Les Misérables / Die Elenden. Victor Hugo
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Название: Les Misérables / Die Elenden

Автор: Victor Hugo

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783754173206

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СКАЧАТЬ Fensterladen zugemacht, und nach außen drang ein Geräusch, als wenn eine eiserne Stange innen vorgelegt würde.

      Unterdessen kam die Nacht immer näher. Es wehte ein kalter Wind von den Alpen her. Bei dem Schein des verlöschenden Tageslichtes bemerkte der Fremde in einem der Gärten, die sich längs der Straße erstreckten, eine Art mit Rasen belegter Hütte. Er schwang sich schnell entschlossen über den Zaun in den Garten hinüber und ging auf die Hütte zu. Sie hatte statt der Thür eine schmale und niedrige Oeffnung und besaß Aehnlichkeit mit den Baracken, die sich die Chausseearbeiter längs der Landstraßen zu bauen pflegen. Er glaubte ohne Zweifel, sie gehöre wirklich einem Arbeiter; ihm fror und ihn hungerte. Den Hunger wollte er geduldig ertragen, aber er fand hier wenigstens ein Obdach gegen die Kälte. Dergleichen Behausungen sind für gewöhnlich des Nachts nicht bewohnt. Er legte sich platt auf die Erde hin und kroch in die Hütte hinein. Es war warm darin, und er fand ein gutes Strohlager vor. Auf diesem blieb er eine Zeitlang lang ausgestreckt liegen, ohne sich rühren zu können – so groß war seine Müdigkeit. Dann aber machte er sich daran seinen Tornister loszuschnallen, der Bequemlichkeit halber und um ihn als Kopfkissen zu verwerthen. In diesem Augenblick ließ sich ein grimmiges Knurren vernehmen. Er blickte auf. Im Eingang der Hütte zeichnete sich der Kopf einer gewaltigen Dogge ab.

      Er war in eine Hundehütte gerathen.

      Er konnte sich auf seine Kraft verlassen, und wagte sich, den Stock als Angriffs-, den Tornister als Schutzwaffe benutzend, aus der Hundehütte heraus, nicht ohne die Löcher in seinen Lumpen noch weiter aufzureißen.

      Auch aus dem Garten kam er glücklich heraus, rückwärts und indem er mit einem geschickten, den Stockfechtern abgelernten Manöver die Dogge von sich abwehrte.

      Als er, nicht ohne Mühe, seinen Rückzug über den Zaun bewerkstelligt hatte und sich wieder auf der Straße befand, allein, ohne Nachtlager, ohne Obdach, von dem Strohlager und aus der elenden Hütte verjagt, sank er mehr, als er sich setzte, auf einen Stein nieder und stöhnte.

      »Ich habe es nicht einmal so gut wie ein Hund!«

      Bald erhob er sich wieder und wanderte weiter, zur Stadt hinaus, in der Hoffnung einen Baum, einen Schober zu finden, der ihm ein schützendes Obdach gewähren würde.

      So schleppte er sich eine Strecke dahin, den Kopf auf die Brust gesenkt. Als er sich weitab von jeder menschlichen Behausung fühlte, hob er die Augen auf und hielt Umschau. Er befand sich auf einem Acker, vor einem niedrigen Hügel, der mit Stoppeln bedeckt war und einem kurz geschornen Menschenkopf ähnlich sah.

      Der Horizont war tief schwarz, nicht blos von dem Dunkel der heraufsteigenden Nacht, sondern es waren sehr niedrige Wolken, die auf dem Hügel selber zu lasten schienen und über den ganzen Himmel heraufstiegen. Da indessen der Mond zu scheinen begann und im Zenith noch etwas Abendhelle schwebte, bildeten diese Wolken oben eine Art weißliches Gewölbe, von dem sich ein Lichtglanz auf die Erde niedersenkte.

      Die Erde war also heller erleuchtet, als der Himmel, was sich recht schaurig ausnahm, und der kläglich winzige Hügel hob sich matt und undeutlich von dem düstern Horizont ab.

      Die ganze Aussicht war eine öde, abstoßende, armselige, unheimlich eingeengte. Auf dem Acker und auf dem Hügel nichts, als ein verkrüppelter Baum, der sich in einer Entfernung von wenigen Schritten, vom Winde durchschauert, hin und herkrümmte.

      Unser Wanderer war sicherlich weit davon entfernt jene Empfindungs- und Denkweise zu besitzen, die das Gemüth feinerer Menschen für geheimnisvolle Natureindrücke empfänglich macht; allein dieser Himmel, dieser Hügel, diese Ebene, dieser Baum waren so schaurig, so wüst, daß er nach kurzem Besinnen seine Schritte hastig rückwärts lenkte. Es gibt Augenblicke, wo die Natur dem Menschen ein feindliches Gesicht zeigt.

      Er kehrte auf demselben Wege wieder nach der Stadt zurück, und fand die Thore schon geschlossen. Denn Digne, das in den Religionskriegen Belagerungen ausgehalten hat, war noch 1815 von Mauern mit viereckigen Thürmen umgeben, die seitdem geschleift worden sind. Der Fremde ging durch eine Bresche in die Stadt hinein.

      Es mochte jetzt acht Uhr Abends sein. Da ihm die Straßen unbekannt waren, marschierte er wieder ohne Plan und Ziel.

      Auf diese Weise kam er an der Präfektur, dann an dem Seminar vorbei. Als er über den Domplatz ging, ballte er die Faust gegen die Kirche.

      In der einen Ecke dieses Platzes befindet sich eine Druckerei. Dort wurden zum ersten Mal die Proklamationen des Kaisers und der kaiserlichen Garde an die Armee gedruckt, die von Napoleon selber auf der Insel Elba diktirt worden waren.

      Vollständig erschöpft und hoffnungslos streckte sich der Obdachlose auf die steinerne Bank aus, die sich vor der Druckerei befindet.

      In dem Augenblick trat eine alte Dame aus der Kirche und sah ihn im Schatten dort liegen. »Was machen Sie da, guter Freund?«

      Er fuhr heftig auf: »Sie sehen ja, gute Frau, ich lege mich schlafen.«

      Die gute Frau, die auf diese Benennung ein volles Recht hatte, war die Frau Marquise von R.

      »Auf diese Bank?«

      »Ich habe neunzehn Jahre lang auf einer hölzernen Matratze gelegen, so kann ich auch einmal auf einer steinernen schlafen.«

      »Sie sind Soldat gewesen.«

      »Ja wohl, gute Frau.«

      »Warum gehen Sie nicht in eine Herberge?«

      »Weil ich kein Geld habe.«

      »Leider habe ich nur vier Sous bei mir.«

      »Geben Sie sie mir.«

      Die Marquise gab ihm das Geld und fuhr fort: »Mit so wenig können Sie keine Unterkunft in einer Herberge bekommen. Aber haben Sie's wenigstens versucht? Sie können doch nicht die Nacht unter freiem Himmel zubringen, Sie haben ohne Zweifel Hunger und frieren. Man hätte Sie aus Mitleid aufnehmen können.«

      »Ich habe an alle Thüren geklopft.«

      »Und?«

      »Sie haben mich überall hinausgeworfen.«

      Die gute Frau berührte den Mann am Arme und zeigte ihm ein kleines niedriges Haus, das auf der andern Seite des Platzes neben dem bischöflichen Palast stand.

      »Sie sagen, Sie haben an alle Thüren geklopft?«

      »Ja.«

      »Auch an die da drüben?«

      »Nein.«

      »Nun dann, klopfen Sie einmal da an.«

      II. Alltagsweisheit und Philosophie

      An demselben Abend war der Herr Bischof nach seinem Spaziergange in der Stadt lange auf seinem Zimmer geblieben. Er arbeitete damals gerade an einem größeren Werke über die Pflichten, das leider unvollendet geblieben ist. Zu diesem Zwecke sammelte er alles, was die Kirchenväter und andere Autoritäten über diesen bedeutungsvollen Gegenstand gesagt haben. Sein Buch zerfiel in zwei Theile; erstens die Pflichten Aller; zweitens die Pflichten des Einzelnen, je nach seinem Stande, Berufe, Alter, Geschlecht u. s. w. Die Pflichten Aller, lehrte er, sind die wichtigsten. Sie zerfallen in vier Unterarten, die uns Sankt Matthäus bezeichnet: die Pflichten gegen Gott (Ev. Matth. Kap. СКАЧАТЬ