören!«

      »Ich nehme dich beim Worte! Kommt, aber paßt auf, daß uns der Bursche nicht entflieht!«

      Ich schritt voran, und die andern folgten. Als ich die Stelle erreichte, wo sich die Spur des Knechtes deutlich erkennen ließ, deutete ich in den Schnee.

      »Bückt euch nieder und seht, wie deutlich dieser Schuh redet. Seine Sprache ist sicherer als diejenige der Zaubertrommel; aber ihr verschließt eure Augen und Ohren, um nicht zu sehen und nicht zu hören!«

      Ich ging voran; Pent und Stalo folgten, den Knecht zwischen sich, und die beiden Frauen bildeten den Beschluß. So erreichten wir den Hörnerzaun, wo Stalo in einige Aufregung geriet.

      »Hierher führst du uns, Härra?« rief er. »Weißt du nicht, daß dieser Ort verboten ist?«

      »Ein ehrlicher Mann soll diesen Ort nicht betreten, aber ein Dieb darf den Raub hier verbergen? O, Nachbar Stalo, du bist wirklich kein guter Christ, du bist ein arger Heide! Siehe, hier hört die Spur des Schuhes auf, und hier – hier hängt ein Beutel. Siehe, ob es derjenige deines Knechtes ist!«

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