Название: Ein moderner Lederstrumpf
Автор: Robert Kraft
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783754183892
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Das heisst, er gebrauchte viel mehr Zeit dazu; aber diese vier Worte bildeten doch den kurzen Inhalt seiner langen, wohlgesetzten Rede.
Sie hatte ein paar Mal den Fächer auf- und zugeklappt, betrachtete nachdenklich die Spitzen ihrer Tanzschuhe und wendete das Gesicht ihm zu.
»Nicht wahr, Sie fahren wohl Rad?''
»Nein, und wenn Sie meine Gattin sind, wenn Sie also Liebe für mich empfinden, so werden Sie mir zu Liebe das Radfahren aufgeben.«
»Ach, wie schade, mein lieber Sir Munro! Ich habe mir nämlich gerade gestern eine neue Maschine mit zweijährigem Garantieschein gekauft.«
»Und Sie wollen diesen Garantieschein erst abnutzen.«
»Wenigstens für ein Jahr. Länger hält das Ding doch nicht.«
»So werde ich mir erlauben, in einem Jahre wieder vorzufragen.«
Sprach's, stand auf, machte eine vorschriftsmässige Verbeugung und ging.
»Vorausgesetzt, dass Sie radeln,« erklang es ihm nach. Natürlich war es nur Scherz gewesen. Sie liebte ihn, er wusste es. Wie könnte ein Rad der Liebe im Wege stehen! Sie war noch jung, sie wollte noch ein Jahr frei sein, und er wartete geduldig. Aber radeln that sie doch noch. Allerdings nur noch dreiviertel Jahr, dann rannte ihr eine scheu gewordene Droschke in die Maschine. Sie kam mit einer verstauchten Hand weg, das Rad dagegen ging in tausend kleine Stücke, und das Geschäft, welches den Garantieschein ausgestellt hatte, wollte von einer kostenlosen Reparatur nichts wissen; sie solle sich an den Droschkengaul halten. Seit dieser Zeit radelte Ellen nicht mehr. Nun hätte er kommen können, aber er kam nicht; Munro war in allen Geschäftssachen auffallend pünktlich.
Aber jetzt war das Jahr um; jetzt hatte er seine Visitenkarte mit Titel und Adelswappen abgegeben.
»Miss Howard lässt bitten,« sagte die Kammerzofe, schloss hinter ihm die Thür und legte das Ohr an das Schlüsselloch.
Ellen sass vor einem Tisch, auf dem eine grosse Landkarte ausgebreitet lag, stand auf, neigte den Kopf, machte eine Handbewegung nach einem Stuhl und setzte sich selbst nieder.
»Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuches, Sir Munro?«
»Vor einem Jahre fragte ich Sie, ob Sie meine Gattin werden wollten,« steuerte der junge Engländer frischweg auf sein Ziel los. »In einem Jahre sollte ich die Frage wiederholen, ich thue es hiermit, denn meine Liebe zu Ihnen ist dieselbe geblieben.«
»Ich entsinne mich noch recht genau. Ja, Sir Munro, haben Sie unterdessen radfahren gelernt?«
Diesmal klang es gar nicht scherzhaft; sie sah auch recht bleich aus.
»Nein. Sie kennen meine Ansicht darüber. Dagegen weiss ich, dass Sie, seitdem Sie vor drei Monaten den schweren Sturz thaten, noch kein Rad wieder bestiegen haben.«
»Ganz richtig, aber was berechtigt Sie zu dem Glauben, dass ich deswegen nie mehr radfahren werde? Ich beabsichtige das Gegentheil, und ich muss fast annehmen, dass Sie Ihrer Frau diesen Sport verbieten werden. Ich aber würde mir das unschuldige Vergnügen nicht verbieten lassen.«
»Oh Ellen, wie können Sie so sprechen!« sagte er leise, und dabei blickte er sie so treuherzig und wehmüthig zugleich an, dass sie die Augen zu Boden schlagen musste. »Genügt Ihnen denn nicht meine Erklärung: Ich liebe Sie? Glauben Sie wirklich, ich könnte Ihnen eine Freude missgönnen, weil sie nicht mit meinen Neigungen oder Ansichten übereinstimmt? Nein, nein, Ellen! Fahren Sie ruhig Rad, und wenn Sie mich lieben, werden Sie es dennoch aufgeben, nicht meiner Launen wegen, sondern weil ich ständig in Todesangst sein werde, wenn ich meine geliebte Ellen durch die Strassen fahren weiss.«
Mit ihrer erkünstelten Fassung war es vorbei; tief liess sie das Haupt sinken.
»Ich kann nicht mehr,« flüsterte sie und ihre Augen füllten sich mit Thränen, »Sie sind zu spät gekommen.«
Eine lange Pause entstand. Schmerzlich blickte er sie an.
»Zu spät?« flüsterte auch er. »Dann freilich ....«
»Nein, nein,« unterbrach sie ihn hastig. »Ich bin frei. Aber ich habe vorhin gewettet, in 300 Tagen auf dem Rade um die Erde zu fahren und so müssen Sie wieder ein Jahr warten.«
Er glaubte nicht recht gehört zu haben. Es war aber doch eigentlich merkwürdig, sie sprach doch ganz deutlich und er hörte ganz gut. So beugte er sich etwas vor.
»Bitte, um — um — um was wollen Sie fahren?«
»Um die Erde.«
»Um — um — um die Erde?« lächelte er verlegen. »Bitte, ich verstehe immer noch nicht recht. Was ist das: die Erde? Habe noch nie davon gehört.«
»Nun, unsere Erde hier. In 300 Tagen.«
»Um — um unsere Erde hier wollen Sie fahren? Auf dem Rade? Sie meinen unsere Erde, auf der wir leben? Rund herum?«
»Jawohl, rund herum, dieselbe Tour, welcher jener Stout gemacht hat, aber in 300 Tagen, und zwar ganz allein.«
Munro fiel mit dem Rücken schwer gegen die Lehne des Stuhls, liess die Arme hängen, streckte die Beine aus, weiter als es der Anstand erlaubte, und machte sogar den Mund auf. So blieb er sitzen. Dann zog er wieder die Beine an, und um den geschlossenen Mund trat abermals jenes verlegene Lächeln, als er seitwärts nach dem Mädchen blickte.
»Nein — ach nein, Ellen! Nicht wahr, Sie machen nur ein Spässchen?«
»Leider nicht!« Und plötzlich brach ihre Verzweiflung aufrichtig durch. »Oh, Robin, warum sind Sie nicht gestern gekommen!!«
Da erstarb sein Lächeln, er sprang auf.
»Um Gottes willen! Was ist denn da passirt?« Sie erzählte. Er vergass sich so weit, dass er im Zimmer auf und ab rannte, er murmelte vor sich hin, es klang bald wie »verfluchter Club« und »verrückteWeiber«; als sie aber geendet und er vor ihr stand, da lachte er wieder fröhlich.
»Nu, was ist denn da weiter dabei! Da bezahlen Sie einfach die 10 000 Pfund und bleiben hübsch zu Hause.«
»Das kann ich nicht, nur das nicht,« wehrte aber Ellen, ihre Energie zusammennehmend, ab. »Ja, wenn es nicht gerade die Lady Barrilon wäre.«
Er sah sie aufmerksam an.
»Ah, Sie beabsichtigen, diese Dame zu ruiniren, Miss Howard, das ist — nicht schön von Ihnen.«
Jetzt stand auch sie auf, ihre Augen begannen zu blitzen.
»Sie werden mich nicht lehren, was recht ist und was nicht,« rief sie unmuthig. »Allerdings, ich möchte sie büssen lassen, und nimmermehr werde ich ihr 10 000 Pfund in den Schooss werfen.«
»Nimmermehr? Nun, Sie werden ihr die 10 000 Pfund ja doch geben müssen.«
»Wieso denn?«
»Miss Howard,« sagte er staunend, »glauben Sie denn wirklich ernstlich daran, diese Wette gewinnen zu können, diese sinnlose Fahrt überhaupt anzutreten ......«
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