Название: Heidis Lehr- und Wanderjahre
Автор: Johanna Spyri
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783742704849
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letzten Sommer die Mutter starb und ich im Bad drunten etwas
verdienen wollte, nahm ich es mit und gab es der alten Ursel
oben im Pfäfferserdorf an die Kost. Ich konnte auch im Winter
im Bad bleiben, es gab allerhand Arbeit, weil ich zu nähen und
flicken verstehe, und früh im Frühling kam die Herrschaft aus
Frankfurt wieder, die ich voriges Jahr bedient hatte und die mich
mitnehmen will; übermorgen reisen wir ab, und der Dienst ist gut,
das kann ich dir sagen.«
»Und dem Alten da droben willst du nun das Kind
übergeben? Es nimmt mich nur wunder, was du denkst, Dete«,
sagte die Barbel vorwurfsvoll.
»Was meinst du denn?« gab Dete zurück. »Ich habe das
Meinige an dem Kinde getan, und was sollte ich denn mit ihm
machen? Ich denke, ich kann eines, das erst fünf Jahre alt wird,
nicht mit nach Frankfurt nehmen. Aber wohin gehst du eigentlich,
Barbel, wir sind ja schon halbwegs auf der Alm?«
»Ich bin auch gleich da, wo ich hin muß«, entgegnete die
Barbel; »ich habe mit der Geißenpeterin zu reden, sie spinnt mir
im Winter. So leb wohl, Dete; mit Glück!«
Dete reichte der Begleiterin die Hand und blieb stehen,
während diese der kleinen, dunkelbraunen Almhütte zuging, die
einige Schritte seitwärts vom Pfad in einer Mulde stand, wo sie
vor dem Bergwind ziemlich geschützt war. Die Hütte stand auf
der halben Höhe der Alm, vom Dörfli aus gerechnet, und daß sie
in einer kleinen Vertiefung des Berges stand, war gut, denn sie
sah so baufällig und verfallen aus, daß es auch so noch ein
gefährliches Darinwohnen sein mußte, wenn der Föhnwind so
mächtig über die Berge strich, daß alles an der Hütte klapperte,
Türen und Fenster, und alle die morschen Balken zitterten und
krachten. Hätte die Hütte an solchen Tagen oben auf der Alm
gestanden, sie wäre unverzüglich ins Tal hinabgeweht worden.
Hier wohnte der Geißenpeter, der elfjährige Bube, der
jeden Morgen unten im Dörfli die Geißen holte, um sie hoch auf
die Alm hinaufzutreiben, um sie da die kurzen kräftigen Kräuter
fressen zu lassen bis zum Abend; dann sprang der Peter mit den
leichtfüßigen Tierchen wieder herunter, tat, im Dörfli
angekommen, einen schrillen Pfiff durch die Finger, und jeder
Besitzer holte seine Geiß auf dem Platz. Meistens kamen kleine
Buben und Mädchen, denn die friedlichen Geißen waren nicht zu
fürchten, und das war denn den ganzen Sommer durch die
einzige Zeit am Tage, da der Peter mit seinesgleichen verkehrte;
sonst lebte er nur mit den Geißen. Er hatte zwar daheim seine
Mutter und die blinde Großmutter; aber da er immer am Morgen
sehr früh fort mußte und am Abend vom Dörfli spät heimkam,
weil er sich da noch so lange als möglich mit den Kindern
weil er sich da noch so lange als möglich mit den Kindern
unterhalten mußte, so verbrachte er daheim nur gerade so viel
Zeit, um am Morgen seine Milch und Brot und am Abend
ebendasselbe hinunterzuschlucken und dann sich aufs Ohr zu
legen und zu schlafen. Sein Vater, der auch schon der
Geißenpeter genannt worden war, weil er in früheren Jahren in
demselben Berufe gestanden hatte, war vor einigen Jahren beim
Holzfällen verunglückt. Seine Mutter, die zwar Brigitte hieß,
wurde von jedermann um des Zusammenhangs willen die
Geißenpeterin genannt, und die blinde Großmutter kannten weit
und breit alt und jung nur unter dem Namen Großmutter.
Die Dete hatte wohl zehn Minuten gewartet und sich nach
allen Seiten umgesehen, ob die Kinder mit den Geißen noch
nirgends zu sehen seien; als dies aber nicht der Fall war, so stieg
sie noch ein wenig höher, wo sie besser die ganze Alm bis
hinunter übersehen konnte, und guckte nun von hier aus bald
dahin, bald dorthin mit Zeichen großer Ungeduld auf dem
Gesicht und in den Bewegungen. Unterdessen rückten die
Kinder auf einem großen Umwege heran, denn der Peter wußte
viele Stellen, wo allerhand Gutes an Sträuchern und Gebüschen
für seine Geißen zu nagen war; darum machte er mit seiner
Herde vielerlei Wendungen auf dem Wege. Erst war das Kind
mühsam nachgeklettert, in seiner schweren Rüstung vor Hitze
und Unbequemlichkeit keuchend und alle Kräfte anstrengend. Es
sagte kein Wort, blickte aber unverwandt bald auf den Peter,
der mit seinen nackten Füßen und leichten Höschen ohne alle
Mühe hin- und hersprang, bald auf die Geißen, die mit den
dünnen, schlanken Beinchen noch leichter über Busch und Stein
dünnen, schlanken Beinchen noch leichter über Busch und Stein
und steile Abhänge hinaufkletterten. Auf einmal setzte das Kind
sich auf den Boden nieder, zog mit großer Schnelligkeit Schuhe
und Strümpfe aus, stand wieder auf, zog sein rotes, dickes
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