Siebenkäs. Jean Paul
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Название: Siebenkäs

Автор: Jean Paul

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783754175224

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СКАЧАТЬ style="font-size:15px;">      Der Straßen-Gottesdienst und die Sing-Ständchen heben nun an. – Blinde singen, wie geblendete Finken, besser, aber lauter – die Lahmen gehen – die Armen predigen das Evangelium selber – die Taubstummen lärmen sehr und läuten die Messe ein mit einem Glöckchen – einer fähret mitten in die Arie des andern mit seiner eignen hinein – vor jeder Haustüre klappert ein Vaterunser, und drinnen in der Stube kann niemand mehr sein eignes Fluchen hören – einerseits werden ganze Heller-Kabinetter verspendet, anderseits eingesteckt – die einbeinige Soldateska wirft in ihre Stoßgebete Flüche als Pfeffer und sakramentiert entsetzlich, weil man ihr so wenig verehrt – kurz, der Marktflecken, der sich heute letzen wollte, ist fast mit Sturm eingenommen vom Bettelpack.

      Jetzo erscheinen erst die Krüppel und Preßhaften. Wer ein verholztes Ersatz- oder Vexierbein unter dem Leibe hält und wem eine katholische Wallfahrt-Kapelle zu weit abliegt, der setzt das Nachbein samt dem langen Drittbein und Mitarbeiter, der Krücke, in Gang nach Kuhschnappel und pfählt und pflanzt den spitzigen Fuß nahe am dortigen Tore in nasses Land und wartet, ob das Holz gedeiht und trägt. Wer keine Arme oder doch keine Hände mehr hat, der strecket beide dort aus nach einer geringen Gabe. Wen der Himmel mit dem Talente der Bettler, mit Krankheit, besonders mit den Bettler-Vapeurs, mit Gicht, mäßig ausgesteuert hat, der nimmt sein Pfund und seinen zur Krankheit gehörigen Körper und erhebt damit seine Römermonate von Gesunden. – Wer nur überhaupt als Kupferstich vorn vor Krankheitlehren ebensogut stehen könnte wie vor Toren: der tritt unter diese und berichtet, was ihm fehlet, und das ist vorderhand das fremde Geld. – Es sind viele Beine, Nasen, Arme in Kuhschnappel zu haben, aber doch noch viel mehr Menschen; jedoch angestaunet, obwohl nicht erreicht, sondern nur beneidet – wiewohl bloß von Makulaturseelen, die keinen Vorzug, ohne ihn zu fodern, sehen können – wird ein außerordentlicher Kerl, der nur halb noch da ist, weil seine andere Hälfte schon im Grabe liegt und ihm alles, ist, was Schenkel heißt, weggeschossen ist; denn diese Schüsse setzen ihn in Stand, das Primat und Generalat der Krüppel an sich zu reißen und sich überhaupt als einen Halbgott, dessen Geist statt eines Körperkleides nur noch ein Kollet, ein kurzes Wams, umhat, auf einem Triumph-Karren vor allen herumschieben zu lassen. »Ein Soldat«, sagte Siebenkäs, »der noch mit einem Beine behaftet ist und der deshalb mit dem Schicksal rechten will und es wohl gar fragt: ›warum bin ich nicht zusammengeschossen wie dieser Krüppel und erfecht' ein so schmales Almosen?‹ der bedenkt nicht, daß auf der einen Seite noch tausend andere Krieger neben ihm sind, die nicht einmal ein hölzernes Bein besitzen (geschweige mehre) und die diesen Brand- und Bettelbrief gänzlich entbehren, und daß er auf der andern Seite, wenn ihm die Kugeln noch so viele Glieder abgenommen, immer noch fragen könnte: ›warum nicht mehr?‹« –

      Siebenkäs machte sich lustig über das Elend, weil dieses selber sich lustig macht; aber er schlug auf der andern Seite keinen staatswissenschaftlichen Lärm darüber auf, wenn das Elend zuviel soff und fraß – wenn einmal vor einem Hirtenhause der ganze Lazarettwagen ausstieg, und wenn drinnen die Zugpflaster, die Märtererkronen, die Stachelgürtel und Härenhemden abfielen und nichts übrig blieb als ein frisches menschliches Wesen, das eine Minute aufhörte zu seufzen – und wenn, da alle Menschen nicht bloß um zu leben, sondern um zuweilen besser zu leben, arbeiten, auch der Bettler etwas Besseres haben will als sein tägliches Auskommen, und wenn der Krüppel die Göttin der Freude, die unsere Tanzsäle nur en masque besucht, in seine getäfelte Tanzscheune als Mittänzerin hineinzieht, und wenn ihr im Walzen mit dem Krüppel die schwüle Maske abfällt. – –

      Um 11 Uhr warf der Teufel, wie ich halb vermutet, eine Hand voll Brummfliegen in Firmians Brautsuppe – nämlich einen Bräutigam selber, den Hrn. Rosa v. Meyern, der seinen Besuch auf nachmittags (statt einer Realterrition) anbot, weil er da den Marktplatz besser überschauen könne, hatt' er als Patrizier sagen lassen. Arme Honoratioren, die in keinem andern Hause etwas zu befehlen haben als in ihrem eigenen, machen in ihres leicht Schießscharten, um daraus zu feuern auf den Feind, der von – innen angreift. Der Advokat hatte in jede Schale seiner Themiswaage eine Unhöflichkeit gegen den Venner zu werfen und suchte bloß die kleinste herauszufinden – die eine war, ihm sagen zu lassen, er möge bleiben, wo er wäre, die andere war, ihn hereinzulassen und übrigens zu tun, als sitze der Kauz im Monde. – Siebenkäs wählte die letzte als die kleinste.

      Die guten Weiber müssen immer die Himmelleiter tragen und halten, auf der die Männer ins Himmelblau und in die Abendröte steigen; diese Visite wurde als eine neue Landfracht auf die zwei Tragestangen der Arme Lenettens geworfen. Die Schwemme aller beweglichen Habe und der Weihwedel aller unbeweglichen kamen wieder in Gang. Lenette war Meyern, dem Bräutigam der Kindermörderin, von Herzen gram: gleichwohl wurden alle Glättmaschinen an die Stube angesetzt; ja ich glaube, Weiber putzen sich für Feindinnen noch besser an als für Freundinnen. – Der Advokat ging mit langen Schlußketten wie ein Gespenst behangen einher und wollt' ihr den Gedanken beibringen, sich um den Hasen nichts zu scheren – es half nichts, sie sagte: »Was würd' er von mir denken!« Bloß als sie seinen alten Dintenkopf, worin er erst Dintenpulver für die Auswahl aus des Teufels Papieren zergehen ließ, als eine Krudität der Stube vertrieben, und als sie an die heilige Arche seines Schreibtisches greifen wollte: dann richtete sich der Ehevogt auf und setzte sich auf die Hinterfüße und zeigte mit den vordern auf die Demarkationlinie.

      Rosa erschien! – Verfluchen oder totprügeln konnte den Jüngling eigentlich keine nur ein wenig weiche Seele; man gewann ihn vielmehr allezeit in dem Zwischenraum seiner Streiche lieb. Er hatte weißes Haar an Kopf und Kinn und war überhaupt sanft und hatte wie die Insekten fast Milch statt des Blutes in den Adern, so wie die Pflanzen, die vergiften, meistens weiße Milchsäfte haben. Er vergab leicht, ausgenommen den Mädchen, und vergoß abends im Theater oft mehr Tränen, als er mancher Verführten abgedrücket hatte – sein Herz war überhaupt nicht von Stein oder Höllenstein, und wenn er lange betete, wurd' er andächtig und suchte die ältesten Glaubenlehren hervor, um ihnen beizufallen. – Der Donner war für ihn eine Nachtwächterschnarre, die ihn aufweckte aus dem leisen Schlafe der Sünde. – Dürftigen griff er gern unter die Arme, zumal unter schöne. – Im ganzen genommen kann er selig werden, zumal da er nicht, wie etwan die Schuldner der großen Welt, seine Spielschulden bezahlt, und da er in seinem Herzen ein angebornes Duellmandat gegen Schießen und Hauen besitzt. Sein Wort hält er freilich noch nicht; auch würd' er, wenn er ärmer wäre, ohne Bedenken stehlen. Gewichtigen Leuten legt' er sich wedelnd zu Füßen, aber die Weiber zerrt' er wie ein Schoßhund an der Schleppe oder setzte sich mit entblößtem Gebisse zur Wehre.

      Solche biegsame Wasserschößlinge flattern vor jedem satirischen Schlage zurück, und es ist ihnen, so sehr sie ihn verdienen, keiner beizubringen, weil die Einwirkung sich nur wie der Widerstand verhält; und Siebenkäs wünschte, Meyern wäre roher und rauher; denn gerade diese nachgiebigen, bereuenden, kraft- und saftlosen weichen Geschöpfe stehlen Glück, Kassenbestand, weibliche Unschuld, Ämter und guten Namen und sind völlig dem Mäusegift oder Arsenik ähnlich, der, wenn er echt ist, ganz weiß, glänzend und durchsichtig scheinen muß.

      Rosa erschien, sag' ich; aber unendlich schön: sein Schnupftuch war eine große, und seine beiden Locken zwei kleine Molucken voll Wohlgeruch – auf der Weste war (nach damaliger Sitte) ein ganzer gemalter Viehstand oder Zimmermanns zoologische Karte – seine Beinkleidchen und sein Röckchen und alles salzte die Weiber im Hause bloß durch den Vorübergang zu Lothischen Salzsäuren ein. Mich aber, gesteh' ich, blenden mehr seine bereiften sechs Ringfinger: – Schattenrisse, Gemälde, Steine, sogar Käferflügeldecken waren schön zum goldnen Beschlage seiner Finger verbraucht.

      Von der Hand kann man recht gut den Ausdruck »sie wird mit Ringen wie ein Huf beschlagen« brauchen, da man ihn ja schon längst auf den Roßhuf selber anwandte, von welchem doch Daubenton durch Zergliederung erwiesen, daß er alle Teile unserer Hand befasse. Der Gebrauch dieser Hand- oder Fingerschellen ist unschuldig, ja Ringe sind Leute, die in den Nasen welche brauchen, an den Fingern unentbehrlich. Denn nach der angenommenen Meinung sind diese metallne Überbeine der Finger zur Verunstaltung schöner Hände erfunden, gleichsam als Ketten und Nasenringe, um die Eitelkeit zu zähmen; daher Fäuste, die an sich häßlich sind, СКАЧАТЬ