Название: Die eiserne Ferse
Автор: Jack London
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783754183885
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»Wie konnten seine Antworten nachteilig sein, wenn er das Recht auf seiner Seite hatte?« fragte ich.
»Was hat das mit Recht zu tun?« fragte er zurück. »Sehen Sie alle diese Bücher.« Er wies mit der Hand auf eine Reihe von Bänden an den Wänden seines winzigen Bureaus. »Alles, was ich in ihnen gelesen und studiert habe, hat mich gelehrt, daß Gesetz und Recht zweierlei sind. Fragen Sie jeden Anwalt, den Sie wollen. In der Sonntagsschule lernt man, was Recht ist. Aus diesen Büchern aber lernt man eines: Gesetz.«
»Wollen Sie damit sagen, daß Jackson im Recht war und doch verurteilt wurde?« forschte ich. »Wollen Sie sagen, daß es keine Gerechtigkeit in Caldwells Gericht gibt?«
Der kleine Anwalt starrte mich einen Augenblick an, dann aber schwand die Energie aus seinen Zügen.
»Ich hatte keine Möglichkeit«, begann er wieder jammernd. »Sie haben Jackson zum Narren gemacht und mich auch. Welche Möglichkeiten hatte ich auch. Ingram ist ein großer Jurist. Wäre er das nicht, würden ihm dann die Sierra-Spinnereien, das Erston Land-Syndicate, die Berkeley Consolidated, die Oakland, San Leandro und Pleasenton Elektrizitätswerke die Führung ihrer Rechtsgeschäfte übertragen haben? Er ist Trustanwalt, und ein Trustanwalt wird nicht umsonst bezahlt Aufgabe der Trustanwälte war es, durch korrupte Methoden den geldrafferischen Neigungen der Trusts zu dienen. Hierauf bezieht sich, was Theodore Roosevelt, damals Präsident der Vereinigten Staaten, im Jahre 1905 sagte: »Wir alle wissen, daß, wie die Dinge zur Zeit liegen, viele der einflußreichsten und bestbezahlten Mitglieder der Gerichtsbarkeit in jedem Zentrum des Reichtums es sich zur besonderen Aufgabe machen, kühne und feindurchdachte Pläne auszuarbeiten, die ihre wohlhabenden Klienten, seien es einzelne Persönlichkeiten oder Korporationen, instandsetzen, die Gesetze zu umgehen, die den Nutzen der großen Reichtümer zum Besten der Gesamtheit regulieren sollten.«. Wofür meinen Sie wohl, zahlt die Sierra-Spinnerei allein ihm zwanzigtausend Dollar jährlich? Natürlich, weil er ihnen zwanzigtausend Dollar jährlich wert ist. Ich bin nicht soviel wert. Wäre ich es, so stünde ich nicht abseits, darbte und übernähme Prozesse wie den Jacksons. Was, glauben Sie, hätte ich bekommen, wenn ich den Prozeß gewonnen hätte?«
»Aller Wahrscheinlichkeit nach hätten Sie Jackson ausgeplündert«, antwortete ich.
»Selbstverständlich!« rief er ärgerlich. »Ich muß doch auch leben, nicht wahr Eine typische Illustration des mörderischen Ringens, das die ganze Gesellschaft umfaßte. Die Menschen plünderten sich gegenseitig wie raubgierige Wölfe. Die großen Wölfe fraßen die kleinen, und in diesem Rudel war Jackson einer der allerkleinsten.?«
»Er hat Frau und Kinder«, tadelte ich ihn.
»Ich auch«, erwiderte er. »Und außer mir kümmert sich kein Mensch in der Welt darum, ob sie darben oder nicht.«
Seine Züge wurden plötzlich weich, er öffnete seine Uhr und zeigte mir die auf die Innenseite des Deckels geklebte Photographie von einer Frau und zwei kleinen Mädchen.
»Das sind sie, sehen Sie sie an. Wir haben schwere Zeiten durchgemacht, schwere Zeiten. Ich hatte gehofft, sie aufs Land schicken zu können, wenn ich Jacksons Prozeß gewann. Sie brauchen Landluft, aber ich kann es mir nicht leisten, sie fortzuschicken.«
Als ich mich zum Gehen anschickte, verfiel er wieder in sein Jammern.
»Ich habe nicht die geringsten Aussichten. Ingram und der Richter Caldwell sind befreundet. Ich will nicht sagen, daß diese Freundschaft den Prozeß entschieden haben würde, wenn ich im Kreuzverhör die Zeugen zu den richtigen Aussagen bekommen hätte. Aber Caldwell tat doch sein Möglichstes, um zu verhindern, daß ich das richtige Beweismaterial zusammen bekam. Caldwell und Ingram gehören derselben Loge und demselben Klub an. Sie sind Nachbarn in einer Gegend, wo ich es mir nicht leisten kann zu wohnen. Und ihre Frauen besuchen sich immer. Sie haben ihre gemeinsame Whistpartie und lauter ähnliche Dinge.«
»Und glauben Sie noch, daß Jackson im Recht war?« fragte ich, indem ich einen Augenblick auf der Schwelle stehenblieb.
»Ich glaube nicht, ich weiß nicht«, lautete die Antwort. »Zuerst glaubte ich auch, daß er Aussichten hätte. Aber ich sagte meiner Frau nichts davon. Ich wollte ihr keine Enttäuschung bereiten. Ihr Herz hing an einem Aufenthalt auf dem Lande, so schwer das auch zu machen war.«
»Warum lenkten Sie nicht die Aufmerksamkeit auf die Tatsache, daß Jackson die Maschine vor Schaden zu bewahren versuchte?« fragte ich Peter Donnelly, einen der Werkführer, die vor Gericht ausgesagt hatten. Er überlegte lange, ehe er antwortete. Dann warf er einen scheuen Blick um sich und sagte: »Weil ich eine brave Frau und drei der süßesten Kinder habe, die Ihre Augen je erblickt haben. Deshalb.«
»Ich verstehe Sie nicht«, sagte ich.
»Mit andern Worten, weil es nicht ratsam gewesen wäre«, antwortete er.
»Sie meinen –« begann ich.
Er unterbrach mich heftig.
»Ich meine, was ich sage. Ich arbeite seit vielen Jahren in der Spinnerei. Als Kind fing ich an den Spindeln an und habe mich seitdem langsam heraufgearbeitet. Nur durch schwere Arbeit habe ich meine jetzige Stellung erlangt. Ich bin Werkführer, mit Verlaub. Und ich zweifle, daß in der ganzen Spinnerei sich eine Hand ausstrecken würde, um mich vor dem Ertrinken zu retten. Ich war immer Mitglied der Gewerkschaft. Aber bei zwei Streiks habe ich der Gesellschaft geholfen. Sie nannten mich einen Streikbrecher. Nicht einer von ihnen würde ein Glas mit mir trinken, wenn ich ihn dazu einlüde. Sehen Sie die Narben an meinem Kopfe? Sie stammen von Ziegelsteinen, die nach mir geworfen wurden. Kein Kind an den Spindeln, das meinen Namen nicht verfluchte. Mein einziger Freund ist die Gesellschaft. Und nicht aus Pflichtgefühl stehe ich zu ihr, Brot und Butter und das Leben meiner Kinder binden mich an sie. Das ist es.«
»War Jackson zu verurteilen?« fragte ich.
»Er hätte Schadenersatz haben sollen. Er war ein guter Arbeiter, der nie krakeelte.«
»War es Ihnen denn nicht möglich, die ganze Wahrheit zu sagen, wie Sie geschworen hatten?«
Er schüttelte den Kopf.
»Die Wahrheit, die reine Wahrheit, und nichts als die Wahrheit?« sagte ich feierlich.
Wieder wurde sein Gesicht leidenschaftlich erregt, und er hob es nicht zu mir, sondern zum Himmel.
»Für meine Kinder würde ich Seele und Leib in ewiger Hölle brennen lassen«, lautete seine Antwort.
Henry Dallas, der Generaldirektor, war ein Mensch mit einem Fuchsgesicht, der mich frech ansah und sich weigerte, über die Sache mit mir zu sprechen. Nicht ein Wort über die Gerichtsverhandlung und seine Aussage konnte ich aus ihm herausbekommen. Aber bei dem andern Werkführer hatte ich mehr Glück. James Smith war ein Mann mit harten Zügen, und das Herz sank mir in die Schuhe, als ich vor ihm stand. Auch er machte den Eindruck, daß er keinen freien Willen hätte, und als ich mit ihm sprach, bemerkte ich, daß er geistig höher stand als der Durchschnitt seiner Klasse. Er stimmte mit Peter Donnelly darin überein, daß Jackson hätte entschädigt werden müssen, ja, er ging sogar noch weiter und nannte die Handlungsweise, die den durch einen Unfall zum Krüppel gewordenen Arbeiter brotlos gemacht hatte, herzlos und gemein. Er erklärte auch, daß Unfälle in der Spinnerei häufig seien, und daß die Gesellschaft die Politik verfolge, alle sich daraus ergebenden Schadenersatzansprüche bis zum bitteren Ende zu bekämpfen.
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