Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Philosophie der Geschichte. Georg Wilhelm Friedrich Hegel
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      Der eigentümlich afrikanische Charakter ist darum schwer zu fassen, weil wir dabei ganz auf das Verzicht leisten müssen, was bei uns in jeder Vorstellung mitunter läuft, die Kategorie der Allgemeinheit.

       Bei den Negern ist nämlich das Charakteristische gerade, dass ihr Bewusstsein noch nicht zur Anschauung irgendeiner festen Objektivität gekommen ist, wie zum Beispiel Gott, Gesetz, bei welcher der Mensch mit seinem Willen wäre und darin die Anschauung seines Wesens hätte. Zu dieser Unterscheidung seiner als des Einzelnen und seiner wesentlichen Allgemeinheit ist der Afrikaner in seiner unterschiedslosen, gedrungenen Einheit noch nicht gekommen, wodurch das Wissen von einem absoluten Wesen, das ein anderes, höheres gegen das Selbst wäre, ganz fehlt. Der Neger stellt, wie schon gesagt worden ist, den natürlichen Menschen in seiner ganzen Wildheit und Unbändigkeit dar: Von aller Ehrfurcht und Sittlichkeit, von dem, was Gefühl heißt, muss man abstrahieren, wenn man ihn richtig auffassen will; es ist nichts an das Menschliche Anklingende in diesem Charakter zu finden. Die weitläufigen Berichte der Missionare bestätigen dieses vollkommen, und nur der Mohammedanismus scheint das einzige zu sein, was die Neger noch einigermaßen der Bildung annähert.

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       Die Mohammedaner verstehen es auch besser wie die Europäer, ins Innere des Landes einzudringen. Diese Stufe der Kultur lässt sich dann auch näher in der Religion erkennen. Das erste, was mir uns bei dieser vorstellen, ist das Bewusstsein des Menschen von einer höheren Macht, (wenn diese auch nur als Naturmacht gefasst wird,) gegen die der Mensch sich als ein Schwächeres, Niedrigeres stellt. Die Religion beginnt mit dem Bewusstsein, dass es etwas Höheres gebe als der Mensch. Die Neger aber hat schon Herodot Zauberer genannt; in der Zauberei liegt nun nicht die Vorstellung von einem Gott, von einem sittlichen Glauben, sondern sie stellt dar, dass der Mensch die höchste Macht ist, dass er sich allein befehlend gegen die Naturmacht verhält. Es ist also nicht von einer geistigen Verehrung Gottes noch von einem Reiche des Rechts die Rede. Gott donnert und wird nicht erkannt: Für den Geist des Menschen muss Gott mehr als ein Donnerer sein, bei den Negern aber ist dies nicht der Fall. Obgleich sie sich der Abhängigkeit vom Natürlichen bewusst sein müssen, denn sie bedürfen des Gewitters, des Regens, des Aufhörens der Regenzeit, so führt sie dieses doch nicht zum Bewusstsein eines Höheren; sie sind es, die den Elementen Befehle erteilen, und dies eben nennt man Zauberei. Die Könige haben eine Klasse von Ministern, durch welche sie die Naturveränderungen anbefehlen lassen, und jeder Ort besitzt auf eben diese Weise seine Zauberer, die besondere Zeremonien, mit allerhand Bewegungen, Tänzen, Lärm und Geschrei ausführen und inmitten dieser Betäubung ihre Anordnungen treffen.

       Das zweite Moment ihrer Religion ist alsdann, dass sie sich diese ihre Macht zur Anschauung bringen, sich äußerlich setzen und sich Bilder davon machen. Das, was sie sich als ihre Macht vorstellen, ist somit nichts Objektives, in sich Festes und von ihnen Verschiedenes, sondern ganz gleichgültig der erste beste Gegenstand, den sie zum Genius erheben, sei es ein Tier, ein Baum, ein Stein, ein Bild von Holz. Dies ist der Fetisch, ein Wort, welches die Portugiesen zuerst in Umlauf gebracht, und welches von feitizo, Zauberei, abstammt. Hier im Fetische scheint nun zwar die Selbständigkeit gegen die Willkür des Individuums aufzutreten, aber da eben diese Gegenständlichkeit nichts anderes ist als die zur Selbstanschauung sich bringende individuelle Willkür, so bleibt diese auch Meister ihres Bildes. Begegnet nämlich etwas Unangenehmes, was der Fetisch nicht abgewendet hat, bleibt der Regen aus, entsteht Misswuchs, so binden und prügeln sie ihn oder zerstören ihn und schaffen ihn ab, indem sie sich zugleich einen andern kreieren; sie haben ihn also in ihrer Gewalt. Es hat ein solcher Fetisch weder die religiöse Selbständigkeit, noch weniger die künstlerische; er bleibt lediglich ein Geschöpf, das die Willkür des Schaffenden ausdrückt, und das immer in seinen Händen verharrt. Kurz, es ist kein Verhältnis der Abhängigkeit in dieser Religion. Was aber auf etwas Höheres bei den Negern hinweist, ist der Totendienst, in welchem ihre verstorbenen Voreltern und ihre Vorfahren ihnen als eine Macht gegen die Lebendigen gelten. Sie haben dabei die Vorstellung, dass diese sich rächen und dem Menschen dieses oder jenes Unheil zufügen könnten, in eben dem Sinne, wie dies im Mittelalter von den Hexen geglaubt wurde; doch ist die Macht der Toten nicht über die der Lebendigen geachtet, denn die Neger befehlen ihren Toten und bezaubern sie.

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      (Siehe Band 152e in dieser gelben Buchreihe)

      Auf diese Weise bleibt das Substantielle immer in der Gewalt des Subjekts. Der Tod selbst ist den Negern kein allgemeines Naturgesetz; auch dieser, meinen sie, komme von übelgestimmten Zauberern her. Es liegt allerdings darin die Hoheit des Menschen über die Natur; ebenso, dass der zufällige Wille des Menschen höher steht als das Natürliche, dass er dieses als das Mittel ansieht, dem er nicht die Ehre antut, es nach seiner Weise zu behandeln, sondern dem er befiehlt. S. Hegels Vorlesungen über die Philosophie der Religion I, 284 u. 289. 2. Aufl. [1. Ausg.: ib. 1. Aufl. I, 226.]

       Daraus aber, dass der Mensch als das Höchste gesetzt ist, folgt, dass er keine Achtung vor sich selber hat, denn erst mit dem Bewusstsein eines höheren Wesens erlangt der Mensch einen Standpunkt, der ihm eine wahre Achtung gewährt. Denn wenn die Willkür das Absolute ist, die einzige feste Objektivität, die zur Anschauung kommt, so kann der Geist auf dieser Stufe von keiner Allgemeinheit wissen. Die Neger besitzen daher diese vollkommene Verachtung der Menschen, welche eigentlich nach der Seite des Rechts und der Sittlichkeit hin die Grundbestimmung bildet. Es ist auch kein Wissen von Unsterblichkeit der Seele vorhanden, obwohl Totengespenster vorkommen. Die Wertlosigkeit der Menschen geht ins Unglaubliche; die Tyrannei gilt für kein Unrecht, und es ist als etwas ganz Verbreitetes und Erlaubtes betrachtet, Menschenfleisch zu essen. Bei uns hält der Instinkt davon ab, wenn man überhaupt beim Menschen vom Instinkte sprechen kann. Aber bei dem Neger ist dies nicht der Fall, und den Menschen zu verzehren hängt mit dem afrikanischen Prinzip überhaupt zusammen; für den sinnlichen Neger ist das Menschenfleisch nur Sinnliches, Fleisch überhaupt. Bei dem Tode eines Königs werden wohl Hunderte geschlachtet und verzehrt; Gefangene werden gemordet und ihr Fleisch auf den Märkten verkauft; der Sieger frisst in der Regel das Herz des getöteten Feindes. Bei den Zaubereien geschieht es gar häufig, dass der Zauberer den ersten besten ermordet und ihn zum Fraße an die Menge verteilt. Etwas anderes Charakteristisches in der Betrachtung der Neger ist die Sklaverei. Die Neger werden von den Europäern in die Sklaverei geführt und nach Amerika hin verkauft. Trotzdem ist ihr Los im eignen Lande fast noch schlimmer, wo ebenso absolute Sklaverei vorhanden ist; denn es ist die Grundlage der Sklaverei überhaupt, dass der Mensch das Bewusstsein seiner Freiheit noch nicht hat und somit zu einer Sache, zu einem Wertlosen herabsinkt. Bei den Negern sind aber die sittlichen Empfindungen vollkommen schwach, oder besser gesagt, gar nicht vorhanden. Die Eltern verkaufen ihre Kinder und umgekehrt ebenso diese jene, je nachdem man einander habhaft werden kann. Durch das Durchgreifende der Sklaverei sind alle Bande sittlicher Achtung, die wir voreinander haben, geschwunden, und es fällt den Negern nicht ein, sich zuzumuten, was wir voneinander fordern dürfen. Die Polygamie der Neger hat häufig den Zweck, viel Kinder zu erzielen, die samt und sonders zu Sklaven verkauft werden könnten, und sehr oft hört man naive Klagen, wie z. B. die eines Negers in London, der darüber wehklagte, dass er nun ein ganz armer Mensch sei, weil er alle seine Verwandten bereits verkauft habe. In der Menschenverachtung der Neger ist es nicht sowohl die Verachtung des Todes als die Nichtachtung des Lebens, die das Charakteristische ausmacht. Dieser Nichtachtung des Lebens ist auch die große von ungeheurer Körperstärke unterstützte Tapferkeit der Neger zuzuschreiben, die sich zu Tausenden niederschießen lassen im Kriege gegen die Europäer. Das Leben hat nämlich nur da einen Wert, wo es ein Würdiges zu seinem Zwecke hat.

       Gehen wir nun zu den Grundzügen der Verfassung über, so geht eigentlich aus der Natur des Ganzen hervor, dass es keine solche geben kann. Der Standpunkt dieser Stufe ist sinnliche Willkür mit Energie des Willens; denn die allgemeinen Bestimmungen des Geistes, z. B. Familiensittlichkeit, können hier noch keine Geltung gewinnen, da alle Allgemeinheit hier nur als Innerlichkeit der СКАЧАТЬ