Название: Die Kameliendame
Автор: Alexandre Dumas
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783754179253
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»Ich muß Ihnen sehr lächerlich erscheinen«, fügte er rasch hinzu, »entschuldigen Sie, bitte, und glauben Sie mir, ich werde niemals vergessen, mit wieviel Geduld Sie mich anhören.«
»Wenn der Dienst, den ich Ihnen offenbar erweisen kann«, erwiderte ich, »dazu beiträgt, Ihren Kummer auch nur ein wenig zu mildern, so sagen Sie mir rasch, wie dies geschehen kann, und ich werde mich glücklich schätzen, Ihnen behilflich zu sein.«
Der Schmerz Herrn Duvals weckte meine Sympathie, gern hätte ich ihm etwas Erleichterung verschafft. Darauf sagte er zu mir:
»Sie haben auf der Auktion bei Marguerite etwas gekauft?« »Ja, ein Buch.« »Manon Lescaut?« »Genau das.«
»Haben Sie das Buch noch?« »Es ist in meinem Schlafzimmer.« Armand Duval schien durch diese Nachricht um vieles erleichtert zu sein. Er dankte mir, als hätte ich ihm schon durch den Kauf des Buches einen Dienst erwiesen. Ich erhob mich sogleich, holte das Buch aus meinem Schlafzimmer und gab es ihm.
»Ja, das ist es«, sagte er, als er die Widmung auf der ersten Seite sah, und, weiterblätternd: »Ja, das ist es.« Zwei große Tränen fielen auf die Seiten.
Dann versuchte er nicht mehr, sein Weinen vor mir zu verbergen. Er hob sein tränenüberströmtes Antlitz und fragte mich:
»Liegt Ihnen an diesem Buch sehr viel?«
»Warum?«
»Weil ich Sie bitten möchte, es mir zu überlassen.« «Verzeihen Sie meine Neugier«, sagte ich, »aber: haben Sie es Marguerite geschenkt?« »Ja, ich.«
»Das Buch gehört Ihnen, nehmen Sie es, ich bin glücklich, es in Ihre Hände zurückgeben zu können.« »Aber«, fuhr Herr Duval verlegen fort, »das Geringste, was ich tun kann, ist, Ihnen das Geld zu erstatten, das Sie dafür bezahlt haben.«
»Erlauben Sie mir, es Ihnen zu schenken. Der Preis eines einzelnen Buches bei einer derartigen Versteigerung ist eine Bagatelle. Ich erinnere mich nicht mehr, wieviel ich dafür bezahlt habe.« »Sie haben hundert Francs bezahlt.«
»Das stimmt«, sagte ich, nun meinerseits verlegen. »Woher wissen Sie das?«
»Das ist sehr einfach. Ich hoffte, noch rechtzeitig zur Versteigerung in Paris zu sein, aber ich bin erst heute morgen eingetroffen. Ich wollte um jeden Preis eine Erinnerung an sie haben. Ich eilte zum Auktionator und erbat Einsicht in die Listen der versteigerten Gegenstände und der Namen der Käufer. Ich stellte fest, daß Sie dieses Buch gekauft haben, und entschloß mich, Sie zu bitten, es mir zu überlassen. Ich glaube aber beinahe, auch Sie wollen es zur Erinnerung an Marguerite, weil Sie es für einen so hohen Preis erworben haben.« Als er dies sagte, schien mir, Armand befürchte, ich könne mit Marguerite so gut bekannt gewesen sein wie er. Ich beeilte mich, ihn zu beruhigen.
»Ich kannte Fräulein Gautier nur vom Sehen. Ihr Tod beeindruckte mich, wie eben ein junger Mann durch den Tod einer schönen Frau, der er gerne begegnet ist, beeindruckt wird. Ich wollte auf der Versteigerung etwas erwerben und hatte mir dieses Buch in den Kopf gesetzt. Vielleicht nur deshalb, um einen Herrn in Eifer zu bringen, der es darauf abgesehen hatte und es mir anscheinend nicht gönnte. Ich wiederhole, das Buch gehört Ihnen, und ich bitte Sie, es anzunehmen. Aber ich möchte nicht, daß Sie es in der Form von mir in Empfang nehmen, wie ich es beim Auktionator erwarb, vielmehr möge es der Anlaß einer Freundschaft sein und engere, persönlichere Bande zwischen uns knüpfen.« »Gut«, sagte Armand und drückte mir kräftig die Hand. »Ich nehme es an und werde Ihnen mein ganzes Leben dafür dankbar sein.«
Ich hatte gute Lust, Armand über Marguerite zu befragen, denn die Widmung des Buches, die Reise des jungen Mannes, sein Wunsch, dies Buch zu besitzen, all das vergrößerte meine Neugier. Aber ich wollte nicht den Eindruck erwecken, als habe ich das Geld deshalb nicht genommen, um mir das Recht zu erwerben, mich um die persönlichsten Angelegenheiten meines Besuchers zu kümmern.
Scheinbar erriet er meine Gedanken, denn er fragte mich:
»Sie haben das Buch gelesen?«
»Ja, von der ersten bis zur letzten Seite.«
»Und was haben Sie von den zwei Zeilen gedacht, die ich hineinschrieb?«
»Ich sah sogleich, wie wenig in Ihren Augen das arme Kind, dem Sie dies Buch schenkten, seinen Gefährtinnen glich. Für mich waren die zwei Zeilen mehr als nur ein banales Kompliment.« »Und mit Recht. Das Mädchen war ein Engel. Hier, lesen Sie diesen Brief.«
Er reichte mir ein Schriftstück, das er offenbar schon unzählige Male gelesen hatte. Ich entfaltete es; hier ist sein Inhalt:
»Mein lieber Armand, ich habe Ihren Brief erhalten, Sie schreiben mir so gütig wie früher, und dafür danke ich Gott. Ja, mein Freund, ich bin krank, ich habe ein Leiden, für das es keine Hilfe gibt. Aber die Anteilnahme, die Sie mir beweisen, hat meine Schmerzen um vieles gemildert. Ich werde wohl nicht mehr lange genug leben, um noch einmal beglückt die Hand drücken zu dürfen, die mir den gütigen Brief schrieb, den ich soeben erhielt, und dessen Worte mich heilen würden, wenn mich etwas heilen konnte. Ich werde Sie nicht wiedersehen, denn mein Ende ist nahe, und Hunderte von Meilen trennen uns. Armer Freund, Ihre Marguerite von einst ist sehr verändert. Vielleicht ist es besser, sie nicht wiederzusehen, so wie sie jetzt aussieht. Sie fragen mich, ob ich Ihnen verzeihe? Oh, von ganzem Herzen, mein Freund, denn der Kummer, den Sie mir bereiteten, war ja nur ein Beweis der Liebe, die Sie für mich empfanden. Seit einem Monat hüte ich schon das Bett und rechne so fest mit Ihrer Achtung, daß ich täglich mein Tagebuch führe, seitdem wir uns verlassen haben, bis zu dem Augenblick, an dem ich nicht mehr die Kraft haben werde zu schreiben.
Wenn Ihre Anteilnahme echt ist, Armand, dann gehen Sie nach Ihrer Rückkehr zu Julie Duprat. Sie wird Ihnen mein Tagebuch aushändigen. Sie werden darin die Ursache und die Entschuldigung für das finden, was zwischen uns vorgefallen ist. Julie ist gut zu mir. Wir sprechen oft von Ihnen. Sie war bei mir, als Ihr Brief ankam, und als wir ihn lasen, haben wir geweint. Sie war beauftragt, auch wenn ich keine Nachricht von Ihnen erhalten hätte, Ihnen die Aufzeichnungen zu übergeben, sobald Sie nach Frankreich zurückkehren. Sie brauchen mir nicht dafür zu danken. Die tägliche Erinnerung an die einzig glückliche Zeit meines Lebens bedeutet mir so viel! Wenn Sie in dem Tagebuch die Entschuldigung für Vergangenes finden, so bedeutet das für mich eine immer neue Erleichterung.
Ich würde Ihnen so gerne einige Kleinigkeiten hinterlassen, die mich immer wieder an Sie erinnern. Aber bei mir ist alles gepfändet, und mir gehört nichts mehr. Begreifen Sie, mein Freund? Ich werde sterben, und von meinem Schlafzimmer aus höre ich die Schritte des Wächters im Salon, den meine Gläubiger beauftragt haben aufzupassen, daß man nichts forttrage und damit mir nichts bleibe, für den Fall, daß ich nicht sterbe. Ich kann nur hoffen, daß man mit der Auktion bis nach meinem Tode wartet.
Oh, die Menschen sind mitleidslos! Oder vielmehr, Gott ist gerecht und unnachsichtig.
Nicht wahr, lieber Freund, Sie werden zu meiner Auktion kommen, und Sie werden das eine oder andere für sich kaufen. Denn wenn ich nur den kleinsten Gegenstand für Sie zur Seite legte, und man würde es bemerken, so wäre man imstande, Sie wegen Unterschlagung gepfändeter Sachen zu verklagen.
Es ist ein trauriges Leben, aus dem ich scheide! Möge Gott mir gnädig sein und mir erlauben, Sie, bevor ich sterbe, noch einmal zu sehen. Auf jeden Fall jedoch: Adieu, mein Freund. Verzeihen Sie, daß ich nicht länger schreibe. Aber die mich gesund machen wollen, rauben mir alle Kraft, weil sie mir so oft zur Ader lassen, und meine Hand verweigert weitere Dienste. Marguerite Gautier.«