Demokratie? Ja, wo denn?. Anton Weiß
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Название: Demokratie? Ja, wo denn?

Автор: Anton Weiß

Издательство: Bookwire

Жанр: Социология

Серия:

isbn: 9783738051483

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СКАЧАТЬ einverstanden, aber nur, wenn einer bestimmen kann, wie etwas zu geschehen hat, kann das Ganze auch funktionieren. Vieles funktioniert also nur, wenn es nicht demokratisch zugeht.

      Von einem Betriebschef, einem Parteiführer, einem Staatslenker erwartet man eine starke Führungspersönlichkeit. Uns ist überhaupt nicht klar, dass das einschließt, dass dadurch das demokratische Element eingeschränkt wird, denn letztlich geht es ja darum, dass die Vorstellungen der jeweiligen führenden Persönlichkeit durch die anderen umgesetzt werden. Wie könnte ein Modeschöpfer seine Ideen umsetzen, wenn er nicht darauf dringt, dass die Kleider genauso gemacht werden, wie er sie entworfen hat?

      Wie kann ein Staatslenker ein Gemeinwesen leiten, wenn ihm zu seinen Entscheidungen die Zustimmung verweigert wird? In Deutschland hat der/die Bundeskanzler/in Richtlinienkompetenz; das ist sehr sinnvoll. Die Bereitschaft der Mitbeteiligten. ihre eigenen divergierenden Vorstellungen zurückzustellen, ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Handlungsfähigkeit der Demokratie - dies selbst aber ist kein Element der Demokratie und kann vom Demokratiegedanken her nicht gefordert werden.

      Dass Demokratie in vielen Bereichen nicht realisiert werden kann, wurde mir als Lehrer klar, wenn es um die Besprechung des Wandertages ging. In dem Moment, wo man versucht, wahre Demokratie zu verwirklichen, indem jeder das gleiche Recht hat, mitzubestimmen, wohin es am Wandertag gehen soll – in die Berge, an einen See, eine Radtour oder ein Museumsbesuch – ist ein gemeinsamer Wandertag nicht mehr möglich, nämlich dann, wenn keiner der Beteiligten bereit ist, nachzugeben. Die Fähigkeit, seine eigenen Interessen zurückzustellen, damit gemeinsames Tun möglich wird, ist eine dieser Voraussetzungen, die die Demokratie nicht bereitstellen kann. (s. Böckenförde)

      Beharrt jeder auf seiner Auffassung, weil ja jeder gleiches Recht hat, dann ist gemeinsames Tun nicht mehr möglich, dann scheitert Demokratie letztlich.

      Die Beanspruchung des gleichen Rechts scheint mir auch wesentlich der Grund dafür zu sein, dass heute Partnerschaft immer schwieriger wird. Wenn z. B. die beiden Partner bei der Erziehung der Kinder verschiedene Vorstellungen haben - der eine lässt großen Freiraum, während der andere auf Einhaltung von Ordnung und Disziplin drängt - muss es zum Konflikt kommen, wenn beide auf ihrer Einstellung beharren. Kompromissfähigkeit ist eine wesentliche Voraussetzung für das Funktionieren von Partnerschaft genauso wie für die Demokratie, eine Fähigkeit, die nicht im demokratischen Prinzip enthalten ist.

      Weil wir heute so erzogen werden, dass unser eigenes Wollen für uns im Mittelpunkt stehen darf, wird der konkrete Lebensvollzug immer schwieriger. Das zeigt sich auf vielen Gebieten, z. B. im Essverhalten. Es wird heute immer schwieriger, bei einer Einladung so zu kochen, dass es für alle richtig ist, denn der eine mag keine Tomaten, der andere keine Paprika, der dritte keine Zwiebel, für den vierten darf kein Knoblauch im Essen sein, der fünfte lebt vegetarisch und der sechste ist Veganer. Da wird gemeinsames Tun, um das es in der Gesellschaft geht, äußerst schwierig. So lächerlich dieses Beispiel erscheinen mag – mir zeigt es, wie schwierig, wenn nicht oft unmöglich, Zusammenleben ist, wenn jeder sein Besonders-sein-Wollen und damit seine Ichhaftigkeit kompromisslos lebt.

      Demokratie funktioniert nur, weil wir in vielen Bereichen unausgesprochen und uneingestanden damit einverstanden sind, dass es oft nicht demokratisch zugehen kann. Insofern ist Demokratie eine reine Idee, die sich in ihrer Konsequenz überhaupt nicht verwirklichen lässt, weder in der Partnerschaft noch im politischen und gesellschaftlichen Bereich.

      Ich halte das Mehrheitsprinzip in der Demokratie für äußerst fragwürdig. Es setzt voraus, dass jeder einzelne wahlberechtigte Bürger ausreichend und zutreffend informiert ist und verantwortlich für das Wohl des Ganzen seine Entscheidungen trifft. Beide Voraussetzungen sind Ideale, die der Realität ganz sicher nicht entsprechen. Schon eine ausreichende objektive Information ist äußerst schwierig, da jedes Medium tendenziös ist. Und die Entscheidungen, die jemand trifft, richten sich in erster Linie nach dem Wohl für einen selbst; nur ein moralisch äußerst hochstehender Mensch vermag seinen Blick auf das Ganze zu richten.

      Aber welch andere Kriterien sollten für Demokratie maßgebend sein? Ich sehe keine. Somit ist die Demokratie wohl die beste aller schlechten Regierungsformen. Aber durch ihre vielen Defizite ist sie in ihrem Bestand äußerst gefährdet.

      Der größte Hemmschuh in der Demokratie ist die Abhängigkeit von Wahlen. Da eine Partei vom Volk gewählt werden will, wird häufig nicht das gemacht, was auf lange Sicht notwendig ist, sondern es wird darauf geachtet, was den Wähler veranlassen soll, die Partei wieder zu wählen. Und das entspricht oft nicht den Erfordernissen eines in die Zukunft gerichteten Denkens. Das beste Beispiel dafür ist der Klimaschutz: Würde er absoluten Vorrang haben - ein Erfordernis für das Überleben der Menschheit -, dann würde das empfindliche Eingriffe in die nationale Gestaltung der Wirtschaft und Energieversorgung haben. Das wirtschaftliche Wachstum und Wohlergehen eines Volkes aber ist absolut wahlrelevant, weshalb alle Klimavereinbarungen bisher kaum umgesetzt werden.

      Demokratie enthält auch einen inneren Widerspruch: Ohne Macht kann Politik nicht betrieben werden. Macht aber ist ein Widerspruch zum Gleichheitsgedanken, denn Macht versucht sich und seine Interessen gegen den anderen durchzusetzen.

      Ich sehe die Demokratie nicht als die beste Idee für das Zusammenleben der Menschen. Es ist nur die beste aller schlechten Formen und es ist fraglich, ob sie auf Dauer Bestand hat.

      Die Voraussetzungen für das Funktionieren von Demokratie sehe ich nicht gegeben. Diese liegen in der Übernahme von Verantwortung für sich und das Ganze; es setzt die Fähigkeit voraus, zum Wohl des Ganzen freiwillig auf Rechte zu verzichten, letztlich auf seinen eigenen Vorteil. Nur so könnte Demokratie funktionieren. Das aber setzt einen Menschen voraus, den es noch nicht gibt.

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