DIE SUCHE NACH DER MACHT. Stefan Sethe
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Название: DIE SUCHE NACH DER MACHT

Автор: Stefan Sethe

Издательство: Bookwire

Жанр: Социология

Серия:

isbn: 9783847635956

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СКАЧАТЬ sich zu Beginn einer Berichtsperiode ein realistisches Ziel, wie zum Beispiel die Unfallhäufigkeit pro Tausend Beschäftigte im kommenden Jahr von 9,7 auf 9,4 zu senken. Je nachdem, ob man dieses Ziel erreicht, übertrifft oder darunter bleibt, ist der jeweilige Bilanzposten ausgeglichen, positiv oder negativ. Abgesehen von der hierbei immer noch nicht gelösten Frage der Gewichtung im Gesamtzusammenhang bietet sich dieses System aber keineswegs für alle Berichtsposten an, so dass eine durchgängige Bilanzierung im technischen Sinne auf diesem Gebiet nicht möglich ist. Man spricht daher immer häufiger von einer gesellschaftsbezogenen Berichterstattung statt von einer Sozialbilanz und erweckt damit auch gar nicht erst die ohnehin kaum erfüllbare Hoffnung auf Vollständigkeit der vorgelegten Berichte.

       Die Sozialbilanzierung hat unter den Unternehmern inzwischen zahlreiche Anhänger gefunden. Sie haben sich zu einem großen Teil im Arbeitskreis „Sozialbilanz-Praxis“ zusammengeschlossen. Neben Umsatzriesen wie VW, BASF, Bayer und Shell sind hier vor allem auch engagierte kleinere Betriebe tonangebend und treiben die Entwicklung voran.

       Die Bemühungen um eine stärkere Vergleichbarkeit und daher Standardisierung der Berichterstattung haben bereits zu zahlreichen Erfolgen geführt. So ist man sich inzwischen darin einig, dass die immer noch als „Sozialbilanz“ apostrophierte Berichterstattung aus einer Sozialrechnung bestehen soll, in der alle quantifizierbaren Größen aufgeführt werden sollen, sowie aus einem allgemein gehaltenen Sozialbericht, welcher auch zum Beispiel zu dem jeweiligen Stand der Mitbestimmung Stellung beziehen sollte und aus einer Wertschöpfungsrechnung. Einig ist man sich mittlerweile auch, dass es kaum praktikabel ist, Nutzen und Schaden jeweils gegeneinander aufzurechnen.

       Es wäre sicherlich nicht richtig, diese Bemühungen der Unternehmen schlicht als neues Instrument der Firmenimagewerbung abzutun, wie dies zunächst oft recht polemisch von den Gewerkschaften versucht wurde. Freilich mussten diese sich auch häufig genug provoziert fühlen durch allzu schönfärberische Sozialbilanzen, die sich nicht scheuten, soziale Erfolgsquoten von 99,95 Prozent bekanntzugeben und nicht selten unterließen, die Negativposition überhaupt nur zu erwähnen.

       Inzwischen haben die Gewerkschaften jedoch erkannt, dass der Großteil der sozialbilanzierenden Unternehmen nicht nur an vordergründigen und kurzfristigen Imageerfolgen interessiert sind. Sie bemühen sich vielmehr ernsthaft, ihre gesellschaftliche Verantwortung neu zu definieren und die veränderten gesellschaftspolitischen Notwendigkeiten bei der Planung von Fortschritt und Wachstum zu berücksichtigen.

       Die Sozialbilanzierung zwingt die Unternehmen, sich Gedanken über konkrete ökonomische und gesellschaftsbezogene Ziele zu machen, diese zu formulieren und sich später daran messen zu lassen. Mögliche negative gesellschaftliche Folgen bestimmter wirtschaftlicher Maßnahmen werden eher erkannt. Andererseits ist aber die Sozialbilanz auch geeignet, das Bewusstsein der Öffentlichkeit für die Verzahnung von Wirtschaft und Gesellschaft zu rationalisieren, indem die Sozialbilanzen sehr anschaulich zeigen, was höhere Lebensqualität kostet und wo gesellschaftliche Ansprüche utopisch werden, also mit dem realen Leistungsvermögen der Wirtschaft nicht mehr ins Gleichgewicht gebracht werden können.

       Obwohl inzwischen deutlich geworden ist, dass Sozialbilanzen, sollen sie von der Öffentlichkeit ernstgenommen und nicht nur als Schönwetterbroschüre abgetan werden, auch Fakten enthalten müssen, die zuzugeben einem Unternehmen im ersten Moment nicht immer ganz leicht fällt, nimmt dennoch die Zahl der Firmen zu, die eine Sozialbilanz vorlegen. Ermuntert werden sie durch mehrere klare Empfehlungen der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, sich an diese neue und zum Teil recht aufwendige Form der Berichterstattung heranzuwagen, wobei die Arbeitgeber allerdings betonen, dass es sich um freiwillige Unternehmensaktivitäten handelt, die den Einflussbereich des Betriebsrates oder gar der Gewerkschaften nicht tangieren.

       Rein juristisch gesehen mag diese Auffassung sicherlich zutreffend sein. In der Praxis führt die Nichtbeteiligung des Betriebsrates jedoch dazu, dass eine Sozialbilanz, für die lediglich die Unternehmensleitung verantwortlich zeichnet, gegen den Vorwurf der Einseitigkeit zu kämpfen hat. Es kann dann passieren, dass – wie bei der BASF sehr spektakulär geschehen – der rosa gefärbten Schönwetterbilanz der Unternehmensleitung eine ebenso einseitige, tiefschwarze Negativbilanz von der Gewerkschaft entgegengesetzt wird.

      Nachdem bereits, in einigen Unternehmen die Zusammenarbeit von Unternehmensleitung und Betriebsrat im Hinblick auf die Sozialbilanzierung zur Routine geworden ist, werden sich wohl auch andere Unternehmen und deren Betriebsräte über einen Grundkonsens einigen müssen, wenn man dem ohnehin viel zu schnell zur Reglementierung bereiten Staat keinen Anlass geben will, die gesellschaftsbezogene Berichterstattung dem Aktienrecht einzugliedern. Damit würde eine Materie, die sich noch im lebendigen Experimentierstadium befindet, frühzeitig und unausgereift der Versteinerung preisgegeben.

       Die Entwicklung einer neuen Unternehmens-Ethik und eines veränderten Verantwortungsgefühls in der Unternehmerschaft vollzieht sich langsam aber stetig. Behördliche Reglementierungen oder übermäßiger gewerkschaftlicher Druck würden diese freiwillig und engagiert begonnene Entwicklung in die Defensive drängen und damit bestenfalls eine Festschreibung des status quo bewirken.

      Bundesministerium der Justiz

      Frohgemut klemmte ich die Zeitung unter den Arm und erschien pünktlich um 10 Uhr zum Vorstellungsgespräch im Kreuzbau des Bundesjustizministeriums. Mein erster Gesprächspartner dort war der Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Sepp Binder, der, wie ich später merkte, der einflussreichste Mitarbeiter des Hauses war. In der internen Hierarchie kam er gleich nach dem Minister, noch vor dem Staatssekretär. Das Gespräch begann etwas zäh, aber spätestens als ich mit den Worten: „Ach, haben Sie übrigens heute schon meinen letzten Artikel in der Zeit gesehen?“ die entsprechende Seite aus meiner Jackentasche gezaubert hatte, war der Bann gebrochen. Binder war selbst früher Zeit-Redakteur gewesen und gehörte zu den Bewunderern ausgerechnet des für den Wirtschaftsteil verantwortlichen Redakteurs, Michael Jungblut.

      Alles andere war dann nur noch Formsache. Da ich im Leitungsbereich tätig werden sollte, sprach ich ein paar Worte mit Hans-Jochen Vogel, der für ein gutes Jahr mein oberster Chef werden sollte - bevor er als Regierender Bürgermeister nach Berlin ging und von Jürgen Schmude als Bundesjustizminister ersetzt wurde -, mit Vogels Staatssekretär Günther Erkel und dem für das Personal zuständigen Abteilungsleiter. Erst beim Personalreferenten wurden Einzelheiten meiner Einstellung erörtert. Personalchef Stückrath rutschte unruhig auf seinem Stuhl herum und druckste verlegen: „Also verstehen Sie mich bitte richtig, mir sind ein wenig die Hände gebunden. Soviel, wie Sie als Rechtsanwalt verdient haben, können wir Ihnen leider nicht bieten.“ Ich schaute ihn amüsiert an. Keinen Pfennig hatte ich bisher als Anwalt verdient. Aber da sah man wieder einmal, was das Image ausmacht. „Wie wäre es denn mit BAT Ia?“ fragte mein Gegenüber. Nun war es an mir, unruhig zu werden. Mir wurde heiß und kalt zugleich. BAT Ia entsprach einem Regierungsdirektor. Für eine Erst-Einstellung unglaublich hoch. Üblicherweise musste man sich erst einmal langsam an den Regierungsrat heran dienen. Wenn man Glück hatte, war nach etlichen Jahren ein Oberregierungsrat zu erreichen und mit viel Sitzfleisch kam dann nach frühestens zehn Jahren eventuell schon mal eine Position als Regierungsdirektor in Sicht. Mein Vater, ein fleißiger, kluger und sehr fähiger Kopf, hatte es nach einem erfolgreichen Verwaltungsleben gerade mal bis dorthin gebracht. Ich ließ mir aber nichts anmerken: „Tja, das ist natürlich hart.“ Kunstpause. „Aber die Aufgabe ist so interessant, dass man schon mal gewisse Einschränkungen in Kauf nimmt.“

      Mit 29 schon Regierungsdirektor! Es gelang mir – typisch vielleicht für einen Dünnbrettbohrer – schon dreißig Monate später als Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, zwei weitere Gehaltsstufen übersprungen zu haben, d.h. ich wurde entsprechend einem СКАЧАТЬ