Der Weg nach Afrika. Helmut Lauschke
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Название: Der Weg nach Afrika

Автор: Helmut Lauschke

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783753185613

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СКАЧАТЬ gab. Dr. Ferdinand begleitete die Mutter zur Kinderstation. Sie folgten schweigend dem operierten Mädchen auf der Trage, jeder mit den eigenen Gedanken, wie es zum Steineschlucken kommen konnte. In der Station hob er das Mädchen ins Bett und schrieb seine Notizen zur weiteren Behandlung ins Krankenblatt.

      Dann ging er noch einmal zum 'Outpatient department' zurück, wo keine weiteren Patienten auf ihn warteten. Er trat den 'Heim'-weg an, nahm die Sandalen hinter der Ausgangstür wieder in die Hand und stapfte durch den Matsch des Vorplatzes und der Strasse. Ein kräftiger Regen setzte ein, als er den Kontrollpunkt am Dorfeingang noch nicht erreicht hatte. Er war klitschnass, als er ihn erreichte und auf der Strassenmitte die runtergelassene Sperrschranke leicht anhob, darunter durchging und die Schranke in die Kerbe zurücklegte, während die beiden Wachsoldaten sich unter das Blechdach des Kontrollhäuschens gestellt hatten, um dem Wasserguss, der im Nu bis auf die Haut ging, zu entgehen. Ein vorbeifahrender 'Casspir' spritzte ihm den Matsch trotz langsamen Fahrens ins Gesicht, dass der Sand an den Augen und Ohren rieb.

      In der überdachten Veranda der Wohnstelle zog er die verdreckte Kleidung vom Körper und stand nackt vor dem Mückengitter, als der Abend die Nacktheit ins Dämmrige gesteckt hat. Er ging hinein und stellte sich unter die Brause, zog sich dann bloss die Unterhose an, schnitt in der Küche zwei Scheiben vom Graubrot, das dem Namen 'Brot' wegen seiner geschmacklosen Pappigkeit keine Ehre machte, bestrich die Scheiben mit Margarine und ass sie mit Appetit. Mehr gab der kleinformatige Eisschrank nicht her, und er hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen. Dazu trank er den kalten Kaffee vom Morgen, der die Tasse noch dreiviertel füllte. Er hielt die Tagesmahlzeit im Wohnzimmer ab und schaute in den giessenden Regen über dem Platz mit den wenigen Bäumen, hörte lachende Männer- und kichernde Frauenstimmen aus dem nahen Gegenüber des beleuchteten Gästehauses, das sich seit einigen Monaten den Vornamen 'International' zugelegt hatte.

      Dr. Ferdinand sass noch eine Weile in der Unterhose im Sessel mit dem Blick in den regnerischen Abend und machte sich seine Gedanken beim Rauchen der Zigarette dazu. Dann knipste er das Licht an, setzte sich an den kleinen Tisch, der eigentlich in den Garten oder auf die Veranda gehörte, schrieb einen Brief nach Deutschland, weil er an Menschen in Deutschland dachte, mit denen sein Herz verbunden war. Der Brief wurde an diesem Abend nicht beendet, da Dr. Ferdinand ihn zur Seite legte und auf einem neuen Blatt einen Brief in Gedichtsform an sich selber schrieb, in dem er die Einsamkeit in der Fremde schildert, von der anderen Sprache und den anderen Menschen berichtet und dabei Dinge erwähnt, die er zum Leben brauchte, aber in der gottverlassenen Gegend nicht finden kann. Er schrieb noch ein zweites Gedicht über die Liebe, ohne die das Leben leer ist, über seine Gedanken, die er mit den Zigaretten verraucht.

      Es war spät, Musik gab es nicht, da er weder Radio noch Plattenspieler hatte. So legte er sich aufs Bett, ohne sich zuzudecken, und hörte den trommelnden Aufschlag des Regens auf das Blechdach an. Dr. Ferdinand verfiel in den Traum, wo es Steine vom Himmel regnete, die so hart aufs Dach schlugen, dass er unters Bett kroch, weil er sich nicht anders zu schützen wusste. Er hielt mit beiden Händen die Ohren zu, als mit einem ohrenbetäubenden Knall ein riesiger Gesteinsbrocken das Dach durchschlug und ihn zerquetschte. Er sah Kristofina auf der Brücke, wie sie sich umdrehte und ihn beim Namen rief, ihm Mut zusprach, ihr zu folgen, dass sie ihre Hand weit zurückstreckte, um seine Hand zu fassen und ihm beim Überqueren der Todesschlucht behilflich zu sein. Dabei sagte sie, als sie auf der Brücke auf ihn wartete, dass der Blitz ihr nichts mehr anhaben kann, und der Regen vorüber sei.

      Kristofina konnte ihren Dank für das Lesen der Psalme, die ihr geholfen hatten, nicht fertig sprechen, da sie durch das Telefon getrennt wurden, das schon einige Male geläutet haben musste, als er den Hörer abnahm, und die Schwester ihn fragte, ob mit dem Telefon etwas nicht in Ordnung sei. In der Tat hatte der Regen aufgehört, als Dr. Ferdinand sich bei der Schwester für das verspätete Abnehmen des Hörers entschuldigte und ihr erklärte, dass er eingeschlafen war, ohne den schicksalsschweren Traum zwischen Leben und Tod und die Begegnung mit Kristofina auf der letzten Brücke zu erwähnen. Er versuchte ganz wach zu sein, als ihm die Schwester sagte, dass er zum Hospital kommen möge, um sich eine Patientin anzusehen, die von Oshikuku gebracht wurde und sich vor Bauchschmerzen krümmte. Er legte den Hörer nachdenklich zurück, sah ins Lampenlicht, das er brennen liess, sah auf dem Tisch den nicht beendeten Brief nach Deutschland, nahm die Blätter mit den zwei Gedichten in die Hand und las sie, spürte beim Lesen, dass er viel mehr hätte sagen wollen, als ihm klar wurde, dass der geträumte Steinregen mit den Steinen im Zusammenhang stand, die er dem abgemagerten Mädchen aus dem Magen geholt hatte. Der ohrenbetäubende Knall, als der riesige Gesteinsbrocken das Dach durchschlug und ihn im Traum unter dem Bett zerquetschte, der entsprach dem gewaltigen Donnerschlag der vergangenen Nacht mit den grollenden Nachschlägen, als Kristofina vom Blitz getroffen wurde.

      Es war Mitternacht, als Dr. Ferdinand Hemd und kurze Hose gegen das Mückengitter der Veranda schlug, mit der Hand den Sand von ihnen rieb, die noch nicht trockenen Klamotten überzog und sich auf den Weg zum Hospital machte. Auch diesmal hielt er die Sandalen in der Hand, und der Weg durch die stocksteife Finsternis war nicht weniger beschwerlich als die Nacht zuvor. Wieder suchte er sich den Weg auf der Strassenmitte, wenni er sich einige Male in Nähe des Seitengrabens wähnte, stapfte durch tiefen Matsch und tiefe Pfützen. Die heftigen Regengüsse hatten die tiefen Strassenschichten aufgeweicht. Er passierte den Kontrollpunkt am Dorfausgang mit der schlechten Beleuchtung einer zu hoch angebrachten Birne der zu niedrigen Wattzahl. Die Wachsoldaten erinnerten sich, dass er die vergangene Nacht auch hier und barfuss in beiden Richtungen vorbeigegangen war und liessen ihn passieren. Als Dr. Ferdinand ihnen in seiner makaberen Erscheinung mit den Matschflecken an Hemd und Hose und den Sandalen in der Hand sagte, dass er Doktor sei und im Hospital benötigt wurde, wollten sie ihn auslachen, als sei es ein schlechter Mitternachtswitz. Sie taten es nicht und drückten ihre Verwunderung darüber aus, dass ein Arzt diesen Weg durch den tiefen Matsch in stockfinsterer Nacht barfuss und allein machte. Sie fragten ihn, warum er dann nicht mit einem Fahrzeug geholt würde. Da sagte Dr. Ferdinand zwei Drittel der Fahrzeugwahrheit, als er die beiden Fahrzeuge des Hospitals erwähnte, die in einem miserablen Zustand seien und für den Arzttransport nicht zur Verfügung ständen, selbst wenn er nachts gerufen würde. Das letzte Drittel dieser Wahrheit nannte er nicht, dass nämlich das dritte Fahrzeug, ein neuer Ford-Kombi, das dem Major-Superintendent von der Administration zur Verfügung gestellt wurde, sich dieser Superintendent für seinen persönlichen Gebrauch reserviert hatte, und nun dort stand, wo der Major, der für das Hospital nicht viel übrig hatte, einer ungestörten Nachtruhe entgegenschlief.

      Die Wachhabenden wollten es nicht glauben und hatten so etwas wie Mitleid mit dem mitternächtlichen, vermatschten Barfussgänger. Sie machten ein bedauerliches Gesicht, dem der Zweifel aufsass, als wären sie mit dieser Art der Arztbehandlung nicht einverstanden. Sie hoben die Schranke und wünschten dem Barfussgänger eine gute Nacht. Der setzte seinen Weg zum Hospital fort und achtete darauf, die Strassenmitte einzuhalten. Wie die Nacht zuvor wusch sich Dr. Ferdinand den Matsch von seinen Beinen draussen vor der Eingangstür neben der Rezeption, zog sich die Sandalen über die nassen Füsse und ging ins 'Outpatient department' hinein, um sich die Patientin anzusehen, die von Oshikuku gebracht wurde, dem katholischen Missionshospital, das 1924 von dem nicht dreissigjährigen Bruder Hermann Bücking begründet wurde. Es war eine ältere Frau, die ihr genaues Alter nicht angeben konnte, was viele ältere Patienten bezüglich der Altersjahre nicht konnten. Die Schwestern schätzten das Alter der Patientin auf etwa fünfzig Jahre. Ihr Bauch war aufgetrieben und beim Abtasten sehr schmerzhaft. Die Darmgeräusche, die mit dem Stethoskop abgefangen wurden, gurgelten und plätscherten um den Nabel herum, zu den Seiten war es still. Es wurde Blut aus der Armvene entnommen, um die Konzentration des roten Blutfarbstoffs, die Zahl der weissen Blutkörperchen und die Elektrolyte zu bestimmen. Ein Röntgenbild des Bauches konnte nicht gemacht werden, da es der Apparat aus unerfindlichen Gründen nicht tat. Dr. Ferdinand musste sich auf die körperliche Untersuchung verlassen und stellte die Diagnose eines Darmverschlusses im unteren Dünndarmbereich durch eine Darmverschlingung oder Darmeinstülpung (Invagination oder Intususzeption).

      Die Operation war unumgänglich. Die Schwester übersetzte es in die Sprache der Ovambos, und die Patientin war mit der СКАЧАТЬ