Название: Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Philosophie der Geschichte
Автор: Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: gelbe Buchreihe
isbn: 9783753192512
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Die nordamerikanischen Freistaaten haben keinen Nachbarstaat, gegen den sie in einem Verhältnis wären, wie es die europäischen Staaten unter sich sind, den sie mit Misstrauen zu beobachten, und gegen welchen sie ein stehendes Heer zu halten hätten.
Kanada und Mexiko sind für das selbige nicht furchtbar, und England hat seit fünfzig Jahren in Erfahrung gebracht, dass das freie Amerika ihm nützlicher ist als das abhängige. Die Milizen des nordamerikanischen Freistaates haben sich allerdings im Befreiungskriege so tapfer erwiesen als die Holländer unter Philipp II., aber überall, wo nicht die zu erringende Selbständigkeit auf dem Spiele ist, zeigt sich weniger Kraft, und so haben im Jahre 1814 die Milizen schlecht gegen die Engländer bestanden.
Amerika ist somit das Land der Zukunft, in welchem sich in vor uns liegenden Zeiten, etwa im Streite von Nord- und Südamerika die weltgeschichtliche Wichtigkeit offenbaren soll; es ist ein Land der Sehnsucht für alle die, welche die historische Rüstkammer des alten Europa langweilt. Napoleon soll gesagt haben: Cette vieille Europe m'ennuie. Amerika hat von dem Boden auszuscheiden, auf welchem sich bis heute die Weltgeschichte begab. Was bis jetzt sich hier ereignet, ist nur der Widerhall der Alten Welt und der Ausdruck fremder Lebendigkeit, und als ein Land der Zukunft geht es uns überhaupt hier nichts an; denn wir haben es nach der Seite der Geschichte mit dem zu tun, was gewesen ist und mit dem, was ist, – in der Philosophie aber mit dem, was weder nur gewesen ist, noch erst nur sein wird, sondern mit dem, was ist und ewig ist, – mit der Vernunft, und damit haben wir zur Genüge zu tun. –
Nachdem wir die Neue Welt und die Träume, die sich an sie knüpfen können, abgetan, gehen wir nun zur Alten Welt über, das heißt, zum Schauplatze der Weltgeschichte, und haben zuvörderst auf die Naturmomente und die Naturbestimmungen aufmerksam zu machen. Amerika ist in zwei Teile geteilt, welche zwar durch eine Landenge zusammenhängen, die aber nur einen ganz äußerlichen Zusammenhang bildet. Die Alte Welt dagegen, welche Amerika gegenüberliegt und von demselben durch den Atlantischen Ozean getrennt ist, ist durch eine tiefe Bucht, das Mittelländische Meer, durchbrochen. Die drei Weltteile derselben haben ein wesentliches Verhältnis zueinander und machen eine Totalität aus. Ihr Ausgezeichnetes ist, dass sie um das Meer herumgelagert sind und darum ein leichtes Mittel der Kommunikation haben. Denn Ströme und Meere sind nicht als dirimierend zu betrachten, sondern als vereinend. England und Bretagne, Norwegen und Dänemark, Schweden und Livland waren verbunden. Für die drei Weltteile ist also das Mittelmeer das Vereinigende und der Mittelpunkt der Weltgeschichte. Griechenland liegt hier, der Lichtpunkt in der Geschichte. Dann in Syrien ist Jerusalem der Mittelpunkt des Judentums und des Christentums, südöstlich davon liegt Mekka und Medina, der Ursitz des muselmännischen Glaubens, gegen Westen liegt Delphi, Athen, und westlicher noch Rom; dann liegen noch am Mittelländischen Meere Alexandria und Karthago. Das Mittelmeer ist so das Herz der Alten Welt, denn es ist das Bedingende und Belebende derselben. Ohne dasselbe ließe sich die Weltgeschichte nicht vorstellen, sie wäre wie das alte Rom oder Athen ohne das Forum, wo alles zusammenkam. – Das weite östliche Asien ist vom Prozesse der Weltgeschichte entfernt und greift nicht in dieselbige ein; ebenso das nördliche Europa, welches erst später in die Weltgeschichte eintrat und im Altertume keinen Anteil an derselben hatte; denn dieses beschränkte sich durchaus auf die um das Mittelländische Meer herumliegenden Länder. Julius Cäsars Überschreiten der Alpen, die Eroberung Galliens und die Beziehung, in welche die Germanen dadurch mit dem römischen Reiche kamen, macht daher Epoche in der Weltgeschichte, denn hiermit überschreitet dieselbe nunmehr auch die Alpen. Das östliche Asien und das jenseitige Alpenland sind die Extreme jener bewegten Mitte um das Mittelmeer, – Anfang und Ende der Weltgeschichte, ihr Aufgang und Niedergang.
Die näheren geographischen Unterschiede sind nunmehr festzuhalten, und zwar als wesentliche des Gedankens gegen das vielfach Zufällige betrachtet. Dieser charakteristischen Unterschiede gibt es namentlich drei:
1. das wasserlose Hochland mit seinen großen Steppen und Ebenen,
2. die Talebenen (das Land des Überganges), welche von großen Strömen durchschnitten und bewässert werden,
3. das Uferland, das in unmittelbarem Verhältnisse mit dem Meere steht.
Diese drei Momente sind die wesentlichen, und nach ihnen werden wir jeden Weltteil sich in drei Teile teilen sehen. Das eine ist das gediegene, indifferente, metallische Hochland, unbildsam in sich abgeschlossen, aber wohl fähig, Impulse von sich auszuschicken. Das zweite bildet Mittelpunkte der Kultur, ist die noch unaufgeschlossene Selbständigkeit. Das dritte hat den Weltzusammenhang darzustellen und zu erhalten.
1. Das Hochland. Wir sehen solches Hochland in dem von den Mongolen (das Wort im allgemeinen Sinne genommen) bewohnten Mittelasien; vom Kaspischen Meere aus ziehen sich solche Steppen nördlich gegen das Schwarze Meer herüber; desgleichen sind hier anzuführen die Wüsten in Arabien, die Wüsten der Berberei in Afrika, in Südamerika um den Orinoko herum und in Paraguay. Das Eigentümliche der Bewohner solchen Hochlandes, das bisweilen nur durch Regen oder durch Austreten eines Flusses (wie die Ebenen des Orinoko) bewässert wird, ist das patriarchalische Leben, das Zerfallen in einzelne Familien. Der Boden, auf dem sie sich befinden, ist unfruchtbar oder nur momentan fruchtbar; die Bewohner haben ihr Vermögen nicht im Acker, aus dem sie nur einen geringen Ertrag ziehen, sondern in den Tieren, die mit ihnen wandern. Eine Zeitlang finden diese ihre Weide in den Ebenen, und wenn diese abgeweidet sind, zieht man in andere Gegenden. Man ist sorglos und sammelt nicht für den Winter, weswegen dann auch oft die Hälfte der Herde zugrunde geht. Unter diesen Bewohnern des Hochlandes gibt es kein Rechtsverhältnis, und es zeigen sich daher bei ihnen die Extreme von Gastfreundschaft und Räuberei, die letztere namentlich, wenn sie von Kulturländern umgeben sind, wie die Araber, die darin von ihren Pferden und Kamelen unterstützt werden. Die Mongolen nähren sich von Pferdemilch, und so ist ihnen das Pferd zugleich Nahrung und Waffe. Wenn dieses die Gestalt ihres patriarchalischen Lebens ist, so geschieht es doch aber oft, dass sie sich in großen Massen zusammenhalten und durch irgendeinen Impuls in eine äußere Bewegung geraten. Früher friedlich gestimmt fallen sie alsdann wie ein verwüstender Strom über Kulturländer, und die Revolution, die jetzt hereinbricht, hat kein anderes Resultat als Zerstörung und Einöde. In solche Bewegung gerieten die Völker unter Tschengiskhan und Tamerlan, sie zertraten alles, verschwanden dann wieder, wie ein verheerender Waldstrom abläuft, weil er kein eigentliches Prinzip der Lebendigkeit besitzt. Von den Hochländern herab geht es in die Engtäler. Da wohnen ruhige Gebirgsvölker, Hirten, die auch nebenbei Ackerbau treiben, wie die Schweizer. Asien hat deren auch, sie sind aber im Ganzen unbedeutender.
2. Die Talebenen. Es sind dieses Ebenen, von Flüssen durchschnitten, die ihre ganze Fruchtbarkeit den Strömen, von denen sie gebildet sind, verdanken. Eine solche Talebene ist China, Indien, welches der Indus und Ganges durchschneiden, Babylonien, wo der Euphrat und Tigris fließt, Ägypten, das der Nil bewässert. In diesen Ländern entstehen große Reiche, und die Stiftung großer Staaten beginnt. Denn der Ackerbau, der hier als erstes Prinzip der Subsistenz der Individuen vorwaltet, ist an die Regelmäßigkeit der Jahreszeit, an die demgemäß geordneten Geschäfte gewiesen: Es beginnt das Grundeigentum und die sich daraus beziehenden Rechtsverhältnisse, das heißt, die Basen und Unterlagen des Staates, der erst in solchen Verhältnissen möglich wird.
3. Das Uferland. Der Fluss teilt Landstriche voneinander, noch mehr aber das Meer, und man ist gewohnt, das Wasser als das Trennende anzusehen; besonders hat man in den letzten Zeiten behaupten wollen, dass die Staaten СКАЧАТЬ