Les Misérables / Die Elenden. Victor Hugo
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Читать онлайн книгу Les Misérables / Die Elenden - Victor Hugo страница 32

Название: Les Misérables / Die Elenden

Автор: Victor Hugo

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783754173206

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СКАЧАТЬ Magloire verstand den Wink, holte aus dem Schlafgemach Sr. Bischöflichen Gnaden die beiden silbernen Leuchter und stellte sie auf die Tafel.

      »Herr Pfarrer,« sagte der Gast, »Sie sind recht gut. Sie verachten mich nicht. Sie stecken Ihre feinen Kerzen für mich an. Ich habe Ihnen aber doch nicht verschwiegen, wo ich herkomme, und daß ich ein elender Mensch bin.«

      Der Bischof, der neben ihm saß, berührte sanft seine Hand. »Sie konnten es unterlassen mir zu sagen, wer Sie sind. Dies ist nicht mein Haus, sondern das Haus Jesu Christi. Wer hier herein will, den fragt diese Thür nicht, ob er einen Namen, sondern ob er einen Kummer hat. Sind Sie leidbedrückt, hungert und dürstet Sie, so sind Sie willkommen. Und danken Sie mir nicht, sagen Sie nicht, daß ich Sie in mein Haus aufnehme. Hier wohnt Niemand, außer wer einer Zufluchtsstätte bedarf. Ich sage Ihnen, Sie, der Sie hier vorbeigehen, haben mehr Anrecht auf den Schutz dieses Hauses, als ich selber. Alles, was hier ist, gehört Ihnen. Wozu brauche ich Ihren Namen zu wissen? Uebrigens haben Sie einen Namen den ich wußte, bevor Sie mir Ihren Namen nannten.«

      Der Gast machte große Augen vor Verwundrung.

      »Wahrhaftig? Sie wußten, wie ich heiße?«

      »Ja, Sie heißen mein Bruder!«

      »Hören Sie,« Herr Pfarrer, rief der Gast »Ich hatte gehörigen Hunger, als ich hier hereinkam, aber Sie sind so gut, daß ich – ich weiß nicht, wie das kommt, meinen Hunger nicht mehr fühle.«

      Der Bischof sah ihn an und fragte:

      »Sie haben wohl viel Schlimmes durchgemacht?«

      »Ach ja! In der rothen Jacke, die Kanonenkugel am Bein, ein Brett zum Schlafen, Hitze, Kälte, Arbeit, Stockschläge. Eine doppelte Kette, wenn man so gut wie gar nichts verbrochen hatte. In die Einzelzelle, wenn man mal ein Bischen aufmuckte. Auch im Bett noch, wenn man krank war, behielt man die Kette. Die Hunde, die Hunde sind glücklicher. Neunzehn Jahre lang. Ich bin sechsundvierzig Jahre alt. Und jetzt zu guter Letzt der gelbe Paß. Ja ja!«

      »Ja, Sie kommen aus einem Ort des Jammers. Hören Sie auf meine Worte. Es wird im Himmel mehr Freude herrschen über die Thränen eines reuigen Sünders, als über das weiße Gewand hundert Gerechter. Wenn Sie aus jenem Ort des Leidens mit Gedanken voll Haß und Groll gegen die Menschen kommen, so sind Sie zu bemitleiden; hegen Sie aber Gedanken des Wohlwollens, der Sanftmuth und der Friedfertigkeit, so sind Sie ein besserer Mensch, als der Beste von uns.«

      Währenddem hatte Frau Magloire das Essen aufgetragen. Eine Suppe bestehend aus Wasser, Oel, Brod und Salz; etwas Speck, ein Stück Hammelfleisch, Feigen, frischer Käse, und ein großes Roggenbrod. Außerdem hatte sie aus eignem Antrieb eine Flasche alten Mauves spendirt.

      Bei diesem Anblick überflog plötzlich die Züge des Bischofs jene Vergnügtheit, die gastfreundlichen Menschen eigen zu sein pflegt. »Zu Tische!« kommandierte er lebhaft. Er lud, wie er zu thun pflegte, wenn er einen Gast zu Tische hatte, den Vagabunden ein zu seiner Rechten Platz zu nehmen, und Fräulein Baptistine setzte sich ruhig und unbefangen links von ihm.

      Dann sprach der Bischof das Tischgebet und schöpfte seiner Gewohnheit gemäß die Suppe aus. Der Gast fiel gierig über seinen Teller her.

      Plötzlich bemerkte der Bischof: »Mich dünkt, es fehlt irgend etwas auf dem Tische.«

      In der That hatte Frau Magloire nur die drei durchaus nothwendigen Bestecke auf die Speisetafel gelegt. Wenn aber der Bischof einen Gast hatte, so war es der Brauch des Hauses, daß die sechs silbernen Bestecke auf dem Tische prangen mußten. Diese kindliche Prahlerei mit einem so bescheidnen Luxus muthete angenehm an in diesem Hause, wo die Armuth für wohlanständig galt.

      Frau Magloire verstand die Bemerkung des Bischofs, ging ohne ein Wort zu sagen hinaus und alsbald erglänzten auf dem Tischtuche die drei andern Bestecke.

      IV. Über die Käsereien in Pontarlier

      Damit man sich eine Vorstellung machen könne, wie es an dieser Tafel herging, wollen wir eine Stelle aus einem Briefe von Fräulein Baptistine an Frau von Boischevron hier wiedergeben, in dem mit naiver Ausführlichkeit das Gespräch des Bischofs und des Galeerensklaven erzählt wird.

      »Der Mann achtete auf Niemand und schlang immer nur sein Essen mit einer Gier hinunter, als wäre er nahe daran gewesen, vor Hunger umzukommen. Aber nach dem Abendessen sagte er:

      »Lieber guter Herrgottspfarrer, das ist alles noch viel zu gut für mich, aber das muß ich sagen, die Fuhrleute, die mich nicht wollten mitessen lassen, leben besser als Sie.«

      Unter uns gesagt, die Bemerkung hat mich verdrossen. Mein Bruder antwortete ihm:

      »Sie müssen sich auch mehr anstrengen, als ich.«

      »Nein,« meinte der Andre, »sie haben mehr Geld. Ich sehe wohl, Herr Pfarrer, Sie sind arm. Sie sind vielleicht noch nicht einmal Pfarrer? Wenn der liebe Gott gerecht wäre, müßten Sie Pfarrer sein.«

      »Der liebe Gott ist mehr als gerecht«, versetzte mein Bruder und fügte nach einer Weile hinzu:

      »Also nach Pontarlier gehen Sie, Herr Valjean?«

      »Mit Zwangspaß.«

      So sagte er, wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt.

      Dann fuhr er fort:

      »Morgen bei Tagesanbruch muß ich schon unterwegs sein. Das Marschieren ist jetzt beschwerlich. Wenn die Nächte kalt sind, so ist es am Tage heiß.«

      »Sie kommen da in eine gute Gegend«, meinte mein Bruder. »Zur Zeit der Revolution ist meine Familie ruinirt worden, und ich habe mich damals zuerst nach der Franche-Comté geflüchtet, wo ich von meiner Hände Arbeit lebte. Ich hatte guten Willen und fand auch Beschäftigung. Man hat dort zu Lande die Wahl. Es giebt dort Papiermühlen, Gerbereien, Branntweinbrennereien, Oelmühlen, Uhrfabriken, Stahl- und Kupferfabriken, wenigstens zwanzig Eisenwerke, darunter vier sehr bedeutende in Lods, Châtillon, Audincourt und Beure.«

      Ich müßte mich sehr irren, wenn dies nicht die Namen sind, die mein Bruder anführte. Hierauf aber brach er ab und wandte sich an mich:

      »Liebe Schwester, haben wir nicht Verwandte in jener Gegend?«

      Ich antwortete:

      »Früher, ja! Unter Andern Herrn von Lucenet, Hauptmann bei den Thürgardisten zu Pontarlier vor der Revolution.«

      »Ganz richtig«, erwiderte mein Bruder, »aber 1793 war es mit den Verwandten nichts, da mußte man sich auf sich selber und auf seine gesunden Arme verlassen. Ich habe gearbeitet. Sie haben in der Gegend von Pontarlier, wo Sie hingehen, Herr Valjean, eine ganz patriarchalische und ganz gemüthliche Industrie, liebe Schwester, nämlich Käsereien.«

      Darauf setzte mein Bruder dem Manne, während er ihn zum Essen nöthigte, sehr ausführlich auseinander, wie die Käsereien eingerichtet sind.

      »Sie zerfallen in zwei Klassen«, erläuterte er. »Die großen, die den Reichen gehören, mit vierzig bis fünfzig Kühen, und die sieben bis acht Tausend Stück Käse pro Sommer liefern, und die kleinen, genossenschaftlich organisirten, die von den Armen gebildet werden. Zu diesen thun sich die Bauern aus dem Mittelgebirge zusammen und theilen den Gewinn. Sie engagieren einen Käser, der dreimal täglich von den Mitgliedern СКАЧАТЬ