Adieu. Otto W. Bringer
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Название: Adieu

Автор: Otto W. Bringer

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783741813894

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СКАЧАТЬ neue Varianten. Es schien, als würden wir es nie leid, Kirschen zu variieren und mit größtem Appetit zu essen. Im Vorübergehen mal eben eine rote aus der Schüssel zu fischen, die nicht leer wurde. Kirschen schenkten wir Freunden, Nachbarn, dem Postboten. Großzügig. Bis Mitte Juni.

      Die ganze Prozedur wiederholte sich zu unserer Freude im nachfolgenden Jahr. Wieder dieses Blütenwunder. Als hätte Alessandro Botticelli mit seinem Frühling unseren Baum verzaubert. Dann die ungezählten kleinen roten Pünktchen unterm Grün. Verstreut, soweit kein Arm reicht. Wieder hinaufgestiegen die eiserne Leiter. Geklettert auf den dicksten Ast. Die dünneren am äußersten Ende. Den Kitzel genossen, ein Akrobat zu sein. Und gepflückt, geklettert, gepflückt. Was sag ich, gerissen mitsamt Stiel. Eine Woche kirschgeschlemmert. Eine zweite, die Hälfte einer dritten. In dem angenehmen Bewusstsein, unabhängig zu sein von Bauernmarkt und Edeka.

      Im dritten Jahr warteten wir vergeblich auf Botticellis Blütensegen. Ganz im Gegenteil. Die Blätter welkten schon Anfang Juni. Gelblich blass bis schwarzbraun fielen sie zu Boden. Als hätten sie zu viel Bayer-Leverkusen abbekommen. Morsche Rinde blätterte vom noch stramm stehenden Stamm. Aus den dicken Ästen lösten sich die dünneren mit ihren Zweigen und einzelnen welken Blättern. Hingen wie am seidenen Faden. Ein jammervolles Bild. Wir ließen die Krone beschneiden, den Stamm stehen. Ich bastelte ein Taubenhaus und nagelte es auf den Stamm. Meine Frau Rose liebt Tauben. Lebendiges im stillen Garten. Es kamen keine Tauben. Ich konnte gurren, soviel ich wollte. War ihnen das Haus zu modern?

      Nichts mehr im Garten, was Freude macht. Nichts mehr, das mit weißen Blüten um sich wirft. Das im Mai aufblüht wie eine Wolke vor dem sanften Blau eines Frühlinghimmels. Nie mehr sportlich herumklettern im Geäst. Das leichte Schwanken genießen wie eine Gondelfahrt. Hinabschauen in das Lächeln meiner Frau. Den noch halbleeren Korb auf der Leiter. Kein Überfluss mehr an Rot im eigenen Garten. Mit dem wir unsere Gier befriedigen können. Die kleinen süßen Dinger aus eigenem Anbau nur noch Erinnerung. Samt Stil und Kern. Ich lernte die runden Kügelchen weiter zu spucken als mein Arm reichte. „Adieu!“

      Meine fünf Frauen.

      Jahre nach Ruth kam Marga in mein Leben. Eine Frau, die für die Liebe wie geschaffen war. Ein echtes Weib, von der es in der Bibel heißt, sie gebar ihm sieben Söhne. Bei mir waren es drei Töchter. Wessen Gene, wessen Herkunft, Temperament und Religion hierbei den Ausschlag gaben, ließ sich nicht ermitteln. Fest stand, Marga hatte nichts gegen Sex.

      Die erste Frau, mit der ich Sex hatte in meinem Leben. Es hat sich so ergeben. Wir gingen spazieren. Seitwärts des Weges Wiese. Leicht ansteigende grüne Wiese mit Gänseblümchen, Löwenzahn und Klee. Wir setzten uns. Legten uns auf den Rücken, hangaufwärts. Dann stach mich der Hafer. Obwohl das Feld erst hundert Meter weiter begann. Drehte mich herum, küsste sie auf den Mund. Nestelte an ihrer Bluse. Kleine Knöpfe schwer zu öffnen. Meine Hand rutschte längsseits des Rockes bis da, wo ich Saum fühlte.

      Saum in der Hand eines, der weiterkommen will in dieser Sache, wie eine Aufforderung. Schob ihn hoch, zerrte den Schlüpfer herunter bis zum halben Oberschenkel. Nur gefühlt, nichts gesehen, nichts gedacht. Immer nur das eine: Ankommen im Paradies. Die Gänseblümchen guckten blöde, wendeten sich ab. Oder waren es Schritte, die sie umbogen?

      Leute gingen vorbei. Schwätzten, lachten. Über uns? Egal. Alles egal. Nur Marga und ich. Getrieben von der willenlosen Absicht, das Normalste der Welt zu tun. Nannte es Liebe. Um mein katholisch geprägtes Gewissen zu beruhigen. Unser Pastor sagte im Eheunterricht: In der Ehe ist alles erlaubt. Nun, wir standen kurz davor, fühlten uns wie Mann und Frau, die zusammen gehörten. Und taten, zu was der Pastor seinen Segen gab. Das erste Kind ein Mädchen. Angéla Undine Maria.

      Den Namen der Wasserjungfrau wollte Margas Mama ihr geben. Weiß der Kuckuck warum. Ihrer Meinung nach sollte sie nur Undine heißen. Wir wohnten im Haus der Mama, mussten gewisse Konzessionen machen. Aber Undine, nein! Wir ließen das Kind auf Angéla taufen. Setzen Undine an die zweite Stelle. Maria an die dritte. Gottesmutter ist immer richtig. Dachte an Rainer Maria Rilke. Rufen das Mädchen Angéla. Mit Betonung auf dem é. Hört sich gut an. Klingt vornehm und unterscheidet sie von Angelas anderer Familien.

      Nach der landesüblichen Pause von zwei Jahren das zweite Kind, ein Mädchen. Hätte ich die Pause verkürzen sollen? Oder verlängern? Wollte ich überhaupt einen Sohn? Egal. Hauptsache Sex. Nannten das Ergebnis unserer Verlustigung Dorothee. Wieder war es ein Mädchen, wie man am Namen erkennt. Um Familienstreitereien zu vermeiden, hängten wir die Schwiegermütter hinten dran. Martha, Margas Mama und Auguste, meine Stiefmama. Dorothee Martha Auguste. Alle waren zufrieden. Für uns war der Fall erledigt. Auch wenn es sich, ausgesprochen, schrecklich anhörte.

      Ein drittes Mädchen betrat die Bühne des Welttheaters. Pünktlich nach zwei Jahren: Ulrike. Ohne davor und danach. Die Mädchennamen in der nahen Familie waren untergebracht. War uns die Lust ausgegangen, weitere Namen zu suchen? Wir ließen es, wie es war. Es spielte sich schnell ein, weil wir die Mädchen nicht mit ihren langen Registernamen riefen. Wir kürzten sie aus praktischen Gründen ab. Géla, Doro und Ule. Hatte vier Frauen in meinem Haus. Kleeblatt mit vier Blättern. Glücksklee?

      Es hat mir viel Freude gemacht. Frauen sind umgänglicher, nachsichtiger. Vor allem dann, wenn der Mann zeigt, wer der Mann ist. Einer, dem Frauen alles nachsehen. Geringes Einkommen. Ständiger Wohnungswechsel. Schlechte Laune. Egoistisches Verhalten. Gleich, ob sie erwachsen oder noch Kinder waren: Meine vier Frauen ließen mir alles durchgehen. Wenn es um meine Arbeit ging. Um meine Karriere, künstlerischen Talente. Malte ich ein Bild, kochte Marga mein Lieblingsessen. Spielte ich mehr oder weniger gut auf dem Klavier, klatschten die Töchterchen wie besessen. Als sei ich Johann Sebastian persönlich. In der Tat, vier Frauen machten es mir möglich, mein Leben zu leben.

      Alle wurden älter. Und schöner, wie ich zugeben muss. Subjektiv betrachtet. Nur Marga änderte sich zu meinem Leidwesen. Alice Schwarzers „Der kleine Unterschied“ verwirrte ihre Sinne. Entfernte sie von mir, der keine Ahnung hatte, warum. Sie nahm sich das Leben. Und ich war immer noch nicht sicher, warum. Vielleicht weil die Kinder unser Haus verlassen hatten. Weinte unaufhörlich und holte mir Trost beim Pater Omer Belderbos in Gent, Belgien. Das erste Blatt meines Glücksklees abgerissen. Ein Viertel des Glücks verloren? Für alle Zeiten?

      Die drei Töchter entwickelten sich zu drei völlig verschiedenen Persönlichkeiten. Gela, künstlerisch begabt in der Gestaltung von Materie. Erbteil von mir? Sie dekorierte Mode in Schaufenstern. Erfand originelle Puppentypen. Glänzte zum guten Ende als Costume – Designerin an der „Opera Modern“, New York. Beste des Jahres 2009. Das erste Kleeblatt sechstausend Kilometer entfernt von mir. Nur noch zwei zum Angucken nah?

      Doro war die musikalischste. Spielte mit sechs Jahren bereits den Bach rauf und runter. Verzeih, Johann Sebastian. Es waren deine wunderbaren Inventionen. Doro spielte sie besser als ich. Zuerst auf dem Spinett. Kaufte es, weil es wie Laute klingt. Dann auf dem Klavier. Geschenk eines Bauern, der die schwarze Kiste loswerden wollte. Der Platz auf dem Oberdeck seiner Scheune war für Strohballen wichtiger.

      Doro liebte Mozart und Chopin. Aber auch alte Omas und Opas. Brachte ihnen Gänseblümchen, wenn sie krank waren und das Haus nicht verlassen konnten. Wir fragten uns, was liegt ihr mehr: Musik oder Soziales? Ließen sie Krankenschwester werden. Dann kam Ingo. Ein Maler von Dalis Gnaden. Begabter Junge mit ausgesprochener Neigung, seinem Vorbild nachzueifern. Surreal seine Bilder, zum Verrücktwerden surreal. So, wie unser Leben manchmal ist. Real und ausgesprochen gut spielte er Gitarre.

      Doro verliebte sich in ihn. So rettungslos, dass wir sie heiraten ließen. Auch ohne Kind unterwegs. Sie musizierten zusammen. Eröffneten in einer herunter gekommenen Kneipe die „Liederkiste“, Treffpunkt für junges Volk. Dann gab´s für Ingo nur noch die Malerei. Malte, malte. Malte auf Teufelkommheraus. Nichts anderes im Kopf als Bilder, Keilrahmen, Farben und Terpentin. Vernachlässigte СКАЧАТЬ