Seefahrt - Abenteuer oder Beruf? - Teil 3. Mario Covi
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Название: Seefahrt - Abenteuer oder Beruf? - Teil 3

Автор: Mario Covi

Издательство: Bookwire

Жанр: Математика

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isbn: 9783847684282

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СКАЧАТЬ hatte, waren fast sämtliche Geschäfte aufgegeben worden und verbarrikadiert. Der Basar war tot, bis auf die Gassen mit den hämmernden Kupferschmieden und den kabinenkleinen Läden der Silberhändler. Die bauchigen, innen verzinnten Kupferkessel waren Standardstücke eines jeden Haushalts, und Silberschmuck gehörte zur arabischen Welt wie die Oase zur Wüste. Hier existierte noch etwas von der Atmosphäre, derentwegen es einen in die Medina zog. Beduinenfrauen in weißen Überwürfen verscherbelten hier ihre massiven Armreifen, schweren Ohrgehänge und Amulette. Es war Not, die sie dazu zwang, denn Muammar al-Gaddafis verhängnisvolle Politik hatte den kleinen Leuten keinen Segen gebracht. Das Angebot auf den Lebensmittelmärkten war so dürftig, dass man an eine Hungersnot glauben mochte.

      Ich traf einen Amerikaner, der draußen in der Wüste auf den Ölfeldern arbeitete.

      „Für wen ich eigentlich tätig bin, weiß ich nicht“, sagte er. „Aber solange ich mein Geld bekomme...“ Und er bestätigte die Misere des Landes: „Wovon die Menschen hier leben, ist mir schleierhaft. Es gibt nichts zu essen, kein Obst, kein Gemüse, Grundnahrungsmittel in kleinsten Rationen. Die Leute hungern!“

      Im Schaufenster eines Silberschmiedes, dem ich ein paar urige Beduinenamulette abgekauft hatte, entdeckte der Amerikaner ein altes amerikanisches Silber-5-Cent-Stück. Der junge Händler, der in London studiert hatte, schenkte es dem Fremden und spottete: „Wenn das Gaddafi wüsste!“ – Alle lachten, wohl wissend, wie verzerrt die Situation im Lande war, wo alles Amerikanische leichthin auch als Erzfeind-Jüdisches verfemt wurde. Der Genuss von Coca-Cola kam schon fast einem Landesverrat gleich.

      Offiziell sollte der Dinar etwa acht Mark wert sein. Auf dem Schwarzmarkt – zugegebenermaßen ein risikoreiches Abenteuer – bekam man weitaus günstigere Kurse, die bis zur Basis von einem Dollar gleich einem Dinar rutschen konnten. Doch mehr als Silber für Sammler bot sich dem Käufer nicht, was mir allerdings die Enttäuschung über den toten Basar erträglicher machte.

      Abends süffelten wir in gewohnter Runde heimlich heimliche Bestände. Wie Kinder, die geklaute Äpfel naschen, ließen wir uns kichernd die Drinks schmecken, die uns eine bevormundende Diktatur verweigern wollte. Gaddafi, du scheißt doch keinen Seemann an!

      Das Rufzeichen unseres Frachters war in der ‚Traffic-List‘ von Norddeichradio, die ich über den nicht versiegelten Empfänger abhören konnte. Es lag demnach entweder ein Telegramm oder eine Funkgesprächsanmeldung bei Norddeichradio. Wir standen vor einem echten Problem. Unsere Charter ging hier zu Ende und wir lauerten auf einen Anschlussjob, dessen Einzelheiten uns nun allem Anschein nach mitgeteilt werden sollten. Indes, die Funkstation war versiegelt, jegliche Benutzung ein Verbrechen gegen die Sicherheit der „Sozialistischen Libysch-Arabischen Volksöffentlichkeit“, ein Vabanquespiel mit der Chance, in grausigen Verließen zu enden.

      Aber, wir riskierten es! Der Chief und ich bastelten so lange an der Sendestation herum, bis wir sie trotz Versiegelung in Betrieb nehmen konnten. Einer stand Schmiere – falls sich plötzlich an der Pier Verdächtiges ereignen sollte – und dem Funkkontakt mit dem fernen Deutschland stand nichts mehr im Wege. Das Siegel war unverletzt geblieben: Jungfräulichkeit soll ja nicht immer ein Garant für Unberührtheit sein!

      Die neue Order besagte, dass wir erst mal Richtung Gibraltar dampfen, und auf weitere Anordnungen lauern sollten.

      Drei Tage später wussten wir weiter: Die "Marlene-S" war für eine Reise von Port Saint Louis du Rhône nach Mersin verchartert. Als wir am 20. Juni 1982, einem Sonntag, das kleine Nest an der Rhônemündung erreicht hatten, machte ich mit dem Chief eine Wanderung durch den sommerheißen Busch und das mückenschwirrende Marschland. Erinnerungen kamen hoch, denn vor etwa 22 Jahren war ich mit meinem Schulfreund Andreas im Faltboot den malerischen Fluss stromab bis ins Mittelmeer gepaddelt. In der Camargue hatten wir damals bei Strandzigeunerleben und Stierspielen unsere ersten jugendlichen Träume von Freiheit und Abenteuer verwirklichen können.

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      Wir sollten Röhren laden. Zum größten Teil zwei Tonnen schwere Stücke von 91 Zentimeter Durchmesser. Aber auch eine Reihe kleineren Durchmessers war darunter. Da es sich um eine Partie handelte, die vollzählig mitgenommen werden sollte, war der Erste Offizier dauernd mit Berechnungen beschäftigt. Da es geheißen hatte, es sei möglich, wollte er diesem theoretischen Diktat natürlich nachkommen. Zumal der Chartervertrag längst abgeschlossen worden war. Es war wieder einmal bezeichnend, wie Theorie und Praxis aufeinander stießen, wie die Männer an Bord bei der theoretischen Vorausberechnung erst gar nicht zu Rate gezogen wurden. Man hatte sie einfach vor vollendete Tatsachen gestellt.

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      Chief-Mate Schlüter, Chief Thiele und ich saßen am Abend des 22. Juni noch gemütlich bei einem Bierchen mit Kapitän Ruhnau zusammen, und wir ließen uns über ähnlich gelagerte Probleme aus. Schlüters spöttisches Fazit zu unserem Röhrenproblem: „Sobald diese verfluchten Dinger gestaut sind, lass ich mich schnellstens ablösen!“

      Am folgenden Tag waren die Räume vollgeladen. Nun musste der Rest an Deck untergebracht werden. Die südfranzösischen Schauerleute klotzten ran wie die Verrückten, so, als arbeiteten sie auf Akkordbasis. Schließlich türmten sich die 91-Zentimeter-Röhren sieben Lagen hoch auf der Luke. Achtern waren die Arbeiter bereits fertig. Das Laschen der Ladung war, laut Chartervertrag, Aufgabe der Schiffsbesatzung.

      Gegen halb zwölf Uhr nahm das Verhängnis seinen Lauf: Mit Donnergepolter brachen die trapezförmig übereinandergeschichteten Lagen zusammen. Uns erstarrte das Blut zu Eis. Das, was wir alle innerlich befürchtet hatten, war eingetreten. Ich rannte auf die Brücke und starrte auf die Katastrophe: Kreuz und quer lagen die Eisenröhren an der Pier, hatten sich zwischen Schiff und Kränen verkeilt und waren zum Teil weit über die Mole verstreut. Vor einer Viertelstunde noch hatte ich etwa zehn Mann auf den hochgetürmten Rohrlagen herumturnen sehen. Wo waren sie? Als ich mich über die Nock beugte, sah ich wie mehrere Männer einen Verletzten aus dem Wasser zwischen Pier und Schiff zogen. Unsere Crew war längst unten, ich überwand meinen Schrecken und rannte ebenfalls los, immer noch im Glauben, dass da mehr als zehn Menschen unter die Röhren gekommen sein mussten.

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      Doch an der Gangway wurde mir erklärt, dass die Schauerleute bereits vorne gearbeitet hatten als die Ladung achtern zusammengestürzt war. Der da unten an der Pier lag, mit grauenhaft abgewinkeltem, gebrochenem Bein, zerschlagen und Blut spuckend, war unser Erster, Schlüter!

      Beim Laschen der Ladung war es passiert. Als die Röhren ins Rutschen kamen, konnte sich einer unserer spanischen Matrosen von ganz oben durch einen Sprung aufs Winschendeck retten. Unten, im Gangbord, arbeitete Armando, ein portugiesischer Matrose, neben Chief-Mate Schlüter. Armando rief noch: „Runter! Runter!“, und duckte sich unter das Lukensüll. Der Erste aber sprang zur nahen Treppe, die vom Hauptdeck auf das Achterdeck führte. Er musste sich bereits in Sicherheit gefühlt haben, als er sich auf dem oberen Absatz umdrehte. Wahrscheinlich hatte er sehen wollen, was da eigentlich passierte. In diesem verhängnisvollen Augenblick rutschte eine Röhre schräg heraus, drückte unseren Steuermann über das Treppengeländer und schleuderte ihn zwischen Pier und Schiff in die ölige Hafenbrühe. Ein Hafenarbeiter sprang spontan ins Wasser und erwischte den Ohnmächtigen noch rechtzeitig.

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      Der portugiesische Matrose kam aus dem tödlichen Röhrendurcheinander hervorgekrochen und brach in den Armen herbeieilender Kameraden zusammen: vom Schock gezeichnet – aber unversehrt!

      Unser Erster jedoch starb, wenige Minuten nach der Einlieferung ins Krankenhaus von Arles, an inneren Blutungen.

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