Название: Es geschah in jener Nacht
Автор: Walter Brendel
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783754168868
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Heiter und unbeschwert, die beiden Freundinnen
Michelle und Christin, drei Tage später war Christin tot
Der Umgang mit Pferden ist Christin so lieb und wichtig, dass sie das Gymnasium mit dem mittleren Schulabschluss verlässt. Kein Bruch – eine Entwicklung. Wie der ganze Lebensweg von Christin R. den Eindruck einer bruchlosen Entwicklung in Lübars macht.
Christin
Christin im Oktober 2009
Ihre Eltern, die zu erschüttert von dem Verbrechen sind, um mit Fremden zu sprechen, ihre Brüder, ihre Freundinnen und Freunde – alles war, wie es ist, wenn Familien intakt sind, Freundschaften sich seit Grundschulzeiten entwickeln, und die große Stadt weit genug weg ist, damit Jugendliche nicht auf dumme Ideen kommen. Christin R. – eine junge Frau, hübsch, 1,72 groß, aufgewachsen dort, wo man viel draußen ist und Tiere mag. Weil sie zwei Brüder hatte, sei sie nicht gerade verzärtelt gewesen, sondern robust, hört man, lustig, auch feierfreudig. „Fröhlich und ausgelassen“, sagt jemand, der sie gut kannte.
Es wird noch besser für die junge Frau, die auf dem Pferdehof in Brandenburg ihr Hobby zum Beruf macht, als Robin H. dort erscheint – ein großer junger Mann, 23 Jahre alt, ein freundliches offenes Gesicht, blaue Augen. Und natürlich Reiter. Dressur- und Springreiter, Turnier erfahren. Und wie Christin R. einer, der das Reiten zum Beruf gemacht hat.
Christin R. verliebt sich in Robin.
„Total verknallt“ sei sie gewesen, sagt jemand, der sie damals erlebte. Richtig glücklich habe sie gewirkt: Sie arbeitete mit dem Mann zusammen, den sie liebte. Und sie machte Pläne mit ihm.
Dass Christin ihre Familie auch mal ganz schnell vor vollendete Tatsachen stellt, ist zwar zumeist nicht be-sonders schlimm und wird auch fast immer gebilligt, aber in einem Fall wird es zum tragischen Verhängnis.
Und das ist der Tag, an dem sie den Pferdewirt und Springreiter Robin H. der Familie als ihren Freund vorstellt.
Der eher farblos wirkende Robin H. hat eine ganz besondere Wirkung auf Frauen. Christin R. soll hoff-nungslos in ihn verliebt gewesen sein. Er ist Springreiter – und der Schwarm vieler junger, blonder Mädchen. Er kann sogar schon erste Erfolge auf dem Parcours vorweisen. Keine großen, aber immerhin.
Unheilvolle Begegnung
Christin mag den 23-Jährigen, der sich gewandt ausdrücken kann, viel über Pferde weiß und durchaus charmant auftritt. Er macht der hübschen Berlinerin Avancen. Wenig später sind sie ein Paar. Christins Eltern und die beiden älteren Brüder sehen der romantischen Schwärmerei etwas verwundert zu. Aber die Tochter beziehungsweise kleine Schwester ist derart verliebt und glücklich, dass Robin schnell bei ihnen ein und aus geht.
„Unser Kind strahlte einfach, wenn es mit ihm zusammen war und Pläne schmiedete“, erinnern sich die Eltern.
Der Mörder und das Opfer. Bild von 2011
In der Manier eines Hochstaplers hat sich Robin gern und regelmäßig als wohlhabend und erfolgreich beschrieben – eine einzige Lügengeschichte. In seiner Ausbildung kommt er ständig mit Menschen zusammen, die über die finanziellen Mittel verfügen, die für einen erfolgreichen Pferdezüchter und Turnierreiter unerlässlich sind. Der Wunsch nach Reichtum und Erfolg wird zur Besessenheit.
Um den Reiterhof von Robin R. westlich von Berlin vor der Pleite zu retten, beschließen Mutter und Sohn im Frühjahr 2012, Christin R. zu töten. So wollen sie an das Geld aus acht Lebensversicherungen im Wert von 2,4 Millionen Euro gelangen, die auf Christins Namen abgeschlossen sind.
Bei der Fleischfachverkäuferin Tanja L., der späteren Mittäterin, ist es die gleiche Masche, die Robin anwendete. Sie hat Robin während eines Reitturniers kennengelernt. Wenige Tage später habe er ihr „per SMS seine Liebe gestanden“.
Richtig ist jedoch, dass Robin H. bereits zu diesem Zeitpunkt in Tanja L. ein willfähriges Werkzeug sieht. Hat er ihr doch sehr schnell auch erzählt, dass er ein Auftragskiller sei.
Auf die Frage, warum sie nicht sofort Abstand gesucht habe, sagt Tanja L.: „Er war mein Traummann.“ Aber sie sei auch schockiert gewesen, habe es nicht glauben können und einfach verdrängt.
Später, als schon von der Ermordung Christin R.’s die Rede gewesen sei, habe sich das Verhältnis gewandelt. „Ich hatte große Angst vor ihm“, so Tanja L. „Er hat gedroht, auch mich zu töten. Das würde ihm nichts ausmachen.“
„Es ist erschreckend, welche Kaltblütigkeit der Freund mit seinen dreiundzwanzig Jahren an den Tag gelegt hat“, sagt die Leiterin der Mordkommission, Jutta Porzucek. „Selbst erfahrene Ermittler seien von der grausamen Tat geschockt gewesen.“
Robin H. kann offenbar sein Umfeld immer wieder nach seinen Vorstellungen beeinflussen. Auch im Prozess wird das durch zahlreiche Zeugenaussagen deutlich.
„Ein lieber, netter Kerl“, sagen selbst Christins Eltern. Auch Bekannte aus der Reitsportszene bestätigen das. Selbst eine Ex-Freundin und deren Eltern unterstützen ihn noch großzügig und verlieren kein schlechtes Wort über ihn.
Eine Bankangestellte: „Das war wie im Film. So stellt man sich einen Pferdewirt vor.“
Die Polizei: „Er war so höflich, das Verhör lief in einer angenehmen Atmosphäre ab.“
Gut zwei Jahre lang sind Christin und Robin, beide Pferdewirte, ein Paar. Sie lebt und arbeitet zeitweise bei ihm.
Wir werden uns später mit diesem Mörder beschäftigen.
Eine Abfolge an Taten, die zeigt, wie tief die Habgier bei dem Ex-Freund und seiner Mutter sitzt – und wie rasch sie sich auf andere Menschen überträgt. Wie ist so etwas möglich?
„Bei Menschen, die Derartiges vorhaben, gibt es kaum ein Unrechtsbewusstsein“, erklärte die Psychiaterin Dr. Sigrun Roßmanith bei Maischberger. „Die Täter schalten ihre moralische Instanz aus. Das Destruktive kann die Kehrseite der Kreativität sein.“
Der italienische Professor Cesare Lombroso entwi-ckelte mit seinem 1876 erstmals veröffentlichten Werk „Der Verbrecher in anthropologischer, ärztlicher und juristischer Beziehung“ eine neue Theorie in der Kriminologie, den Übergang vom Tat- zum Täterstrafrecht. Dabei stellte er fest, dass es den geborenen Verbrecher gibt. Der Kriminelle wird hier als besonderer Typus der Menschheit beschrieben, der zwischen dem Geisteskranken und des Primitiven in der Mitte steht. Die direkte Verwandtschaft zu den aggressiveren, nicht kulturell domestizierten Vorfahren des heutigen Menschen trete bei manchen Personen in ihren körperlichen Merkmalen offen zutage, so Lombrosos These. Eine bestimmte Schädelform oder zusammengewachsene Augenbrauen sind damit der Verweis auf eine atavistische – damit niedrigere und gewalttätigere – Entwicklungsstufe. Diese Personen unterschieden sich durch körperliche und psychische Merkmale wie zum Beispiel Henkelohren, blasse Haut, Tätowierungen oder Arbeitsscheu von ihren gesetzestreuen Zeitgenossen und seien somit als Übeltäter identifizierbar, noch bevor sie gegen ein Gesetz verstoßen hätten.
Lombroso
Damit deuten äußere Merkmale auf die tief verwurzelten Anlagen zum Verbrecher hin, die auch durch die Aneignung sozialer Verhaltensweisen nicht überdeckt werden können.
Wenn diese These so einfach wäre, wäre keiner der Mörderbande jemals in den Verdacht gekommen, СКАЧАТЬ