Название: Kompetenzentwicklung im Netz
Автор: Werner Sauter
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783737518895
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Wirklichkeitsmodell und Kulturprogramm bedingen einander: Differenziert wird nur, was verhaltens- und handlungsmäßig wichtig ist, gehandelt werden kann nur angesichts bewerteter, kulturell eingebetteter Differenzen. Wirklichkeitsmodell und Kulturprogramm entwickeln sich aufeinander bezogen. Sie bilden einen Wirkungszusammenhang (W&K).
Während zahlreiche Wirklichkeitsmodelle vielen Menschen gemeinsam und oft unstrittig sind, unterscheiden sich die Kulturprogramme oft radikal. Sie sind die kulturelle Identität stiftenden Bestandteile des Wirkungszusammenhangs W&K.
Abb. 4 Wirkungszusammenhang W & K
Nicht was Unternehmen und was ihre wesentlichsten Aktivitäten sind, ist beispielsweise umstritten, sondern was ein gutes und erfolgreiches Unternehmen ausmacht und wie dieses optimal am Markt agieren, also welcher Unternehmenskultur es folgen sollte.
Was Lernen ist und welche Lernorte, Lernprozesse, Lernresultate es gibt, lässt sich heute ziemlich widerspruchslos umreißen; welche Lernorte, Lernprozesse und Lernresultate jedoch die wichtigsten, zukunftssichernden sind, wie wir sie also bewerten und dementsprechend eine künftige Lernkultur gestalten müssen, ist weitgehend offen und wird sehr kontrovers diskutiert.
Wirklichkeitsmodell und Kulturprogramm sind durch das geistige, physische und kommunikative Handeln des Menschen unauflöslich miteinander verwoben. Zwischen dem Wirklichkeitsmodell und dem Kulturprogramm vermittelt ein ständiger, die Unterscheidungsseiten entwertender Erkenntnisprozess und ein die Differenzseiten hervorhebender Wertungsprozess. Die Resultate des ersteren sind Termini, Aussagen, Operatoren und daraus zusammengesetzte Gebilde wie Beschreibungen, Theorien, Metatheorien, also Wissen im engeren Sinne. Die Resultate des letzteren sind Regeln, Werte und Normen, die in das Kulturprogramm eingehen und die sich in verschiedensten kommunikativen Formen wie Bräuchen, Ritualen, und materialisierten Formen wie Kunstwerken, Architekturen, Moden usw. materialisieren. In der Tat: „Kultur ist ein vom Standpunkt des Menschen aus mit Sinn und Bedeutung bedachter Ausschnitt aus der sinnlosen Unendlichkeit des Weltgeschehens… Der Begriff der Kultur ist ein Wertbegriff...”. [3]
Hier sollen allerdings nicht die vielfältigen Formen von Wirklichkeitsmodellen, Kulturprogrammen, Erkenntnis‑ und Wertungsprozessen untersucht werden. Stattdessen wollen wir uns der entscheidenden, für die Kompetenzaneignung zentralen Frage zuwenden: Wie werden Regeln, Werte und Normen für uns zu etwas Eigenem, Handlungsleitenden, zu eigenen Emotionen und Motivationen? Es handelt sich um nicht mehr und nicht weniger als die Drehscheibe jeder Kompetenzentwicklung, auch und vor allem der Kompetenzentwicklung im Netz.
[1] Erpenbeck, J. (1980)
[2] Jokisch, R. (1996)
[3] Weber, M. (1989), S.78
2.2.3 Wertvermittlung
Werte lassen sich nicht instruktional vermitteln. Lydia Boshowitsch unterscheidet, anknüpfend an Bluma Zeigarnik "bloß bekannte", gelernte und "unmittelbar wirksame" interiorisierte Werte. [1] Auch der Mörder weiß, dass man nicht töten darf. Jedem Kind bringen wir die zehn Gebote, oder zumindest einige davon, in der einen oder anderen Form bei. Oft kann es diese auswendig hersagen. Deshalb hat es sich diese noch lange nicht angeeignet, zu Emotionen und Motiven seines eigenen Handelns gemacht.
Es ist, wie mit den eigenen Erfahrungen. Dabei handelt es sich ebenfalls um Wissen im weiteren, emotions- und motivationsgestützten Sinne, das durch die Menschen in ihrem eigenen geistigen oder gegenständlichen Handeln selbst gewonnen wurde und unmittelbar auf einzelne Erlebnisse dieser Menschen zurückgeht. In diesem selbst Gewonnen- und unmittelbar Erlebtsein liegt ganz offenbar die bildungsrelevante Pointe der Erfahrung. Natürlich lassen sich Erfahrungen vermitteln - aber nur in Form von Wissen im engeren Sinne, von Kenntnissen, nicht als Erfahrungen desjenigen, dem sie vermittelt werden sollen.
Erfahrung kann man nur selbst machen. Sie können nur selbst handelnd, selbstorganisiert gewonnen werden. Jedes selbst und unmittelbar gewonnene Wissen eines Menschen ist durch die in Lebens- und Erlebensprozessen vor sich gehende Ausbildung von Emotionen, Motivationen, Willensentscheidungen, Werten und individuellen Kompetenzen flankiert. Jeder von Gruppen, Unternehmen, Organisationen usw. erzielte Wissensgewinn ist von einer in Lebens- und Erlebensprozessen gegründeten Ausbildung von Werten, Normen, Regeln und überindividuellen Kompetenzen, beispielsweise Team-, Unternehmens- oder Organisationskompetenzen, begleitet. Erfahrungen sind stets Komplexe von Wissen und Werten, zu eigenem Gedächtnisbesitz und zu eigenen Emotionen und Motivationen „verinnerlicht“. „Erfahrung nennt die Subjektivität des Subjekts" [2] heißt es kurz und bündig bei Heidegger.
Auch Werte werden durch die Menschen in ihrem eigenen geistigen oder gegenständlichen Handeln selbst angeeignet und gehen unmittelbar in die einzelnen Erlebnisse dieser Menschen ein. Auch bei ihnen lässt sich nur das den Werten zugrunde liegende Wissen im engeren Sinne, lassen sich nur die begründenden Kenntnisse vermitteln, aber nicht als Werte für denjenigen, dem sie vermittelt werden sollen. Werte können nur selbst handelnd, selbstorganisiert angeeignet werden. Dieser Aneignungsprozess wird psychologisch als Interiorisation (oft auch Internalisation) bezeichnet.
Es gibt drei Bereiche, in denen man aus unterschiedlichen Gründen Interiorisationsprozesse von Werten untersucht:
1. Die Emotions- und Motivationspsychologie analysiert generell, wie Emotionen und Motivationen in Wertungsprozessen entstehen, gedächtnismäßig verankert und im Handeln wirksam werden.
2. Die Psychotherapieforschung behandelt verschiedenen Therapieformen zugrunde liegende Prozesse als emotional-motivationales „Umlernen“ von Wertungen.
3. Beschreibungen von Gruppendynamik schildern die emotional-motivational wertenden Veränderungen der Gruppenmitglieder innerhalb dynamischer Gruppenprozesse.
Die Darstellungen in allen drei Bereichen weisen zentrale strukturelle Gemeinsamkeiten auf, welche uns ermöglichen, den „Mechanismus“ der Wertinteriorisation sehr generalisierend abzuheben und auf das Wert- und Kompetenzlernen im Netz zu übertragen.
[1] Boshowitsch, L. I.. (1970), S.276
[2] Heidegger, M. (1980), S.176
2.2.4 Wertaneignung nach der Emotions- und Motivationspsychologie
„Ach die Werte“ kann man mit Hartmut von Henting seufzen[1]. Immer wenn in den moder-nen Gesellschaften die alte Frage nach dem Sinn des Lebens neu gestellt wird, wenn Sinnkrise und Orientierungsverlust in der Ego- und Ellenbogengesellschaft gegeißelt und ein generelles Unbehagen an der Kälte des Kapitalismus artikuliert wird, erklingt der Ruf nach Werten. Es erhebt sich ein immer wieder auftönender Klagegesang, der den Verlust von Werten СКАЧАТЬ