Abenteurer des Schienenstranges. Jack London
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Читать онлайн книгу Abenteurer des Schienenstranges - Jack London страница 8

Название: Abenteurer des Schienenstranges

Автор: Jack London

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754171974

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СКАЧАТЬ Zug richtig in Gang gekommen ist, und als ich mir gerade die Zigarette anzünden will, sehe ich, daß der Heizer über die Kohlen hinten auf den Tender geklettert ist und mich betrachtet. Ich bekomme einen furchtbaren Schreck. Von seinem Platz aus kann er nach mir mit Kohlenstücken werfen und mich zu Frikassee machen. Statt dessen spricht er mich an, und ich höre zu meiner großen Erleichterung Bewunderung in seiner Stimme.

      »Du verfluchter Schweinehund!« sagt er.

      Das ist ein großes Kompliment, und ich werde von Stolz durchschauert wie ein Schulknabe, der ein Lob erhält. »Hör' mal,« rufe ich zu ihm hinüber, »mach' das nicht wieder mit dem Schlauch.«

      »Nein«, antwortet er und geht wieder an die Arbeit. Mit der Lokomotive habe ich mich befreundet, aber die Bremser lauern immer noch auf mich. Als wir das nächste Mal halten, sind alle ›Blinden‹ mit Bremsern besetzt, und wie früher, lasse ich sie vorüber und klettere in der Mitte des Zuges auf Deck. Aber jetzt ist das Personal darauf gekommen, was ich vorhabe, und der Zug hält. Die Bremser wollen mich ›schmeißen‹, eher haben sie keine Ruhe. Dreimal hält der mächtige Überlandzug meinetwegen an dieser Station, und jedesmal entwische ich den Bremsern und klettere wieder auf Deck. Aber es ist hoffnungslos, denn endlich haben sie doch die Situation erfaßt. Ich habe ihnen gezeigt, daß sie den Zug nicht vor mir schützen können. Sie müssen etwas anderes machen. Und das tun sie. Als der Zug das letztemal hält, setzen sie in voller Fahrt hinter mir her. Ja, ich weiß schon, was sie wollen. Sie wollen versuchen, mich müde zu hetzen. Im Anfang drängen sie mich bis zu den letzten Wagen des Zuges zurück. Ich bin mir ganz klar über die Gefahr, die mir droht. Sobald sie mich hinter den Zug bekommen haben, wollen sie losfahren und mich stehenlassen. Ich mache kehrt, laufe in einer Schlangenlinie, schlüpfe zwischen meinen Verfolgern hindurch und gelange so zu den vordersten Wagen. Einer der Bremser ist mir beständig auf den Hacken. Na schön, ich will ihn tüchtig laufen lassen, denn ich bin glänzend in Form. Ich laufe am Gleis entlang. Mir macht es nichts aus. Selbst wenn er mich zehn ganze Meilen jagt, so muß er doch zum Zuge zurück, und ich kann immer genau so gut aufspringen wie er selbst.

      So laufe ich weiter, halte mich immer ein kleines Stück vor ihm und strenge meine Augen an, damit ich in der Dunkelheit etwaige Wildfallen oder Weichen sehen kann, die mir Schaden bringen könnten. O weh! Ich bemühe mich zu sehr, das zu sehen, was weiter voraus liegt, stolpere über einen kleinen Gegenstand gerade vor mir und falle hin. Im nächsten Augenblick bin ich wieder auf den Beinen, aber schon hat der Bremser mich am Kragen. Ich leiste keinen Widerstand. Ich muß Luft schöpfen und ihn mir ansehen. Er ist schmalschultrig, und ich wiege wenigstens dreißig Pfund mehr als er. Außerdem ist er ebenso müde wie ich, und wenn er boxen will, soll er mich kennenlernen. Aber er boxt nicht, so daß ich dies Problem nicht zu erörtern brauche. Statt dessen beginnt er mich nach dem Zuge zurückzuziehen, und jetzt erhebt sich ein neues Problem. Ich sehe die Laternen des Schaffners und des anderen Bremsers. Wir nähern uns ihnen. Nicht umsonst habe ich die Bekanntschaft der New Yorker Polizei gemacht. Nicht umsonst habe ich in Güterwagen, bei Wasserbehältern und in Gefängniszellen blutige Geschichten von Mißhandlungen gehört. Wenn diese drei Männer mich nun mißhandelten? Der Himmel weiß, daß ich ihnen Anlaß genug dazu gegeben habe. In aller Eile überdenke ich die Situation. Immer mehr nähern wir uns den beiden Eisenbahnmännern. Ich sehe mir Bauch und Kiefern des Mannes, der mich festhält, an und denke aus, was ich mit der rechten und mit der linken Faust machen werde, wenn er das erste Zeichen von Unfreundlichkeit gibt.

      Pah! Ich kenne einen Trick, den ich schon an ihm versuchen möchte, und es tut mir ordentlich leid, daß ich es nicht schon in dem Augenblick tat, als er mich packte. Ich könnte ihm einen tüchtigen Denkzettel erteilen, und das gerade, weil er mich am Kragen packt. Er hat die Finger fest in meinen Kragen gekrallt. Mein Rock ist zugeknöpft. Ich weiß nicht, ob ihr je eine Aderpresse gesehen habt. Da habt ihr sie: Ich brauche nur den Kopf unter seinen Arm zu ducken und mich herumzudrehen. Das muß schnell gehen – sehr schnell. Ich weiß schon, wie ich es machen muß – ich muß mich schnell und ruckweise drehen und bei jeder Umdrehung den Kopf unter seinen Arm ducken. Ehe er es weiß, sitzen seine Finger, die mich jetzt festhalten, selbst fest. Er kann sie nicht herausziehen. Es wirkt wie ein kräftiger Hebel. Wenn ich mich zwanzig Sekunden lang gedreht habe, wird ihm das Blut unter den Nägeln hervorspritzen, die feinen Sehnen werden reißen und alle Muskeln und Nerven zerquetscht werden, bis alles eine einzige blutige, schmerzende Masse ist. Versucht es mal, wenn euch jemand am Kragen hat. Aber ihr müßt schnell sein – schnell wie der Blitz. Und ihr müßt euch selber gut halten, während ihr euch herumdreht – das Gesicht mit dem linken, und den Unterleib mit dem rechten Arm schützen. Es könnte ja sein, daß der andere versuchte, euch durch einen Stoß mit seinem freien Arm anzuhalten. Es wäre auch gut, sich von dem freien Arm ab– statt sich ihm zuzudrehen. Ein Stoß in der Richtung der eigenen Bewegung ist nie so schlimm wie umgekehrt.

      Der Bremser wird nie erfahren, wie nahe er daran gewesen ist, einen sehr, sehr ernsten Denkzettel zu erhalten. Seine Rettung ist, daß er offenbar nicht die Absicht hat, mir etwas zu tun. Als wir nahe genug sind, ruft er, daß er mich hat, und man gibt das Signal, daß der Zug anfahren soll. Die Lokomotive und die drei ›Blinden‹ fahren vorbei. Dann springen der Schaffner und der zweite Bremser auf. Aber der Mann, der mich am Kragen hält, hat mich immer noch gepackt. Ich weiß ganz genau, was sie wollen. Er soll mich festhalten, bis die letzten Wagen uns erreicht haben. Dann soll er aufspringen, und ich werde zurückgelassen – im Graben. Aber der Zug fährt schnell, denn der Lokomotivführer muß die verlorene Zeit wieder einholen. Es ist auch ein langer Zug. Die Sache ist nicht so einfach, und ich weiß, daß der Bremser die Schnelligkeit des Zuges mit Besorgnis mißt.

      »Glaubst du, daß du's machen kannst?« frage ich unschuldig.

      Er läßt meinen Kragen los, springt rasch zu und ist auf dem Zuge. Es fehlen noch mehrere Wagen. Das weiß er, und so bleibt er auf dem Trittbrett stehen, streckt den Kopf vor und sieht nach mir aus. In diesem Augenblick wird mir klar, was ich jetzt zu tun habe. Ich will auf die hinterste Plattform springen. Ich weiß, daß der Zug immer schneller und schneller fährt, aber wenn es schief geht, kann ich nur in den Dreck geworfen werden, und ich besitze den ganzen Optimismus der Jugend. Nicht mit einer Miene verrate ich, was ich im Sinne habe. Mutlos und mit hängenden Schultern stehe ich da und zeige, daß ich jede Hoffnung aufgegeben habe. Aber gleichzeitig untersuche ich mit dem Fuße den Kies. Er gibt einen ausgezeichneten Halt. Ich sehe auch nach dem Bremser, der immer noch den Kopf vorstreckt. Jetzt zieht er ihn zurück. Er ist ganz sicher, daß der Zug zu schnell fährt, als daß ich ihn noch erwischen könnte.

      Und der Zug fährt wirklich schnell – schneller als je ein Zug, auf den ich es abgesehen hatte. Als der letzte Wagen vorbeifährt, laufe ich in der Fahrtrichtung mit. Es ist ein kurzer, schneller Anlauf. Ich kann nicht hoffen, dieselbe Geschwindigkeit wie der Zug zu erreichen, aber ich kann den Unterschied zwischen meiner und seiner Schnelligkeit auf ein Minimum reduzieren und den Stoß, wenn ich das Trittbrett erreiche, dadurch weniger fühlbar machen. In dem flüchtigen Augenblick kann ich das Geländer der hintersten Plattform in der Dunkelheit nicht sehen; ich habe auch keine Zeit, mich zu orientieren. Ich packe aufs Geratewohl zu, und im selben Augenblick verlieren meine Füße den Boden. Es ist der reine Glückstreffer. Im nächsten Augenblick könnte ich mit gebrochenen Rippen, gebrochenen Armen oder zerschmetterter Hirnschale über den Kies rollen. Aber meine Finger umklammern das Geländer, ein Ruck in meinem Arm, ich werde halb herumgeschleudert, und meine Füße landen mit einer starken Erschütterung auf dem Trittbrett. Ich setze mich nieder und bin sehr stolz. In meiner ganzen Vagabundenzeit ist dies das beste Stück Arbeit, das ich im Aufspringen auf einen Zug je geleistet habe. Ich weiß, daß man in der Nacht auf der letzten Plattform immer sicher ist, jedenfalls für ein paar Stationen, aber ich wage mich nicht zu den vorderen Wagen. Als der Zug das erstemal hält, laufe ich auf der dem Bahnsteig entgegengesetzten Seite an ihm entlang, an den Pullmanwagen vorbei, ducke mich und finde einen Platz unter einem der anderen Wagen. Beim nächsten Aufenthalt laufe ich wieder vor und finde einen neuen Platz.

      Jetzt bin ich einigermaßen sicher. Die Bremser glauben, daß ich endgültig geschmissen bin. Aber der lange Tag und die anstrengende СКАЧАТЬ