Название: Siebenkäs
Автор: Jean Paul
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783754175224
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– »Lassen Sie doch«, sagte Siebenkäs, »meiner guten Augsburgerin ihre lutherischen Beugungen; sie tut mir ordentlich damit sanft, mit solchen unregelmäßigen Zeitwörtern; sie sind ja schmalkaldische Artikel aus der augsburgischen Konfession.« – Hier zog sie das Ohr ihres Mannes freundlich an ihren Mund herab und sagte: »Was koch' ich abends? – Du könntest es aber dem Herrn wohl sagen, daß ichs mit meinen Reden ja gut gemeint. – Und frage doch, mein lieber Firmian, wenn ich draußen bin, den geistlichen Herrn, ob unsere Ehe in der Hl. Schrift recht erlaubt ist.« Er fragte sogleich jetzo; der Pelzstiefel antwortete langsam: »Wenn man auch nichts erwägt als das Beispiel der Lea, die anonym unter dem Pseudo-Namen Rahel noch in der Hochzeitnacht dem Jakob zugeschoben worden und deren Ehe die Bibel gutgeheißen: so wär' uns das schon genug; wechseln denn aber die Namen oder die Leiber Ringe? und kann denn der Zweck der Ehe von einem Namen erreicht werden?« – Ein gegen ihn aufgehobenes, in Milde zergangenes Angesicht und ein demütiges Auge voll Heiterkeit waren Lenettens Antwort auf seine Frage und ihr Dank für seinen Konsistorialbescheid.
Sie ging in die Küche, kam aber unaufhörlich wieder, um immer an den Tisch, woran beide Männer saßen, zu treten und das Licht zu schneuzen – was wohl niemand in der ganzen Stube ihr als eine besondere Sehnsucht und Dankbarkeit für Stiefel auslegen wird als höchstens ich und der Advokat –; der Schulrat inzwischen entriß ihr beständig die Lichtschere und beteuerte: es sei seine Schuldigkeit. Siebenkäs sah wohl, daß Stiefels beide Nebenplaneten von Augäpfeln sich immer um seinen Uranus (Lenetten) drehten; aber er vergönnte gern dem lateinischen Ritter dieses von einer Dulzinee versüßte Ritteralter und vergab, wie meistens die Männer, einem Nebenbuhler eher als einer Ungetreuen – wie die Weiber hingegen mehr die Nebenbuhlerin hassen als den Ungetreuen –; er wußte noch dazu, daß Stiefel selber nicht wisse, was oder wen er wolle und liebe, und daß er alle Schulleute und Autoren leichter rezensiere als sich; denn so hielt der Rat z. B. seinen Zorn für Amteifer, seinen Stolz für Amtwürde, sein Leben für ein tägliches Sterben, seine Leidenschaften für Schwachheitsünden und diesesmal seine Liebe für Menschenliebe. Lenettens Treue war vom Schlußstein der Religion fest gewölbt, und durch des Venners Erschütterung hatte sich das hl. Kirchengewölbe nicht im geringsten gesenkt.
Jetzo watete der Postbote herauf mit einem neuen Sternbilde, das er in den friedlichen Familien-Himmel setzte, mit diesem Briefe von Leibgeber:
Baireuth,
den 21. September 1785
Mein lieber Bruder und Vetter und Oheim
und Vater und Sohn!
Denn Deine zwei Herzohren und zwei Herzkammern sind mein ganzer Sippschaftbaum; wie Adam, wenn er spazieren ging, seine ganze künftige Blutverwandtschaft und seine lange niedersteigende Linie – noch ist sie nicht ausgezogen und zu Ende rastriert – bei sich führte, bis er Vater wurde und seine Frau zeugte. Wollte Gott, ich wäre der erste Adam gewesen!... Siebenkäs, ich beschwöre Dich, laß mich diesem Gedanken besessen nachsetzen und im ganzen Briefe kein Wort weiter vorbringen, als was das Kniestück von mir als erstem Menschenvater weiter malt! –
Gelehrte kennen mich wenig, welche vermuten, ich wünsche deshalb der Adam zu sein, weil Pufendorf und viele andere mir die ganze Erde als eine europäische Besitzung im Indien des Universums, als mein patrimonium Petri, Pauli, Judae und übriger Apostel rechtlich zuerkennen, indem ich als der einzige Adam und Mensch, folglich als der erste und letzte Universalmonarch, wenn auch noch ohne Untertanen, auf die ganze Erde Anspruch machen konnte und durfte. An solche Dinge mag wohl der Papst als heiliger, wenn auch nicht erster Vater denken, oder er hat schon vor Jahrhunderten daran gedacht, da er sich als den Majorat- und Erbherrn aller der Erde einverleibten Länder aufstellte, ja sich nicht einmal schämte, auf seine Erdenkrone noch ein Paar. eine Himmel- und eine Höllenkrone, zu türmen.
Wie wenig will ich haben! Bloß darum hätt' ich der alte und älteste Adam sein mögen, um an meinem Hochzeitabend mit der Eva außen am Spalier des Paradieses in unsern grünen Tändelschürzen und in unsern Pelzen auf und ab zu spazieren und eine hebräische Hochzeitrede an die Mutter aller Menschen zu halten.
Eh' ich die Rede anfange, merk' ich an, daß ich vor meinem Falle den überaus glücklichen Gedanken gehabt, das Vorzüglichste von meiner Allwissenheit aufzunotieren. – Denn ich hatte im Stande der Unschuld alle Wissenschaften innen, die Universal- wie die Gelehrtenhistorie, die verschiedenen peinlichen und andern Rechte und die alten toten Sprachen sowohl als die lebendigen und war gleichsam ein lebendiger Pindus und Pegasus, eine tragbare Loge zum hohen Licht und gelehrte Gesellschaft und ein Taschen-Musensitz und kurzes goldnes Siècle de Louis XIV – bei dem Verstande also, den ich hatte, wars damals weniger ein Wunder als ein Glück, daß ich das Beste von meiner Allwissenheit in müßigen Stunden zu Papier brachte: – als ich nachher fiel und einfältig wurde, hatt' ich die Exzerpten oder ein räsonierendes Verzeichnis meines vorigen Wissens in Händen und schöpfte daraus.
»Jungfer!« – so fing ich hinter dem Paradies den Sermon an – »wir sind zwar die ersten Eltern und gesonnen, die andern Eltern zu zeugen; aber du denkst an nichts, wenn du nur mit deinem Löffel in einen verbotenen Äpfel-Mus fahren kannst. Ich als Mann und Protoplast sinne nach und will heute im Auf- und Abgehen der Hochzeitprediger und Strohkranzredner – ich wollt', ich hätte mir einen fremden dazu gezeugt – bei unserer heiligen Handlung sein und mir und dir in einer kurzen Traurede vorstellen:
Die Zweifels- und die Entscheidgründe oder die rationes dubitandi und decidendi der Protoplasten – oder das erste Eltern- und Hochzeit-Paar (ich und du nämlich) begriffen im Reflektieren und Betrachten – und zwar wie es betrachtet
in der ersten Pars die Ursachen und Gründe, die Erde nicht zu besamen, sondern heute noch auszuwandern, das eine in die alte, das andere in die neue Welt – und in der
zweiten Pars die Gründe, es dennoch bleiben zu lassen und zu heiraten; – worauf dann ein kurzer Elenchus oder usus epanorthoticus erscheinen und die Nacht beschließen muß.
I. Pars
Andächtige Zuhörerin! so wie du mich da siehst im Schafpelze, ernsthaft, denkend und recht: so steck' ich doch voll Narrheiten nicht sowohl als voll – Narren, die mancher Weise als Einschiebsel durchschießt. Ich bin zwar kleiner Statur und das WeltmeerDer französische Akademist Nikolaus Henrion zerrete den Adam bis zu 123 Fuß 9 Zoll lang, Hevam 118 Fuß 9¾ Zoll. Die Rabbinen berichten das Obige, daß Adam nach dem Fall durch den Ozean gelaufen. S. den 11. bibl. Discours von Saurin. lief mir ziemlich über die Knorren und besprützte mein neues Tierfell; aber beim Himmel! ich wandle hier mit einem Säetuch umhangen, worin die Sämerei aller Völker liegt, auf und ab und trage das Repertorium und die Verlagkasse des ganzen Menschengeschlechts, eine ganze kleine Welt und einen orbem pictum vor mir her, wie Hausierer ihr offnes Warenlager auf dem Magen. Denn Bonnet, der im Magen mit steckt, wird, wenn er herausgehoben wird, sich niedersetzen und es auf seinem Schreibpulte dartun, daß alles ineinanderstecke, eine Parenthese und Schachtel in der andern, daß im Vater der Sohn, im Großvater jene beiden, im Urgroßvater folglich der Großvater mit seinem Inserat, im Ururgroßvater der Urgroßvater mit dem Inserat des Inserats und mit allen seinen Episoden sitze und warte. Sind denn deinem Bräutigam allhier – denn dir, liebe Braut, kann man gar nicht faßlich genug sein – nicht einverleibt alle Religionparteien und, die Präadamiten ausgenommen, sogar die AdamitenDie bekannte Sekte, die unbekleidet in die Kirche ging. und alle Riesen, selber der große Christoffel – jedes Völkerpersonale – alle für Amerika bestimmte Schiffladungen von СКАЧАТЬ