Seefahrt - Abenteuer oder Beruf? - Teil 3. Mario Covi
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Название: Seefahrt - Abenteuer oder Beruf? - Teil 3

Автор: Mario Covi

Издательство: Bookwire

Жанр: Математика

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isbn: 9783847684282

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СКАЧАТЬ wieder musste ich auf die Stelle an der Pier starren, wo er sterbend gelegen hatte, sein Kopf im Schoss unseres Kapitäns gebettet: ein noch junger Seemann Ende dreißig, verheiratet, Vater zweier kleiner Kinder. Es war ja noch gar nicht lange her, dass er zum zweiten Mal Vater geworden war. Uns allen war wieder einmal gezeigt worden, wie zerbrechlich der Mensch ist und wie wahllos das Schicksal einen treffen und zerschmettern kann.

      Natürlich war nach dem tragischen Unfall die Hölle los an Bord: Polizei, Presse, Versicherung, Gewerkschaft, die Interessenvertreter sämtlicher an Schiff und Ladung beteiligter Gruppen und und und.

      Nun, nachdem das Verhängnis über uns hereingebrochen war, schienen alle schlauer zu sein. Die Gewerkschaft beispielsweise erließ rigorose Vorschriften über das Wie der Beladung, so, als ob sie das Wort ‚Sicherheit‘ gerade erst erfunden hätte. Aber auch von anderer Seite klingelte es mir selbstgerecht in den Ohren: „Safety first!“ - Ich fragte mich ganz allgemein, was wohl geschehen wäre, wenn ein verantwortlicher Schiffsoffizier die Beladung eines Frachters hätte unterbrechen lassen, weil er die Sicherheit nicht gewährleistet sah? Trotz der lächelnden Erklärungen der Stauerei, dass sie es – im tagtäglichen Umgang mit der Materie – schließlich besser wissen müsse.

      Mir schien es allerdings auch ein Erfahrungswert zu sein, dass Fahrlässigkeit in 999 von 1000 Fällen gut ging – und folglich so lange ‚bewies‘ dass die Sicherheit gewährleistet war, solange nichts passierte!

      Die gesamte Ladung mitzunehmen schafften wir natürlich nicht! Statt sieben Lagen hoch türmten sich letzten Endes die Röhren in fünf akkurat gestapelten Schichten, gut und sicher verkeilt, abgesichert und gelascht. Eine saubere Arbeit – doch für welchen Preis!

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      Schließlich erreichten wir Mersin. Die Röhren waren für den Irak bestimmt. Eine abenteuerliche Karawane bunt bemalter Lastwagen sammelte sich jeden Tag im Hafen, um im Konvoi die Fahrt in diese unruhige Region zu bewältigen. Auch im Libanon herrschte Krieg. Für die Vertreter des libanesischen Charterers, zwei junge Männer, vermittelte ich tagtäglich auf umständlichen Wegen Funkgespräche in das von Bomben, Granaten und Ideologien zerstörte Beirut.

      An Land kam ich mit einem deutschen Ehepaar ins Gespräch, das zum ersten Mal in einem vom Islam geprägten Land Urlaub machte. Ihr Fazit über die Türkei: Es gibt hier kein Eisbein mit Sauerkraut, und überhaupt keine Bratwürste!

      5. MIESE AUSSICHTEN

      Und abermals hatte unsere Reederei ihr Überleben mit einer kurzen Charterreise aufrechterhalten. Die "Marlene-S" war zum Containereinsammeln nach Syrien, Ägypten, Italien und Frankreich abkommandiert worden.

      Es war Mitte Juli 1982, und eine ganze Reihe unserer Crew hatte vor, entweder in Livorno oder in Marseille in Urlaub zu gehen. Auch ich hatte vor, spätestens Ende Juli, nach über neun Monaten Fahrtzeit dem Schiff den Rücken zu kehren. Ein Wiedersehen mit meiner Familie und ein gemeinsames Sommerhüttenleben im malerischen Kanada standen auf dem Programm. Grund genug, bei den fast täglich stattfindenden Abschiedsfeiern meiner Kameraden, die Gitarre wieder mal aus dem Kasten zu holen. Wir waren gut drauf, trotz der miesen Aussichten, was die Zukunft der Seeschifffahrt betraf.

      Vor einigen Wochen hatte in Hamburg die Seeamtsverhandlung im Zusammenhang mit dem M/S "Elma Tres" stattgefunden. Das Containerschiff war Ende November 1981 im Orkan gekentert und mit 23 Seeleuten verloren gegangen. Der Erste Offizier, einziger Überlebender, hatte mithelfen sollen, Licht in das Dunkel zu bringen. Doch die Seeamtsverhandlung soll wieder einmal eine Posse gewesen sein, denn die Ursachen des Untergangs hatten nicht ermittelt werden können. Böse Zungen behaupteten, sie hatten wohl auch nicht ermittelt werden sollen. Wir an Bord hatten uns längst auf eine Augenwischerei im Zusammenhang mit der "Elma Tres" eingestellt. Dem zähen Informationsfluss konnten wir entnehmen, dass unsere Vermutungen gar nicht so abwegig gewesen waren!

      In diesen Argwohn hatte auch das Bild des Bundesbeauftragten gepasst, einen 81-jährigen Konteradmiral a.D., der zwar den Stabilitätsgutachten nicht hatte folgen können, aber die Ausbildung der billigen Filipino-Crew ganz in Ordnung gefunden und unverhohlen die Frage gestellt hatte, welcher Deutsche denn noch zur See fahren wolle, wo es kaum Freizeit und kein Fernsehen gäbe.

      Tja, wer will noch zur See fahren, fragten wir uns damals des Öfteren. Die weltweite Wirtschaftsflaute traf vor allen Dingen auch die Frachtschifffahrt. Die knallharte Konkurrenz subventionierter, billig bemannter oder durch Flaggenprotektionismus geschützter Handelsflotten machte es den deutschen Reedern immer schwerer, mitzuhalten beim Poker um die niedrigsten Frachtraten. Und diese fielen, bei weiterhin steigendem Überangebot an Schiffstonnage, unaufhaltsam tiefer. Die Unkosten eines Schiffes waren mit den Einnahmen aus den Charterverträgen nicht mehr zu decken!

      Das war dann der Punkt, an dem der Reeder ans Ausflaggen dachte, um im Schatten exotischer Wimpel Bemannungsrichtlinien, Sicherheitsvorschriften und Mindestheuern unterwandern zu können. Das senkte die Kosten. Die Un-Kosten! Aber ein Reeder hätte niemals zugegeben, danach wieder Profit zu machen. Selbst in den fetten Jahren, als die Frachtraten noch stimmten, hätte das keine Kompanie rundheraus und mit Stolz auf ihr kaufmännisches Können eingestanden. Man hatte es vielmehr prächtig verstanden, dezent zu klagen und uns in der Fahrt stets im Unklaren zu lassen, so dass uns jede Heuerzahlung die Schamröte ins Gesicht treiben musste, tjahaha! Wir erschauerten auch immer artig, wenn uns zu Weihnachten die Nichtgewährung eines Weihnachtsgeldes mit dem strapazierten Sermon erklärt wurde: „In Anbetracht der schwierigen Frachtenlage...“ – Aber man hatte uns wenigstens ein frohes Fest gewünscht. Später wurde nicht mehr auf die Tränendrüse gedrückt. Da wurde Tacheles geredet: „Wenn die Unkosten nicht gesenkt werden, müssen wir ausflaggen!“

      Dass die Reeder Gewinne machen mussten bestritt niemand. Dass Seeleute eine angemessene Heuer verdienten, erschien im Sinne der Gerechtigkeit ebenso logisch. Dass aber Gewinne nur noch auf Kosten der Seeleute herauszupressen waren, war bittere Praxis geworden und die Folge einer vernachlässigten Schifffahrtspolitik.

      Wir sahen mit Wehmut und Wut im Bauch wie die deutsche Handelsflotte schrumpfte und verscherbelt wurde. Wie sie einem Klima der Resignation und Unzufriedenheit anheimfiel. Ein Berufsbild, das nur noch chancenlose Düsternis als Zukunft anbot, musste an sich selbst kaputt gehen!

      Seefahrt – Abenteuer oder Beruf? Sie war insofern zwangsläufig abenteuerlich, als man von Reise zu Reise um seine Existenz bangen musste: Wurden wir nun ausgeflaggt? Bekam der Reeder noch einmal eine kostendeckende Charter? Sollte der Zossen aufgelegt, eingemottet oder gar verkauft werden?

      Längst wurde mit aller Rigorosität rationalisiert. Schiffe fuhren unterbesetzt, unterbesetzter, am unterbesetztesten. Dass es hierbei kriminell zuging, wird mir keiner als Lüge vorwerfen können. Oder war es nicht gesetzwidrig, wenn Mannschaftslisten – vollzählige Bemannung vortäuschend – gefälscht wurden? Wenn in Häfen, wo Kontrollen drohten, in Nacht-und-Nebel-Aktionen die nötigen Dienstgrade für ein Handgeld eingeschleust wurden? Wenn man dies viel geschickter mit Seefahrtbüchern machte, oder wenn ein Patentinhaber in Form von drei Seefahrtbüchern gleichzeitig auf drei Schiffen fuhr?

      Vom Gesetzgeber wurde folgerichtig verlangt, die Schiffsbesetzungsverordnung zu ändern. Es sollte legalisiert werden, was bislang unterhalb der gesetzlichen Gürtellinie stattgefunden hatte. Nur Träumer glaubten, dass damit der Kosteneinsparerei ein Ende gesetzt werden könnte. Denn immer mehr Jobsuchende aus den Armenhäusern der Welt drängten auf den internationalen Arbeitsmarkt, aus dem sich die Reeder lächelnd bedienen konnten. Billigbemannung, das war die Lösung der Arbeitgeberseite. Besatzungsreduzierung bei gleichzeitigem Abbau des Qualifikationsniveaus, so sah die Wirklichkeit aus.

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