Die eiserne Ferse. Jack London
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Название: Die eiserne Ferse

Автор: Jack London

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783754183885

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СКАЧАТЬ Ernst und fuhr dann fort: »Und darum sage ich Ihnen, machen Sie weiter, predigen Sie und verdienen Sie sich Ihr Geld damit, aber lassen Sie um Himmelswillen die arbeitende Klasse in Frieden. Sie stehen im Lager des Feindes. Sie haben keine Gemeinschaft mit der arbeitenden Klasse. Ihre Hände sind weich von der Arbeit, die andere für Sie getan haben. Sie essen so viel, daß Sie schon Bäuche haben. (Hier fuhr Doktor Ballingford zusammen, und alle Augen richteten sich auf seinen mächtigen Bauch. Man sagte von ihm, daß er seit Jahren seine eigenen Füße nicht mehr gesehen hätte.) Sie haben keine anderen Lehren im Kopfe als die, welche die mächtigen Grundpfeiler der herrschenden Ordnung sind. Sie sind Söldner (ehrliche Söldner, gebe ich zu) genau wie die Leute der Schweizer Garde Die aus fremden Söldnern bestehende Leibgarde Ludwigs XVI., eines Königs von Frankreich, der von seinem Volke enthauptet wurde.

      Bleiben Sie Ihrem Salz und Sold treu. Behüten Sie mit Ihren Predigten die Interessen ihrer Brotherren, aber steigen Sie nicht zur arbeitenden Klasse hinab und dienen ihr als falsche Führer. Als ehrliche Menschen können Sie nicht in zwei Lagern auf einmal stehen. Die arbeitende Klasse ist ohne Sie ausgekommen. Glauben Sie mir, sie wird es auch ferner. Und mehr noch, sie wird besser ohne Sie auskommen.«

      Als die Gäste gegangen waren, warf mein Vater sich auf einen Sessel und brach in ein schallendes Gelächter aus. Seit dem Tode meiner Mutter hatte ich ihn noch nie so lachen hören.

      »Ich wette, Doktor Hammerfield ist noch nie in seinem Leben so aufgebracht gewesen«, lachte er. »›Die Höflichkeit geistlicher Unterhaltung‹! Hast du es bemerkt, wie er sanft wie ein Lamm anfing – Everhard, meine ich –, und wie schnell er zum brüllenden Löwen wurde? Er hat einen glänzend geschulten Geist. Er hätte einen vorzüglichen Wissenschaftler abgegeben, wenn seine Energie in die Richtung gelenkt worden wäre.«

      Ich brauche kaum zu sagen, daß Ernst Everhard mich ungeheuer interessierte. Es war nicht allein das, was er gesagt, und wie er es gesagt hatte, sondern der Mann an sich. Nie war ich einem solchen Manne begegnet. Ich glaube, es kam daher, daß ich trotz meiner vierundzwanzig Jahre noch nicht verheiratet war. Er gefiel mir, das gestand ich mir selber. Und mein Gefallen an ihm beruhte auf Dingen, die jenseits von Intellekt und Argument lagen. Ungeachtet seiner schwellenden Muskeln und seines Preisboxer-Halses machte er auf mich den Eindruck eines geistreichen jungen Mannes. Ich hatte das Gefühl, daß unter der Maske eines intelligenten Eisenfressers ein zarter, empfindsamer Geist lebte. Woher dies Gefühl kam, weiß ich nicht, aber es muß wohl meine weibliche Intuition gewesen sein.

      In dieser tönenden Stimme lag etwas, das mir zu Herzen ging. Sie klang mir noch in den Ohren und ich fühlte, daß ich sie gern wiederhören – und ebensogern das Lachen in seinen Augen wiedersehen würde – dieses Lachen, das den leidenschaftlichen Ernst seines Antlitzes Lügen strafte.

      Und eine ganze Reihe wirrer, unbestimmter Gefühle regten sich in mir. Schon damals liebte ich ihn, wenn ich auch überzeugt bin, daß, hätte ich ihn nie wiedergesehen, diese unklaren Gefühle vergangen wären, und ich ihn mit Leichtigkeit vergessen hätte.

      Aber ich sollte ihn wiedersehen. Das neu erwachte Interesse meines Vaters für Soziologie, die Gesellschaften, die er gab, waren die Ursache. Mein Vater war nicht Soziologe. Seine Ehe mit meiner Mutter war sehr glücklich gewesen, und in den Forschungen, die er in seiner eigentlichen Wissenschaft, der Physik, anstellte, hatte er ebenfalls Glück gehabt. Als aber meine Mutter starb, konnte seine Arbeit nicht die entstandene Leere ausfüllen. Zuerst befaßte er sich ein wenig mit Philosophie, dann ließ er sich, als das Interesse wach wurde, in das Studium der Nationalökonomie und der Soziologie hineintreiben. Er hatte einen starken Gerechtigkeitssinn und faßte bald eine wahre Leidenschaft, geschehenes Unrecht wieder gutzumachen. Diese Zeichen neuerwachten Lebensmutes nahm ich dankbar wahr, wenn ich mir auch nicht träumen ließ, was dabei herauskommen sollte. Mit der Leidenschaft eines Jünglings stürzte er sich in diese neuen Studien, unbekümmert, wohin sie ihn führten.

      Er war stets gewohnt gewesen, im Laboratorium zu arbeiten, und so wurde unser Eßzimmer bald zu einem soziologischen Laboratorium. Hierher kamen zum Essen Männer aller Art und Klassen – Gelehrte, Politiker, Bankleute, Kaufleute, Professoren, Arbeiterführer, Sozialisten und Anarchisten. Er reizte sie zur Diskussion und analysierte ihre Gedanken über Leben und Gesellschaft.

      Ernst hatte er kurz vor dem »Pastoren-Abend« kennengelernt. Und als die Gäste gegangen waren, erfuhr ich, wie er seine Bekanntschaft gemacht hatte. Beim Passieren einer Straße war er eines Abends stehengeblieben, um einem Manne zuzuhören, der auf einer Seifenkiste stand und zu einer Schar von Arbeitern redete. Der Mann auf der Kiste war Ernst. Aber er war kein gewöhnlicher Seifenkistenredner. Er stand in hohem Ansehen bei der sozialistischen Parteileitung, war einer der Führer, und zwar der anerkannte Führer in der sozialistischen Philosophie. Aber er hatte eine klare bestimmte Art, Schwerverständliches in einfachen Worten auszudrücken, er war der geborene Erklärer und Lehrer und verschmähte die Seifenkiste nicht als ein Mittel, den Arbeitern seine Parteilehren darzulegen.

      Mein Vater war stehengeblieben, um zuzuhören, hatte Interesse gefaßt, ihn angeredet und ihn, nachdem die Bekanntschaft gemacht war, zum »Pastoren-Abend« eingeladen. Nach der Gesellschaft erzählte mir mein Vater das wenige, was er von ihm wußte. Er stammte aus der Arbeiterklasse, wenn er auch zu den Everhards gehörte, die schon vor mehr als zweihundert Jahren in Amerika ansässig gewesen waren In jenen Tagen machte man einen scharfen Unterschied zwischen Eingeborenen und Eingewanderten.. Im Alter von zehn Jahren mußte er schon in der Mühle arbeiten, und später kam er in die Lehre und wurde Hufschmied. Er war Autodidakt, hatte sich selbst Deutsch und Französisch beigebracht, und fristete nun sein Leben durch das Übersetzen wissenschaftlicher und philosophischer Werke für einen schwer kämpfenden sozialistischen Verlag in Chicago. Seine Einnahmen wurden vermehrt durch das geringe Honorar, das seine eigenen volkswirtschaftlichen und philosophischen Schriften ihm eintrugen.

      Soviel erfuhr ich, ehe ich zu Bett ging, und lange lag ich wach und hörte im Geist noch den Klang seiner Stimme. Ich erschrak vor meinen eigenen Gedanken. Er war so anders als die Männer meiner Klasse, so fremdartig und so stark. Seine Überlegenheit entzückte und erschreckte mich zugleich, denn meine phantastischen Gedanken trieben ihr mutwilliges Spiel soweit, bis ich mich dabei ertappte, daß ich ihn mir als meinen Geliebten, als meinen Gatten vorstellte. Ich hatte stets gehört, daß die Stärke eines Mannes eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf Frauen ausübte; aber er war zu stark. »Nein! Nein!« rief ich. »Es ist unmöglich, unsinnig!« Und am Morgen erwachte ich mit der Sehnsucht, ihn wiederzusehen. Ich wollte ihn sehen, wie er andere Männer mit dem kriegerischen Klang seiner Stimme in der Diskussion abtat; ihn sehen, in all seiner Sicherheit und Kraft, wie er sie aus ihrer Behaglichkeit herausriß und aus ihren ausgetretenen Gedankenbahnen rüttelte. Warum er seine Klopffechterei betrieb? Um seinen eigenen Ausdruck zu gebrauchen, weil es »zog«, Effekt machte. Und zudem war seine Klopffechterei ein prachtvolles Schauspiel. Sie erregte einen wie der Angriff zur Schlacht.

      Mehrere Tage vergingen, in denen ich Ernsts Bücher las, die mein Vater mir lieh. Er schrieb, wie er sprach, knapp, klar und überzeugend. Eben diese klare Schlichtheit war es, die selbst dann überzeugte, wenn man noch zweifelte. Er hatte die Gabe, Klarheit um sich zu verbreiten. Er war der vollendete Erklärer. Und doch war ich trotz seinem Stil in vielem nicht mit ihm einverstanden. Er legte zuviel Gewicht auf das, was er Klassenkampf nannte – den Gegensatz zwischen Arbeit und Kapital, den Streit der Interessen. Vater erzählte mir mit großem Vergnügen das Urteil, das Doktor Hammerfield über Ernst gefällt hatte, und das in der Behauptung gipfelte, Ernst sei »ein frecher junger Laffe, den sein bißchen sehr unzureichendes Wissen aufgeblasen hätte«. Doktor Hammerfield wünschte auch nicht wieder mit ihm zusammenzutreffen.

      Dagegen erklärte Bischof Morehouse, daß Ernst ihn interessiere, und daß er ihn gern wiedersehen wolle. »Ein starker junger Mann«, sagte er. »Und lebhaft, sehr lebhaft. Aber er ist zu sicher, zu sicher.«

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