Название: Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Philosophie der Geschichte
Автор: Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: gelbe Buchreihe
isbn: 9783753192512
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(Siehe Band 124e in dieser gelben Buchreihe)
Mit dem Meere ist dies nicht minder der Fall, wie dies schon oben angedeutet wurde. Nur Gebirge trennen. So scheiden die Pyrenäen Spanien ganz bestimmt von Frankreich.
Mit Amerika und Ostindien haben die Europäer seit deren Entdeckung in fortwährender Verbindung gestanden, aber ins Innere von Afrika und Asien sind sie kaum eingedrungen, weil das Zusammenkommen zu Land viel schwieriger ist als zu Wasser.
(Siehe Band 154e in dieser gelben Buchreihe)
Nur dadurch, dass es Meer ist, hat das Mittelländische Meer Mittelpunkt zu sein vermocht. Sehen wir jetzt auf den Charakter der Völker dieses dritten Moments.
Das Meer gibt uns die Vorstellung des Unbestimmten, Unbeschränkten und Unendlichen, und indem der Mensch sich in diesem Unendlichen fühlt, so ermutigt dies ihn zum Hinaus über das Beschränkte. Das Meer ladet den Menschen zur Eroberung, zum Raub, aber ebenso zum Gewinn und zum Erwerbe ein; das Land, die Talebene fixiert den Menschen an den Boden; er kommt dadurch in eine unendliche Menge von Abhängigkeiten, aber das Meer führt ihn über diese beschränkten Kreise hinaus. Die das Meer befahren, wollen auch gewinnen, erwerben; aber ihr Mittel ist in der Weise verkehrt, dass sie ihr Eigentum und Leben selbst in Gefahr des Verlustes setzen.
(Siehe Band 133e in dieser gelben Buchreihe)
Das Mittel ist also das Gegenteil dessen, was sie bezwecken. Dies ist es eben, was den Erwerb und das Gewerbe über sich erhebt und ihn zu etwas Tapferem und Edlem macht.
Mut muss nun innerhalb des Gewerbes eintreten, und Tapferkeit ist zugleich mit der Klugheit verbunden. Denn die Tapferkeit gegen das Meer muss zugleich List sein, da sie es mit dem Listigen, dem unsichersten und lügenhaftesten Element, zu tun hat.
Diese unendliche Fläche ist absolut weich, denn sie widersteht keinem Drucke, selbst dem Hauche nicht; sie sieht unendlich unschuldig, nachgebend, freundlich und anschmiegend aus, und gerade diese Nachgiebigkeit ist es, die das Meer in das gefahrvollste und gewaltigste Element verkehrt. Solcher Täuschung und Gewalt setzt der Mensch lediglich ein einfaches Stück Holz entgegen, verlässt sich bloß auf seinen Mut und seine Geistesgegenwart und geht so vom Festen auf ein Haltungsloses über, seinen gemachten Boden selbst mit sich führend.
Das Schiff, dieser Schwan der See, der in behenden und runden Bewegungen die Wellenebene durchschneidet oder Kreise in ihr zieht, ist ein Werkzeug, dessen Erfindung ebenso der Kühnheit des Menschen als seinem Verstande die größte Ehre macht. Dieses Hinaus des Meeres aus der Beschränktheit des Erdbodens fehlt den asiatischen Prachtgebäuden von Staaten, obgleich sie selbst an das Meer angrenzen, wie zum Beispiel China. Für sie ist das Meer nur das Aufhören des Landes, sie haben kein positives Verhältnis zu demselben. Die Tätigkeit, zu welcher das Meer einladet, ist eine ganz eigentümliche: daher findet es sich dann, dass die Küstenländer meist immer von den Binnenländern sich absondern, wenn sie auch durch einen Strom mit diesen zusammenhängen. Holland hat sich so von Deutschland, Portugal von Spanien abgesondert.
Nach diesen Angaben sind nunmehr die drei Weltteile zu betrachten, und zwar kommen hier die drei Momente auf bedeutendere oder mindere Weise zum Vorschein: Afrika hat zum Hauptprinzip das Hochland, Asien den Gegensatz der Flussgebiete zum Hochland, Europa die Vermischung dieser Unterschiede.
Afrika ist in drei Teile zu unterscheiden: der eine ist der südlich von der Wüste Sahara gelegene, das eigentliche Afrika, das uns fast ganz unbekannte Hochland mit schmalen Küstenstrecken am Meere; der andere ist der nördliche von der Wüste, sozusagen das europäische Afrika, ein Küstenland; der dritte ist das Stromgebiet des Nil, das einzige Talland von Afrika, das sich an Asien anschließt. –
Jenes eigentliche Afrika ist, so weit die Geschichte zurückgeht, für den Zusammenhang mit der übrigen Welt verschlossen geblieben; es ist das in sich gedrungene Goldland, das Kinderland, das jenseits des Tages der selbstbewussten Geschichte in die schwarze Farbe der Nacht gehüllt ist. Seine Verschlossenheit liegt nicht nur in seiner tropischen Natur, sondern wesentlich in seiner geographischen Beschaffenheit. Das Dreieck desselben, (wenn wir die Westküste, die in dem Meerbusen von Guinea einen sehr stark einwärtsgehenden Winkel macht, für eine Seite nehmen wollen und ebenso die Ostküste bis zum Kap Gardafu für eine andere,) ist von zwei Seiten überall so beschaffen, dass es einen sehr schmalen, an wenigen einzelnen Stellen bewohnbaren Küstenstrich hat. Hierauf folgt nach innen fast ebenso allgemein ein sumpfiger Gürtel von der aller üppigsten Vegetation, die vorzügliche Heimat von reißenden Tieren, Schlangen aller Art, – ein Saum, dessen Atmosphäre für die Europäer giftig ist. Dieser Saum macht den Fuß eines Gürtels von hohen Gebirgen aus, die nur selten von Strömen durchschnitten werden und so, dass auch durch sie kein Zusammenhang mit dem Innern gebildet wird; denn der Durchbruch geschieht nur wenig unter der Oberfläche der Gebirge und nur an einzelnen schmalen Stellen, wo sich häufig unbefahrbare Wasserfälle und wild sich durchkreuzende Strömungen formieren.
Über diese Gebirge sind die Europäer seit den drei bis viertehalb Jahrhunderten, dass sie diesen Saum kennen und Stellen desselben in Besitz genommen haben, kaum hie und da und nur aus kurze Zeit gestiegen und haben sich dort nirgends festgesetzt. Das von diesen Gebirgen umschlossene Land ist ein unbekanntes Hochland, von dem ebenso die Neger selten herabgedrungen sind. Im sechzehnten Jahrhundert sind aus dem Innern an mehreren, sehr entfernten Stellen Ausbrüche von gräulichen Scharen erfolgt, die sich auf die ruhigeren Bewohner der Abhänge gestürzt haben.
Ob eine und welche innere Bewegung vorgefallen, welche diesen Sturm veranlasst, ist unbekannt.
Was von diesen Scharen bekannt geworden, ist der Kontrast, dass ihr Benehmen, in diesen Kriegen und Zügen selbst, die gedankenloseste Unmenschlichkeit und ekelhafteste Rohheit bewies, und dass sie nachher, als sie sich ausgetobt hatten, in ruhiger Friedenszeit sich sanftmütig, gutmütig gegen die Europäer, da sie mit ihnen bekannt wurden, zeigten. Das gilt von den Fullahs, von den Mandingos, die in den Gebirgsterrassen des Senegal und Gambia wohnen. – Der zweite Teil von Afrika ist das Stromgebiet des Nils, Ägypten, welches dazu bestimmt war, ein großer Mittelpunkt selbständiger Kultur zu werden, und daher ebenso isoliert und vereinzelt in Afrika dasteht, als Afrika selbst im Verhältnis zu den andern Weltteilen erscheint. – Der nördliche Teil von Afrika, der vorzugsweise der des Ufergebietes genannt werden kann, denn Ägypten ist häufig vom Mittelmeer in sich zurückgedrängt worden, liegt am Mittel- und Atlantischen Meer, ein herrlicher Erdstrich, auf dem einst Karthago lag, wo jetzt Marokko, Algier, Tunis und Tripolis sind. Diesen Teil sollte und musste man zu Europa herüberziehen, wie dies die Franzosen jetzt eben glücklich versucht haben: Er ist wie Vorderasien zu Europa hingewendet; hier haben wechselweise Karthager, Römer und Byzantiner, Muselmänner, Araber gehaust, und die Interessen Europas haben immer hinüberzugreifen gestrebt.