Skizzen aus dem Londoner Alltag. Charles Dickens
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Читать онлайн книгу Skizzen aus dem Londoner Alltag - Charles Dickens страница 32

Название: Skizzen aus dem Londoner Alltag

Автор: Charles Dickens

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783742769909

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СКАЧАТЬ was vorgegangen war, wieder erzählen, – und Ma' bot der Gouvernante in ihrer Freigebigkeit ihr Riechfläschchen an. Die Gouvernante, schon damit zufrieden, daß man nur Notiz von ihr genommen, zog sich wieder mit verklärtem Gesicht hinter ihren Pfeiler zurück, und die ganze Gesellschaft schien äußerst glücklich zu sein, mit einziger Ausnahme des Vortrefflichsten, der im Hintergrunde der Loge stand. Zu erhaben, sich um die Kinder zu bekümmern, und zu bedeutend, als daß sich Jemand um ihn bekümmert hätte, beschäftigte er sich damit, von Zeit zu Zeit an dem Orte, wo der Bart sein sollte, zu reiben, und stand in seinem Glanz völlig allein.

      Wir fordern einen Jeden auf, der zwei- oder dreimal bei Astley's gewesen und demnach im Stande ist, die Beharrlichkeit zu würdigen, mit der genau dieselben Scherze, Abend für Abend und Saison für Saison, wiederholt werden, ob er nicht wenigstens durch einen Theil der Darstellungen unterhalten worden – nämlich durch die Scenen im Cirkus.

      Wir unserer Seits gestehen gerne, daß wir, wenn der Kronleuchter mit seinen Gasstrahlen herabgelassen und der Vorhang aufgezogen ist, damit die außerhalb des Kreises Sitzenden um den halben Preis auch etwas sehen, und wenn die Orangenschalen aufgelesen und die Sägespähne mit mathematischer Genauigkeit in einen vollkommenen Zirkel ausgebreitet sind, uns in dieselbe heitere Stimmung versetzt fühlen, wie das jüngste Kind, und stimmen gewiß mit in das Lachen ein, das auf des Bajazzo's gellendes Geschrei »da bin ich!« folgt, wäre es auch nur um der alten Bekanntschaft willen. Wir können uns sogar unseres früheren Gefühls von Ehrfurcht gegen den Stallmeister nicht ganz erwehren, der dem Bajazzo mit einer langen Peitsche folgt, und mit würdevoller Grazie vor den Zuschauern seine Verbeugung macht. Hier ist aber von keinem unserer untergeordneten Stallmeister in Nankinröcken mit braunen Borten die Rede, sondern von dem wirklichen Stallmeister, der die ersten Reiter während ihrer Produktionen zu Fuß begleitet, stets eine auf der Brust mit einem Tischtuche wattirte Militärsuniform trägt und in diesem Costüme unwillkürlich an einen zum Braten hergerichteten Vogel erinnert. Er ist – aber warum wollten wir etwas beschreiben, von dem keine Feder auch nur eine annähernde Idee geben kann? Jedermann kennt ihn, und Jedermann erinnert sich seiner blank gewichsten Stiefeln, seines graziösen Wesens (einige Uebelwollende sind so bösartig, es steif zu nennen), des herrlichen Kopfes mit den schwarzen über der Stirne hoch gescheitelten Haaren und des Antlitzes mit der Miene tiefsten Denkens und poetischer Schwermuth. Dazu steht seine sanfte, angenehme Stimme im vollkommenen Einklange mit seinem noblen Benehmen, wenn er sich mit dem Bajazzo abgibt, und sich herabläßt, seinen Scherz mit ihm zu treiben; und die Art, wie er sich plötzlich im wiedererwachten Gefühl seiner Würde zusammennimmt und ausruft: »Nun, Monsieur Bajazzo, ist es Ihnen gefällig sich zu erkundigen, ob Miß Woolford bald kommt?« wird Jedermann ewig unvergeßlich sein. Der edle Anstand, mit dem er dann Miß Woolford in den Cirkus einführt, und wenn er ihr in den Sattel geholfen, ihrem fee'nhaften Renner rings im Kreise folgt, kann und wird gewiß nie verfehlen, einen tiefen Eindruck in dem Busen jedes anwesenden Dienstmädchens zu hinterlassen.

      Wenn nun Miß Woolford und das Pferd und das Orchester, alle mit einander Athem schöpfen, so läßt er sich zu einem Dialog mit dem Bajazzo herab, ungefähr wie folgt: – (Bajazzo fängt an) »Herr Patron!« – »Nun, Monsieur Bajazzo?« (stets mit größter Höflichkeit) – »Wissen Sie wohl auch, daß ich in der Armee gedient habe, Herr Patron?« – »Nein, Monsieur Bajazzo.« – »Freilich hab' ich das, Herr Patron; ich kann auch exerciren.« – »Wirklich, Monsieur Bajazzo?« – »Soll ich es Ihnen etwa vormachen, Herr Patron?« – »Wenn Sie Lust dazu haben, Monsieur Bajazzo; lustig, – machen Sie!« (ein Hieb mit der langen Peitsche, und ein »da bedanke ich mich! – das ist nicht meine Liebhaberei!« von Seite des Hanswurstes.)

      Nun wirft er sich auf den Boden und macht eine Menge gymnastischer Wendungen, krümmt sich ganz zusammen und wickelt sich wieder auf, macht schreckliche Grimassen, wie einer, der die fürchterlichsten Schmerzen hat, alles zum lauten Ergötzen der Gallerie, bis er durch einen abermaligen Hieb mit der langen Peitsche unterbrochen wird und den Auftrag erhält, nachzusehen »was Miß Woolford wünsche?« Jetzt schreit er zur unaussprechlichen Freude der Gallerie: »Nu, Miß Woolford, nach was darf ich gehen? was darf ich holen? was darf ich bringen? was darf ich suchen? was darf ich tragen, Ma'am?« Auf die mit bezauberndem Lächeln ausgesprochene Bitte der Dame, daß sie die beiden Fahnen wünsche, holt und überreicht er diese unter allerlei Grimassen; und wenn diese Ceremonie beendigt ist, bemerkte der Bajazzo witzig: – »he, he! o Herr Patron, Miß Woolford kennt mich; sie hat mich angelacht.« Abermals ein Hieb mit der Peitsche – das Orchester bricht auf einmal los – das Pferd bäumt sich, und Miß Woolford beginnt wieder ihren Rundritt mit aller Grazie – zum Entzücken sämmtlicher Zuschauer, jung und alt. Bei der nächsten Pause gibt es wieder Gelegenheit zu ähnlichen Witzen, wozu blos noch die weitere Posse kommt, daß, so oft Bajazzo gegen den Stallmeister drollige Grimassen macht, er ihm jedesmal den Rücken zuwendet; und wenn er endlich den Cirkus verläßt, springt er über seinen Kopf weg, nachdem er vorher seine Aufmerksamkeit anders wohin zu richten gewußt hat.

      Hat einer unserer Leser wohl je die Classe von Leuten bemerkt, welche sich den Tag über unter den Thüren unserer kleinen Theater aufhalten? Selten wird man vorübergehen, ohne eine Gruppe von drei bis vier Menschen, die sich auf der Straße mit unbeschreiblicher Aufgeblasenheit, wie man sie kaum in den Gesellschaftszimmern der Gasthäuser trifft, und mit der wegwerfenden Miene des Bewußtseins ihrer Wichtigkeit, welche Leuten dieser Gattung so eigenthümlich ist, unterhalten. Sie scheinen stets zu glauben, sie seien auf der Bühne; sie sehen immer die Lampen vor sich. Jener junge Bursch in dem abgetragenen braunen Rocke und den ungeheuer weiten hellgrünen Beinkleidern trägt die Manschetten seines blau gestreiften Hemdes so prahlerisch zur Schau, als ob sie vom feinsten Linnen wären, und stülpt den weißen Hut vom vorletzten Sommer so zuversichtlich über das rechte Auge, als wenn er ihn erst gestern gekauft hätte. Man betrachte die schmutzigen weißen Berliner Handschuhe und das ärmliche seidene Taschentuch, das aus dem Busen seines knappen Rockes hervorsieht. Kann man ihn auch nur einen Augenblick ansehen, ohne zu der Ueberzeugung zu gelangen, daß er derselbe herumwandernde Gentleman ist, der eine halbe Stunde lang einen blauen Oberrock, eine weiße Halsbinde und Beinkleider trägt, um dann wieder in seine abgetragenen dürftigen Kleider zu kriechen; der Abend für Abend von seinem großen Reichthum spricht – mit dem peinlichen Bewußtsein, daß er wöchentlich nur ein Pfund zu verzehren und seine Stiefel selbst zu putzen hat; der von seines Vaters Landhaus prahlt, mit der trübseligen Erinnerung an sein eigenes Hinterstübchen im New-Cut; und der als der begünstigte Liebhaber einer reichen Erbin flattirt und beneidet wird, während er sich erinnern muß, daß der Ex-Tänzer von der Familie erhalten werden muß und nun außer Engagement ist?

      Neben ihm wird man vielleicht einen schmächtigen blassen Mann mit langem hageren Angesichte in fadenscheinigen schwarzen Kleidern erblicken, der in Nachdenken versunken mit einem Eschenstocke auf den Theil seines Stiefels klopft, wo sich einst der Absatz befand. Er hat die schwierige Aufgabe, prosaische Väter, tugendhafte Bediente, Pfarrer, Wirthe u. dgl. darzustellen.

      Da wir gerade von Vätern reden, so möchten wir wohl den Wunsch aussprechen, einmal ein Stück zu sehen, in dem alle Personen Waisen wären. Die Väter sind immer große Hindernisse auf der Bühne und stets muß sich der Held oder die Heldin, wenn der Vorhang in die Höhe gegangen, in weitläufige Erörterungen über das einlassen, was vorgegangen ist, ehe der Vorhang aufgeht. Gewöhnlich fängt dieß so an:

      »Es sind nun neunzehn Jahre, mein theures Kind, seit dich deine geliebte Mutter (hier wankt des alten Schelms Stimme) meiner Pflege anvertraut hat. Du warst damals noch ein Säugling« etc. etc. Oder haben sie – doch stets plötzlich – die Entdeckung zu machen, daß Jemand, mit dem sie während drei Akten in genauer Verbindung gestanden sind, ohne daß sie vorher die geringste Ahnung davon gehabt hätten, ihr eigenes Kind ist, in welchem Falle sie dann ausrufen: »Ha! Was sehe ich! Dieses Armband! Dieses Lächeln! Diese Papiere! Diese Augen! Darf ich meinen Sinnen trauen? Es muß es sein! – Ja – es ist's – es ist's – mein Kind!« – »Mein Vater!« ruft das Kind aus; dann fallen sie sich in die Arme, sehen einander über die Schultern, und das Haus zittert von drei Beifallsstürmen.

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