Adieu. Otto W. Bringer
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Название: Adieu

Автор: Otto W. Bringer

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783741813894

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СКАЧАТЬ Afrika. Bekam die Malaria und starb. Jetzt nur noch zwei Kleeblätter am Stängel von den vieren: die kleinste, Ulrike. Kilometer weit in Münster.

      Schon als Lütte war sie ehrgeizig und zögernd, unentschlossen gleichzeitig. Im Ballett-Unterricht die beste sein. Abi machen, na klar. Studieren irgendwas mit Sozialpädagogik in Münster. Nur weg von zuhause und Vergangenheit. Wollte selbst entscheiden. Nach ihren Vorstellungen, Vorlieben, moralinfrei. Sie verschwand irgendwohin. Wir wussten es nicht. 16 Jahre später, als schon viel, viel Wasser den Rhein hinunter geflossen war, sahen wir uns wieder. Inzwischen hatte ich ein neues Kleeblatt gefunden. Ein fünftes, das alle Kleeblätter der Welt ersetzte.

      Die fünfte Frau war elf Jahre jünger. Schöner als alle anderen Frauen, die ich kannte. Ihr Name Rose wie Rose. Wir prallten - zufällig oder nicht – zusammen. Ich wollte raus, sie wollte rein. Beide in Eile. Die Tür zum Schlossrestaurant Anholt war unser Schicksal. Folge: Achtundzwanzig Jahre fünfblättriges Glück. Nein nicht gelogen.

      Ich, der Vierundfünfzigjährige verliebt wie ein Primaner in die Dreiundvierzigjährige. Schrieb ihr jeden Tag ein Gedicht. An die Frau, die mich nicht nur liebte, sondern verstand. Auch in meinen kreativen und charakterlichen Exzessen. Keine Frage, sie zog zu mir ins Haus. Wir verschönerten es gemeinsam, bis wir nichts mehr schöner machen konnten. Rose bearbeitete mich, meine Töchter Gela und Ule zurück an den gemeinsamen Tisch zu holen. Familie muss zusammen halten, ihr Mantra. Wir reisten nach Italien, Frankreich und Spanien. Brachten mehr als Sonne mit nachhause. Variierten es in immer neuen Bildern, Rezepten und Gedichten. In Haus und Garten. Die Ideen gingen uns nicht aus. Runde Geburtstage zu feiern, Gäste zu verwöhnen. Auch für meine Kommunikations-Aufgaben in der Agentur. Rose war die denkbar beste Partnerin. So und so und so. Ich war rundum glücklich ohne den leisesten Zweifel.

      Bis ein mir zuliebe verschwiegenes Lungen-Emphysem dem glücklichen Leben ein Ende machte. Ich möchte jetzt nicht über Roses langen Leidensweg sprechen. Müsste weinen. Vier Monate Klinik. Vier Operationen, dreimal Darmverschluss und ein Gehirn- Tumor. Vier lange Narkosen zerstörten den Rest ihrer kranken Lunge. Sie starb drei Stunden vor Weihnachten 2009. Ihre letzten Worte nur noch gehaucht: „Ich liebe Dich.“ Das Glück war ausgezogen. Begann ein Buch zu schreiben, um mich zu trösten. Über das Glück, Liebe zu gewinnen und das Unglück, sie wieder zu verlieren. Auch das Liebste geht. „Adieu“ fünfblättriges Kleeblatt. Von den fünf Frauen blieben mir noch zwei.

      Schornstein muss rauchen den ganzen Tag.

      In den Jahren nach dem schrecklichen Krieg gab es nichts zu rauchen. Bezugscheine ja, aber nicht genug Tabak für leidenschaftliche Raucher wie meinen Vater. Die Pfeife musste qualmen den ganzen Tag. Sonst bekam er schlechte Laune. Not machte erfinderisch. Tabakblätter mussten her. Originalpflanzen kamen erst viel später, als es bei Tabak-Güldner schon wieder Virginia-Krüllschnitt gab. Der aber kostete Geld. „Billiger sind eigene Blätter“ sagte sich mein Vater. Schnitt unserem Kirschbaum die erreichbaren Blätter von den unteren Zweigen. Fermentierte sie in einer Lösung, die jede Drogerie bevorratete. Trocknete sie im Backofen zwölf Stunden, die ganze Nacht.

      Schon frühmorgens stand er auf. Gustel, seine Frau in der anderen Hälfte des Doppelbettes hielt noch das Kopfkissen im Arm. Karl, ihr Mann abwesend, in der Küche. Schnitt mit dem Fleischmesser die trockenen Blätter in feine, kleine Streifen. Füllte den so gewonnenen Krüllschnitt in eine Blechdose. Spülte Brett und Messer gründlich im schäumendem Wasser mit der Wurzelbürste. Nach dem Frühstück sahen wir ihn genüsslich im Sessel sitzen. Dampfen wie eine Lokomotive. Hatten große Lust, einen Tabakwaren-Laden zu überfallen.

      Schon beim Kommiss, viel und ebenso nichts sagendes Schlagwort für den Militärdienst, begann ich zu rauchen. Zigaretten. Sorten, die es damals gab. Erinnere „Eckstein No 5.“ Kleinste Packung mit drei Zigaretten für 50 Pfennige. Die meisten drehten ihr Rauchzeug selbst, soviel sie brauchten. Tabakbeutel, Zigarettendrehmaschine und Papier gehörten zur Grundausstattung jedes Soldaten. Mir aber schmeckte so etwas nicht. Ließ das Rauchen und schenkte die wöchentliche Ration meinem Unteroffizier. Hoffte auf bessere Behandlung.

      Nach der Währungsreform, Jahre später, konnte ich mir echte Zigaretten leisten. Begann mit der mir bekannten „Eckstein No 5“. Vorsichtig, ein oder zwei am Tag. Dann musste ich in die Klinik, Abszess auf dem Kehlkopf. Erinnere, am Tag nach der Operation schlich ich mich in den Gartenhof der Krankenanstalt. Das grüne Klinikhemd am verschwitzten Leib, Zigarettenschachtel und Feuerzeug in der Hand. Die erste reizte mich zum Kotzen. Die dritte aber schmeckte wie immer. Gut.

      Später, Jahre später konnte ich ein grafisches Atelier übernehmen, machte daraus eine Werbe-Agentur. Das Einkommen stieg mit der Zahl der Kunden. Genug, sich die besten Zigaretten zu leisten: Kyriazi Orient. Die mit orientalischem Dekor auf der Packung und viel Gold. Dann Nil. In der blauen Schachtel. Blau wurde meine Lieblingsfarbe. Auf dem Schreibtisch signalisierte sie meinen Kunden: Hier ist alles Qualität. Rauchte die flachen Zigaretten aus dem silbern knisternden Innern der Schachtel selbstbewusst wie Sir Winston Churchill seine Zigarre. Zwischen zwei Fingern. „victory“.

      Aufträge kamen mehr als erwartet. Mein Grips gefordert bis zum Geht nicht mehr. Der Arbeitstag endete gegen acht, neun Uhr. Zehn, zwölf Stunden brauchten Dampf im Kessel. Zwei bis drei Packungen waren fällig. Inzwischen auf Gauloises um gestiegen. Nach einem Jahr auf Lord Extra, eine leichtere Sorte. Sechzig wurden es auf dem Höhepunkt jeden Tag. Gegen Feierabend Kopfschmerzen, ein dicker Hals. Kein gutes Gefühl. Aber nicht mehr rauchen? Nein! Nichts ist befriedigender, als nach einem guten Essen zu Kaffee und Cognac eine Zigarette zu rauchen. Die Zigarette danach. Manche meinen den Geschlechtsakt. Na ja, suum cuique. Jedem das Seine.

      Als es ganz schlimm wurde mit dem Kopf, die Beschwerden nicht nachließen in der Nacht, hörte ich auf. Mein angetrautes Weib ließ auch das Rauchen. Machte es mir leichter. Aber so von heute auf morgen aufhören mit einer Lieblingsbeschäftigung? Einer, die mehr war als bloßes Tun. Leben, Lippen und alles hingen am Glimmstängel.

      Lass mal das Liebste, das Du hast! Ich befriedigte mein orales Bedürfnis mit dem Inhalt einer Tüte Karamellbonbons oder Schokolade. Von morgens bis abends, nonstop. Jeden Tag. Wie früher Zigaretten. Ich wurde fetter, bequemer und einfallsloser, sagte mir ein Kollege. Ob es stimmte, wussten meine Kunden besser. Noch keine Klagen.

      Lange Zeit trauerte ich den Glimmstängeln nach bei jedem Lutschbonbon. Sie hatten mich jahrelang, was sage ich, jahrzehntelang in Bestform gebracht. Weiß der Kuckuck, was mir in Zukunft alles versagt bleibt. Ohne „Eckstein No 5“. „Nil“. „Lord Extra“. „Adieu“ geliebte.

      Weiß ist die Kunst.

      In der WAZ lesen wir eine Rezension über das Jasmina Rezas Theaterstück „Kunst“. Aufgeführt im Schlosstheater von Moers. Regisseur ein junger Mann: Holk Freitag. Macht viel von sich reden. Stellt Sprache in den Mittelpunkt, nicht aufwändige Szenerie. Beschränkt sich auf minimale Ausstattung. Draußen ist der mächtige Ahornbaum im Schlosshof einziges Requisit. Die Akteure turnen auf Ästen und sprechen ihre Texte aus luftiger Höhe. Shakespeares „Sommernachtstraum“ sahen wir mit großem Vergnügen. Jetzt wollen wir uns seine Inszenierung von Yasmina Rezas „Kunst“ ansehen. Mal sehen. Es soll sehr skurril sein, lesen wir.

      Fernand kauft das Gemälde eines unbekannten Künstlers. Das Motiv: weiße Leinwand mit weißen Streifen. Was sieht man denn? Fragt sich jeder. Soll das Kunst sein? Logisch, dass seine beiden Freunde es für Nonsens halten. Jaques, der jüngere von beiden, schimpft wie ein Rohrspatz. „So viel Geld für nichts.“ Serge zahlte bare 200000 Franc für dieses Nichts vom Nichts. „Nichts ist große Kunst“ titelte die WAZ. „Du bist nicht gescheit Serge, ich sehe keine Streifen.“ Serge wehrt sich. „Das ist meine Sache. Mit meinem Geld kann ich sehen was ich will. Ich finde das Motiv einmalig. Geradezu toll. Sehe СКАЧАТЬ