Ein Jahr ohne dich. Caroline Régnard-Mayer
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Название: Ein Jahr ohne dich

Автор: Caroline Régnard-Mayer

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783742798015

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СКАЧАТЬ Als Fels, als Anker bist du für mich da,

       und damit noch immer wunderbar!

       (Anna R. Winter)

      Der Ort Lahnfeld gibt es nicht, auch Herr Schweitzer nicht. Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass alle Namen frei erfunden sind. Jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen oder Orte sind rein zufällig.

      Prolog

      Eine Staubschicht überzog mich und ich kauerte am Boden meines Zimmers auf dem Campus. War das eben wirklich geschehen? Totenstille um mich herum. Überall lagen meine Sachen verstreut – die halb gepackten Koffer zwischen Kleidungsstücken und zerbrochenem Geschirr, ebenso die Bücher und Bilderrahmen. Das große Regal neben der Zimmertür war sogar umgestürzt. Gestern wurde die Bevölkerung über Fernsehen, Radio und wir Studenten zusätzlich während der Vorlesungen gewarnt. Eben noch erwartete man ein Erdbeben der Stärke 5,0 bis 6,0 in der Stadt und in weiten Teilen des Bostoner Umlandes, nun war es geschehen. Wenige Minuten verstrichen. Ich wagte kaum zu atmen oder mich zu bewegen. Wo hielt sich Paul während dieser schrecklichen Minuten auf? Von draußen hörte man Sirenen von Krankenwagen. Menschen schienen panikartig über den Campus zu laufen, ihre Schreie drangen bis zu mir ins Zimmer. Auf unserem Gang war es jedoch beängstigend still. Auch unser Studentenwohnheim bebte und zitterte fürchterlich während des Erdbebens. Meine Fensterscheiben hatten Sprünge, waren aber zum Glück nicht zerborsten, weshalb ich unverletzt blieb. Die Zimmerdecke wies Risse auf, und Putz löste sich. Ich war von Kopf bis Fuß mit grauem Staub bedeckt, dieser rieselte noch immer auf mich herab. Nach dem ersten Schock und der Starre breitete sich nun Angst in meinem Innern aus. Ich machte mir große Sorgen um Paul. Er befand sich auf dem Weg zum Bahnhof, um unsere Tickets für die Heimreise zu kaufen. Danach wollte er zu dem Reisebüro, um die Flugzeiten für den Flug nach Frankfurt bestätigen zu lassen. Hatte er noch rechtzeitig eines der Gebäude verlassen können? Vorsichtig robbte ich zum Schreibtisch und suchte zwischen den staubigen Studiensachen nach meinem Handy. Endlich! Hier war es. Ich wählte seine Nummer, aber die Leitung war tot. Oh mein Gott, das darf doch nicht wahr sein! Panik erfasste mich. Ich rief wie von Sinnen nach Hilfe. Da erinnerte ich mich an meine Freundin Mara und all die anderen auf meinem Stockwerk.

      »Mara, wo bist du? Bist du verletzt?«, schrie ich verzweifelt.

      »In meinem Zimmer, Conny! Nein, nur total staubig und hier herrscht das absolute Chaos. Ich versuche gerade, meine Zimmertür zu öffnen, aber der Schrank liegt davor.«

      »Warte, ich komme sofort zu dir!« Vorsichtig, denn die Angst saß mir immer noch im Nacken, öffnete ich meine Tür. Auf unserem Korridor war an vielen Stellen der Putz von der Decke gebrochen und da, am Ende des letzten Raumes, klaffte ein riesiges Loch. Oh mein Gott, hoffentlich war Nick während dem Beben nicht in seinem Zimmer! Er war ein liebgewonnener Kommilitone. Ich begann zu zittern, und Tränen liefen mir über das Gesicht, währenddessen ich zu Maras Schlafraum stürzte.

      »Mara, ich stehe vor deiner Tür und stemme mich dagegen, du ziehst dann am Schrank. Okay?«, rief ich mit angsterfüllter Stimme.

      »Ja, ist gut Conny. Ich habe solche Angst!«

      »Dann zieh, damit wir so schnell wie möglich hier rauskommen!«

      Vereint befreiten wir sie in wenigen Minuten und fielen uns weinend aber glücklich, um den Hals.

      »Schnell, Mara, nix wie weg! Am Ende des Korridors klafft ein riesiges Loch. Von der Decke fällt immer wieder Putz. Gibt es nicht auch Nachbeben?«

      Panikartig eilten wir zum Treppenhaus, rannten die Treppen hinunter ins Freie und direkt in die Arme des Katastrophenschutzteams.

      »Bitte begeben sie sich sofort zum Sammelplatz an der Mensa. Wir erwarten ein Nachbeben! Haben sie noch jemanden im Innern gesehen?«

      Wir schüttelten nur unsere Köpfe, und schon waren die Männer im Gebäude verschwunden.

      Auf dem Weg zur Mensa fragte ich: »Funktioniert dein Handy, Mara? Meines ist tot.«

      »Ja, hier. Ich habe vorhin Jens vom Zimmer aus angerufen, bei ihm ist alles okay. Er war während des Bebens in der U-Bahn und rettete sich ins Freie.«

      Ungeduldig wählte ich Pauls Nummer. Immer noch tot. Ich fing bitterlich an zu weinen.

      °Conny°

      Es war an einem Donnerstag im August, der Himmel leuchtete azurblau, ab und zu zog eine kleine Wolke vorüber. Ein strahlender Sommertag. Es war der Tag, an dem ich mich erwachsen fühlte, gleichwohl ich im Juni erst neunzehn Jahre alt geworden war. Ich saß mutterseelenallein in einem Flieger in die USA und flog in ein neues Leben.

      »Conny, pass auf dich auf, mein Mädchen. Hast du alles? Pass? Geld?«

      »Mama, nerv mich doch nicht. Klar, habe ich alles. Ich bin doch bald wieder zurück.«

      Ich rollte mit den Augen und hob meinen schweren Koffer auf das Förderband am Eincheckschalter der Lufthansa Linie.

      »Wenn es möglich wäre, möchte ich bitte einen Fensterplatz«, sagte ich zur Stewardess, die gerade eine Banderole um mein Gepäck klebte.

      »A 1 ist sogar noch frei.« Die Frau schaute mich fragend an.

      »Den nehme ich. Danke.«

      Nachdem ich meine Papiere und die Boarding-Karte in meiner Handtasche verstaut hatte, drehte ich mich zu meiner Mutter um und zog sie vom Schalter weg. Ihr trauriges Gesicht sprach Bände.

      »Bald ist relativ, Kind. Ein Jahr ohne dich – noch kann ich es mir überhaupt nicht vorstellen.«

      Ihre Augen glänzten verdächtig. Oma war etwas gefasster und machte ihre Späße, wie es ihre Art war.

      »Kommt, Mama und Omi, lasst uns noch einen Kaffee trinken, damit du«, Conny kniff ihrer Mutter in die Wange, »mir nicht auf dem Heimweg einschläfst.«

      Arm in Arm schlenderten wir ins nächstbeste Café. Am Fenster, mit Blick zum Rollfeld, ließen wir uns für das letzte Gespräch vor meinem Abflug nieder.

      ***

      Nach einem tränenreichen Abschied von meiner Familie befand ich mich nun in der Economyklasse eines Fliegers der Lufthansa mit Ziel London, einem Zwischenstopp auf meiner Reise nach New York. Ich hatte gemischte Gefühle, aber wollte mir meinen großen Traum, in Amerika zwei Auslandssemester zu studieren, erfüllen. Trotzdem nagte das schlechte Gewissen an mir, hatte ich doch meine Mutter und meinen Bruder in Deutschland zurückgelassen.

      Meine Eltern waren schon lange geschieden und mein Vater verstarb vor zwei Jahren. Die endlosen Streitigkeiten bei Gericht und mit dem Ergänzungspfleger, einem unsympathischen, sich selbst gerne reden hörenden Mann, der mein Vermögen verwaltete, hatten mich zermürbt. Dann gab es die Großeltern väterlicherseits, die uns ständig unser Erbe streitig machten. Sie nutzten jede noch so kleine Gelegenheit, um an das Geld meines Vaters zu kommen, ob gerichtlich oder per Anwalt. Mittlerweile war mir diese ganze Erbschaft eh egal. Sollten sie doch alles bekommen. Hauptsache, ich hatte wieder Frieden und es würde Ruhe in das Leben meiner kleinen Familie einkehren.

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