Der Weg nach Afrika. Helmut Lauschke
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Название: Der Weg nach Afrika

Автор: Helmut Lauschke

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783753185613

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СКАЧАТЬ war an der unteren Normgrenze, die Zahl der weissen Blutkörperchen war über der oberen Normgrenze, und bei den Elektrolyten war das Kalium deutlich erhöht. Dr. Ferdinand bat Dr. Nestor, den schwarzen Kollegen, der den Wochenenddienst für die innere Medizin versah, die Narkose zu geben. Dann brachte er mit einer Schwester die Patientin auf der Trage zum Op-Haus, zog sich um und machte sich einen heissen Tee zur nächtlichen Erfrischung. Die Patientin lag auf den Op-Tisch, als Dr. Nestor eintraf, sich umzog, Dr. Ferdinand ihm das Problem schilderte, zum Op-Raum ging, die Spritzen zur Einleitung aufzog, Sauerstoff und Lachgas auf die nötigen Pegel an der Narkosemaschine einstellte, die Grösse der Maske mit dem Gesicht der Patientin abstimmte, den Tubus zurechtlegte und mit der Narkose begann, als sich Dr. Ferdinand die Hände wusch, die Schwester das grosse 'Set' auspackte und die chirurgischen Instrumente auf ihrem Tisch in die gewohnte Ordnung brachte.

      Dr. Ferdinand führte den langen Mittelschnitt mit Linksumschneidung des Nabels aus, durchtrennte die Faszienblätter der darunterliegenden Muskelschichten, eröffnete die Bauchhöhle und fand stark erweiterte Dünndarmschlingen vor, die umrahmt waren von einem schwarz verfärbten, toten Dickdarm, dem die Durchblutung abhanden gekommen war. Er entfernte den gesamten, übelriechenden Dickdarm und schloss die letzte Dünndarmschlinge an den Mastdarm an, deren Enden zweischichtig mit Nähten verbunden wurden. Es war eine grosse Operation. Die Schwester leistete hervorragende Arbeit, da sie nicht nur instrumentierte, sondern dem Operateur auch assistierte, was sie einfühlsam und äusserst geschickt tat. Der Eingriff wurde nach etwa zweieinhalb Stunden beendet, als die Patientin aus der Narkose erwachte und in den Aufwachraum gefahren wurde, wo ihr die Sauerstoffmaske aufgesetzt, der Blutdruck und Puls und die Urinausscheidung gemessen wurden. Es war drei Uhr morgens.

      Die beiden Doktoren nahmen einen Tee im kleinen Teeraum und sprachen über die kritische Situation, in der sich das Hospital befand. Sie sprachen über die törichten Allüren des Superintendenten, der die Dinge drehte und verdrehte und sich eines Dr. Hutman bediente, der als "Leutnant des Teufels" den Kollegen nachspionierte und sie anschwärzte. Sie waren bekümmert über den Druck, den das Militär nun auch im Hospital ausübe und die Posten des ärztlichen Direktors und des Superintendenten besetze, was die Arbeit am Patienten behindere. "Was für eine Verrücktheit, Patienten die ärztliche Behandlung vorzuenthalten, weil sie vielleicht etwas mit der Swapo zu tun haben könnten", klagte Dr. Nestor, "das ist schizophren und unethisch. Es ist doch bekannt, dass es die Bevölkerung ist, die die Besatzungsmacht ablehnt, so wie sie das diskriminierende Rassensystem der Weissen vollauf ablehnt. Wer sonst soll denn den lang ersehnten Wandel bringen, wenn es nicht die Swapo ist, die sich auf die UN-Resolution 435 beruft. Seit Jahren lehnen die Weissen die Umsetzung dieser Resolution ab. Sie lassen überhaupt nicht mit sich reden und führen sich als die Herrenmenschen auf, denen alles erlaubt ist, die sich das Recht herausnehmen, die Schwarzen als Arbeitssklaven auszubeuten und sie rechtlos zu halten. Dagegen lehnen sich die Schwarzen auf. Deshalb unterstützt die Bevölkerung den Kampf der Swapo für Freiheit und Unabhängigkeit, gegen die Bevormundung durch Pretoria."

      Dr. Ferdinand pflichtete ihm bei und sprach vom Buren-Faschismus, der südafrikanischen Variante des Faschismus. "Das kann nicht von langer Dauer sein, was sich die Weissen hier anmassen. Die letzte Phase ist erreicht, das sagen die Waffen, die immer dann kommen, wenn die Gegner sich nichts mehr zu sagen haben. Die Waffen sind das letzte Mittel, wo der Stärkere den Schwächeren erschlägt, mundtot macht. Waffen haben noch nie eine Lösung auf lange Dauer gebracht. Sie sind gemein und schimpflich und taugen für den Frieden nicht. Waffen töten den Menschen und mit ihm die menschliche Vernunft." Dr. Nestor stimmte dem zu, fragte jedoch, was die Swapo anders tun könne, als nun auch mit Waffen zu kämpfen, wenn die weissen Machthaber in Pretoria nicht mit sich reden liessen, wissend, dass sie seit Generationen Unrecht begehen und die Grundrechte des Menschen missachten. "Die Schwarzen haben lange genug gelitten. Sie nehmen es nicht mehr hin, dass sie sich nicht wehren dürfen, wenn ihnen mit dem weissen Stiefel ins Gesicht oder in den Bauch getreten wird."

      Dr. Nestor erzählte, wie er als Kind in Windhoek einer älteren, weissen Frau in einem Geschäft beim Tragen half, ihr die mit Nahrungsmitteln gefüllte Obstkiste abnahm, sie hinter ihr hertrug und am Ausgang versehentlich mit der Kiste eine weisse Frau berührte, die beim Eintreten nicht warten wollte, dass der Schwarze mit der vollen Kiste in der Hand in der Tür zurücktrat, um der weissen Frau den Vortritt zu lassen. Die weisse Frau versetzte ihm eine Ohrfeige so kräftig, dass er mitsamt der Kiste auf die Strasse fiel, und die Frau, die nun im Eingang stand, den am Boden liegenden Jungen, der einer anderen weissen Frau nur helfen wollte, laut beschimpfte, dass er sich unterstehen solle, eine weisse Frau zu berühren. Die ältere, ebenfalls weisse Frau, der er tragen half, kam von ihrem Auto zurück, dessen Tür sie schon geöffnet hatte, und half ihm auf die Beine, wobei sie sah, dass der schwarze Junge an der Schläfe verletzt war. Die ältere Frau und er sammelten die verstreuten Dinge des Gekauften von der Strasse in die Obstkiste zurück, und er brachte die Kiste zum Auto, wo er sie auf dem Rücksitz abstellte. Die ältere Frau tupfte ihm mit einem frischen Tuch das Blut von der linken Schläfe und gab ihm ein Geldstück für seine Hilfe und als Schmerzensgeld. "Da habe ich am eigenen Leibe erfahren, wie eine weisse Frau mit einem schwarzen Kind umgeht, ohne dass ich mir einer Schuld bewusst war. Von da an hatte ich Angst vor weissen Menschen, weil sie ihre Hautfarbe höher ansetzen als die Not eines schwarzen Kindes."

      Es war eine traurige Geschichte für Dr. Ferdinand nach dem, was er hier im Umgang der Menschen gesehen hatte, wo das Schlagen dazu gehörte, wenn die Hautfarbe schwarz war. Dr. Nestor stotterte, wenn er in Aufregung geriet und zu einem Weissen sprach. Dieses Stottern konnte durchaus mit diesem Kindheitserlebnis zusammenhängen. Dr. Ferdinand fragte ihn, warum Kinder anfingen zu schreien und nach der Hand der Mutter griffen, wenn sie ihn kommen sahen. Das machte ihn jedesmal traurig. Dr. Nestor erklärte es ihm, dass das mit dem zu tun hatte, was die Weissen den schwarzen Familien angetan haben. Die Kinder hatten es gesehen, wie ihre Väter und Mütter beschimpft, entehrt, geschlagen und abtransportiert wurden. Von da an hatten schwarze Kinder Angst vor weissen Männern, weil Kinder von solchen Männern nichts Gutes erwarteten. "Kinder müssen es erst sehen, wer da anders als der andere ist. Dann lernen sie das Unterscheiden. Doch bislang hatten sie wenig Grund dazu anzunehmen, dass weisse Menschen ein Herz für schwarze Kinder haben."

      Sie warfen die durchschwitzte Op-Kleidung in den Wäschesack, zogen das Zivile an und wünschten sich gegen vier Uhr morgens eine gute Nacht. Dr. Ferdinand ging zum 'Outpatient department' zurück und vergewisserte sich dort an den eingenickten Schwestern, deren Köpfe auf übereinandergelegten Unterarmen über dem Thekentisch ruhten, dass es still war. So trat er den Rückweg an, nahm vor dem Ausgang die Sandalen von den Füssen in die Hand und stapfte wie ein Storch durch Pfützen und Matsch und hielt sich in Strassenmitte, wobei er in die grossen Pfützen trat, in die er auf dem Herweg schon getreten war. Er passierte den Kontrollpunkt am Dorfeingang, wo einer der Wachhabenden schläfrig den Kopf hob und ihm das Zeichen zum Weitergehen gab, während der andere auf einem Stuhl sass, dem der schnarchende Kopf über der Brust hing.

      Dr. Ferdinand schloss die Tür der Wohnstelle auf, streifte die nassen, matschverspritzten Klamotten auf der Veranda ab und stieg unter die Brause, die er weit aufdrehte, um sich beim Säubern auch zu erfrischen, denn an einen Schlaf war um diese Zeit nicht mehr zu denken. Er zog sich die Unterhose an, machte sich einen Kaffee und ass zwei Scheiben Brot von der geschmacklosen Pappigkeit, die er mit Margarine bestrich. Er setzte sich an den Tisch, der in den Garten oder auf die Veranda gehörte, und schrieb den Brief nach Deutschland zu Ende. Dem Brief fügte er seine Erlebnisse des noch nicht überstandenen Wochenendes bei, indem er Kristofina erwähnte, die vom Blitz geschlagen wurde, der ihr rechtes Schienbein verkohlte und ihr nach fünf Stunden das Leben genommen hatte. Er schrieb vom abgemagerten Mädchen, dem er elf Steine aus dem Magen holte, und von der Frau aus Oshikuku mit dem schwarz verfärbten, toten Dickdarm. Er berichtete vom Gespräch mit Dr. Nestor und seinem Kindheitserlebnis, als ihm eine weisse Frau ins Gesicht schlug, weil er beim Tragenhelfen für eine ältere weisse Frau mit der vollen Kiste in der Tür eine weisse Frau berührte und nicht respektvoll zurückgetreten war, wie sich das für Schwarze gehört. Er beschrieb seine Gänge durch die stockfinstere Nacht, durch Pfützen und Matsch zum Hospital und zurück, wie er die Strassenmitte СКАЧАТЬ