Название: Edgar Allan Poe - Gesammelte Werke
Автор: Edgar Allan Poe
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783746750125
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Es ist klar, daß nun der Reifen in die Gondel herunterfallen mußte, während das ganze Gewicht der Gondel selbst mit all ihrem Inhalt nur durch die Kraft der Knöpfe gehalten wurde. Das scheint auf den ersten Blick eine sehr unzulängliche Befestigung, war es aber keineswegs, denn die Knöpfe waren nicht nur an sich sehr kräftig, sondern saßen auch so dicht beisammen, daß jeder einzelne Knopf nur einen ganz geringen Teil des Gesamtgewichts tragen sollte. Ja, wäre sogar die Gondel mit Inhalt dreimal so schwer gewesen, so hätte mich das nicht beunruhigt.
Ich hob nun den Reifen innerhalb der Kautschukhülle wieder empor und stützte ihn ungefähr in der Höhe seines früheren Platzes durch drei leichte, für diesen Zweck zugerichtete Stangen. Das geschah selbstredend, um die Hülle oben ausgebreitet und den unteren Teil des Netzwerkes in seiner ursprünglichen Lage zu halten. Alles, was jetzt noch zu tun blieb, war, die Öffnung der Hülle zu schließen, und das geschah einfach durch Zusammenraffen der Falten und festes Zusammendrehen nach innen mit Hilfe eines feststehenden Drehkreuzes.
In den Stoff der so rings um die Gondel befestigten Bedeckung waren drei kreisrunde dicke Glasscheiben eingesetzt, durch die ich mühelos in jeder horizontalen Richtung ins Weite sehen konnte. Unten am Boden befand sich in dem Bezug ein viertes ebensolches Fenster, das mit einer kleinen Öffnung im Boden der Gondel selbst korrespondierte. Das gestattete mir, senkrecht nach abwärts zu blicken; da es mir aber unmöglich gewesen war, auch oben eine ähnliche Vorrichtung anzubringen – wegen der besonderen Art jenes Verschlusses und der Falten im Stoff –, so konnte ich die Dinge in meinem Zenith nicht wahrnehmen. Das blieb aber natürlich ohne Bedeutung; denn hätte ich auch oben ein Fenster anbringen können, so hätte mir doch der Ballon selbst den Ausblick nach oben verdeckt.
Ungefähr einen Fuß unter einem der Seitenfenster befand sich eine runde Öffnung von drei Zoll Durchmesser und mit einem Messingreifen eingefaßt, dessen Innenseite den Windungen einer Schraube angepaßt war. In diesen Ring wurde die große Röhre des Kondensators eingeschraubt, der Kasten des Apparates befand sich selbstredend innerhalb der Kautschukkammer. Durch diese Röhre wurde eine gewisse Menge der dünnen Luft draußen von einem Vakuum in den Kasten des Apparates hereingezogen und in verdichtetem Zustand zum Entweichen gebracht, um sich mit der im Raume vorhandenen dünnen Luft zu mischen. Wenn dieser Vorgang mehrmals wiederholt wurde, so füllte er schließlich das Zimmer mit einer für alle Atmungsansprüche geeigneten Luft. In einem so begrenzten Raum mußte sie aber binnen kurzem verderben und durch das häufige Ein- und Ausatmen unbrauchbar werden. Sie wurde also durch ein kleines Ventil am Boden der Gondel abgelassen, da die dicke Luft ohne weiteres in die leichtere draußen hinabsank. Zur Vermeidung der Unzuträglichkeit, wenn ich etwa für einen Augenblick die ganze Kammer zu einem Vakuum machen würde, durfte diese Erneuerung nicht plötzlich, sondern nur allmählich vorgenommen werden, das Ventil wurde nur einige Sekunden geöffnet und wieder geschlossen, bis ein paar Pumpenzüge des Kondensators die Menge der entwichenen Luft wieder ersetzten.
Um mein Experiment mit der Katze und ihren Jungen fortzusetzen, hatte ich die Tiere in ein Körbchen gesetzt, das ich an einen Knopf unterhalb der Gondel ins Freie hängte, dicht neben dem Ventil, durch das ich ihnen jederzeit Nahrung reichen konnte. Es war eine etwas gefährliche Sache, das Körbchen hinauszuhängen; ich tat es vor dem Schließen der Hülle, mit einer der vorerwähnten Stangen, an welcher ein Haken befestigt war. Sobald sich die Kammer mit verdichteter Luft füllte, wurden der Reifen und die Stützen überflüssig, da die Ausdehnung der eingeschlossenen Luft den Kautschuk gewaltig spannte.
Als ich alle diese Vorbereitungen getroffen und den Raum, wie beschrieben, gefüllt hatte, fehlten nur noch zehn Minuten an neun Uhr. Während der ganzen letzten Zeit meiner Beschäftigung litt ich infolge Atmungsbeschwerden unter dem schrecklichsten Unbehagen, und bitterlich bereute ich die Nachlässigkeit oder vielmehr Tollkühnheit, deren ich mich dadurch schuldig gemacht hatte, daß ich eine so wichtige Sache bis zum letzten Augenblick verschob. Da ich aber schließlich mit meinem Werk zu Ende gekommen war, erntete ich auch alsbald die Früchte meiner Erfindung. Noch einmal kam ich dahin, frei und leicht zu atmen – und wie hätte es auch nicht so sein sollen? Ich war ferner angenehm überrascht, mich von den heftigen Schmerzen, die mich bis jetzt geplagt hatten, fast ganz befreit zu fühlen. Ein leises Kopfweh, begleitet von einem Gefühl von Druck und Schwellung in den Hand- und Fußgelenken und im Hals, blieb eigentlich alles, worüber ich noch klagen mußte. Es zeigte sich also, daß ein großer Teil der Unannehmlichkeiten, die das Nachlassen des atmosphärischen Drucks begleitet hatten, tatsächlich verschwunden war, wie ich es erwarten durfte, und daß die Schmerzen der letzten zwei Stunden fast ganz auf Rechnung der erschwerten Atmung zu setzen waren.
Zwanzig Minuten vor neun – also kurz bevor ich die Kautschukkammer endgültig schloß – erreichte das Quecksilber im Barometer, das, wie früher erwähnt, eine erweiterte Konstruktion besaß, seine Grenze oder sank. Es zeigte nun eine Höhe von 132 000 Fuß oder fünfundzwanzig Meilen, und somit konnte ich jetzt die Erde in einer Ausdehnung von mindestens dem dreihundertundzwanzigsten Teil ihrer Gesamtoberfläche überblicken. Um neun Uhr war im Osten wiederum kein Land mehr zu sehen, vorher hatte ich mich aber noch orientieren können, daß der Ballon eilig nach Nordnordwest trieb. Der Ozean unter mir besaß noch immer seine scheinbare Konkavität, obwohl die Aussicht oft durch hin- und herziehende Wolkenmassen unterbrochen wurde.
Um halb zehn warf ich versuchsweise eine Handvoll Federn durch das Ventil ins Freie. Sie schwebten nicht fort, wie ich erwartet hatte, sondern fielen wie eine Kugel zusammengeballt und mit größter Schnelligkeit senkrecht hinunter, so daß sie in wenigen Sekunden außer Sicht kamen. Zuerst wußte ich nicht, was von dieser sonderbaren Erscheinung zu halten sei, da ich nicht gut annehmen konnte, daß meine Geschwindigkeit der Aufwärtsbewegung so plötzlich und außerordentlich zugenommen haben sollte. Bald aber fiel mir ein, daß die Atmosphäre jetzt viel zu leicht war, um auch nur die Federn zu tragen, daß diese tatsächlich mit äußerster Schnelligkeit fielen und es nicht nur so schien; mich hatte nur die doppelte Geschwindigkeit ihres Fallens und meines Steigens verblüfft.
Um zehn Uhr fand ich, daß es eigentlich momentan nichts gab, meine Aufmerksamkeit zu fesseln. Alles ging nach Wunsch, und ich war überzeugt, daß der Ballon mit stets zunehmender Geschwindigkeit nach oben stieg, wenn ich auch kein Mittel mehr besaß, den Fortschritt festzustellen. Ich fühlte weder Schmerz noch Unbehagen und war zuversichtlicher als je, seitdem ich Rotterdam verlassen hatte; bald prüfte ich den Stand meiner verschiedenen Apparate, bald erneuerte ich die Luft in der Kammer. Letztere Maßnahme beschloß ich in regelmäßigen Zwischenräumen von vierzig Minuten vorzunehmen, mehr um mir mein Wohlbefinden zu erhalten, als weil etwa eine so häufige Erneuerung unbedingt nötig gewesen wäre.
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