Название: Siebenkäs
Автор: Jean Paul
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783754175224
isbn:
Am Sonnabend fuhren beide denn im Marktflecken vor – war irgendwo etwas vom Grandat des Fleckens wohnhaft, da hielt man still, gab den Passagierzettel ab, fuhr weiter und verstieß gegen nichts. Viele Herren und Damen schossen zwar Böcke und vermengten den Zettelträger mit dem unten sitzenden jungen Ehemann; – aber der Zettelträger verblieb ernsthaft und wußte, der Spaß habe seine Zeit. Die zuweilen radierten Blätter wurden nach dem Adreßkalender abgereicht, erst an die regierenden Geschlechter, sowohl im Hohen als Kleinen Rate – an die 70 Herren des Großen und an die 13 des Kleinen Rats – folglich bekam (denn daraus besteht der Kleine) der Schultheiß, der Seckelmeister (d. h. Finanzpräsident), die 2 Venner (d.h. Finanzräte), der Heimlicher (sozusagen der Volktribun) und die restierenden 8 Ratherren jeder sein Blatt – bis der Wagen herabfuhr und die kleinern Staatbedienten in den verschiedenen Kammern und Kommissionen mit ihren Karten versorgte, als da sind die Holz-, die Jäger-, die Reformationkammer, welche letzte dem Luxus begegnet, und die Fleischtaxe-Kommission, die ein einziger Metzgermeister, aber ein guter alter Mann, verwaltet. – –
Ich muß besorgen, ich habe mir selber ein oder ein Paar Beine untergestellt, da ich der gelehrten und statistischen Welt von der reichsstädtischen Verfassung des Reichsmarktfleckens Kuhschnappel, der eigentlich eine kleine Reichsstadt ist und eine große war, nichts vormappieret habe, keinen Conspectus, keinen Grundriß, gar nichts. Gleichwohl kann ich hier mitten im Schusse des Kapitels unmöglich einhalten, sondern ich muß warten, bis wir alle unten am Ende stehen, wo ich die statistische Krambude bequemer aufschlage. –
– Das Rad der Fortuna fing bald an zu knarren und Kot auszuspritzen; denn als Leibgeber den Achtels-Aushängebogen von Siebenkäsens Ehestand ins Haus des Heimlichers v. Blaise, des Vormunds, trug, empfing eine lange, hagere, in Kattun-Wimpeln eingewindelte Störstange von Frau, die Heimlicherin, ihn zwar mit Wärme, aber mit derjenigen, womit man gewöhnlich Menschen prügelt, und welche auch die bedenklichen Worte aussprach: »Mein Mann ist Heimlicher in der Stadt, und er ist auch ganz und gar nicht zu Hause. – Bei ihm ist nichts zu siebenkäsen, er ist der Tutor und dabei der Vormund von den allernobelsten Patriziern. – Man kann sich sogleich wieder fortscheren; denn bei ihm kommt man an den unrechten Mann.« – »Letztes sollt' ich selber glauben«, versetzte Leibgeber.
Der Mündel Siebenkäs suchte jetzo seinen Brief- oder Blattträger etwas mit der Frau durch die Bemerkung auszusöhnen, daß sie wie alle gute Hunde den Fremden erst anbelle, eh' sie ihm apportiere; und als der ängstlichere Freund ihn befragte: er werde doch allen giftigen Exzeptionen, die der Vormund aus dem Umtausche des Namens gegen die Auszahlung seiner Gelder saugen könnte, juristisch vorgebogen haben, so gab er ihm den Trost, er habe schon, eh' er sich als Siebenkäs niedergelassen, sich die Meinung und den Beifall seines Vormunds schriftlich geben lassen; und zu Hause soll' ers sehen.
– Aber zu Hause war der Brief von Blaise nirgends zu finden – in keinem Koffer – in keinen akademischen Heften – nicht einmal unter den leeren Papieren – er blieb weg. »Bin ich doch ein Narr!« sagte der Mündel, »brauch' ich ihn denn?« –
»Komm lieber (sagte plötzlich in einem tiefern Tone sein Freund, der bisher die Sonnabendzeitungen überblättert hatte, und steckte sie ein) und mach' einen Sprung ins Feld.« – Draußen gab er ihm verlegen das Intelligenzblatt von Schaffhausen – den Schwäbischen Merkur – die Stuttgarter Zeitung – und den Erlanger und sagte: »Da sieh deinen tutelarischen Halunken!« –
In allen diesen Blättern standen die Parallelstellen:
»Nachdem Hoseas Heinrich Leibgeber, jetzo in seinem 29. Jahre stehend, anno 1774 sich auf die Akademie Leipzig begeben, seit diesem Zeitraum aber nicht das geringste von sich hören lassen: also wird auf Ansuchen seines Vetters, des Hrn. Heimlichers v. Blaise, ihm das unter seiner vormundschaftlichen Verwaltung stehende Vermögen, bestehend in 1200fl. rhnl., da die Verschollzeit verloffen, auszuantworten und zu übergeben, besagter Hoseas Heinrich Leibgeber dergestalt edictaliter zitiert und vorgeladen, daß er oder seine rechtmäßigen Leibeserben von dato in 6 Monaten, wovon 2 Monat für den ersten, 2 Monat für den zweiten und 2 Monat für den letzten peremtorischen Termin anberaumet worden, sich bei hiesiger Erbschaftskammer zu melden, hinlänglich zu legitimieren und das Vermögen in Empfang zu nehmen oder widrigenfalls zu gewärtigen habe, daß solches in Gemäßheit des Ratsdekrets vom 24. Jul. de anno 1699, das jeden 10 Jahre Abwesenden pro mortuo erkläret, dessen erwähntem Vetter und Vormunde Hrn. von Blaise verabfolget und zugeteilet werde. Kuhschnappel in Schwaben, den 20. August 1785 –
Erbschaftskammer der unmittelbaren
Reichsstadt Kuhschnappel.«
Ich brauche dem juristischen Leser nicht zu sagen, daß das Ratsdekret nicht mit dem Gerichtgebrauch von Böhmen, allwo 31 Jahre zur Verschollzeit nötig sind, sondern mit dem vorigen in Frankreich harmoniere, wo 10 Jahre hinreichten. – Und als der Advokat die letzte Zeile hinaus hatte und sie unbeweglich anstarrte: so nahm sein Seelenbruder freundschaftlich-zitternd seine Hand und sagte: »Du Lieber, ach, daran bin ich schuld durchs Namentauschen.« – »Du? o du? – Bloß der Teufel. – Aber der Brief muß sich finden«, sagte er; und sie wiederholten beide die Haussuchung aller Brief-Behausungen. – Nach einer Stunde stöberte Leibgeber ein mit dem zerbröckelten Siegel des Vormunds überpichtes Schreiben aus, dessen grobes Papier und breiter bescheid-mäßiger Bruch ohne Umschlag verriet, daß es keine Frau, kein Hof- und kein Kaufmann, sondern ein Kiel von einem ganz andern Feder-Vieh überschrieben habe. Gleichwohl stand auf dem Briefe nichts als Siebenkäsens Name von Siebenkäsens Hand – weiter stand außen und innen kein Wort. Ganz natürlich; denn der Advokat hatte den Schreibfehler an sich, auf den Umschlägen der Briefe seine Feder und seine Hand zu prüfen und eine fremde und seinen Namen nachzuzirkeln.
Auch der innere Brief war sonst beschrieben gewesen; aber der Heimlicher Blasius hatte, um das unglaublich verschwendete Papier zu schonen, seine Anerkennung des eingetauschten Namens mit einer Dinte geschrieben, welche von selber wieder den Papierbogen verläßt und durch Verfliegen ihn gleichsam weiß wiederherstellt und rehabilitiert in integrum.
Ich tue vielleicht manchen Personen aus den höhern Ständen, welche jetzo mehr als je Wechselbriefe und andere Verbriefungen zu schreiben haben, einen zufälligen Dienst, wenn ich hier das Rezept zu dieser Dinte, die nach der Vertrocknung verfliegt, getreu aus einem bewährten WerkeSpielerleben etc. etc. Gotha 1813. mitteile: Der Mann von Rang schabe von einem schwarzen feinen Tuche, wie er es etwa am Hofe trägt, die Oberfläche ab – reibe das Abschabsel noch klarer auf Marmor zusammen – schlemme den zarten Tuchstaub mehrmals mit Wasser ab – dann mache er ihn mit diesem an und schreibe damit seinen Wechselbrief. so wird er finden, daß, sobald die Feuchtigkeit weggedunstet, auch jeder Buchstabe des Wechsels als Staub nachgeflogen ist; – der weiße Stern hält gleichsam seinen Austritt aus der Finsternis der Dinte.
Aber auch Inhabern und Präsentanten solcher Wechsel glaub' ich vielleicht ebensosehr als den Ausstellern gedient zu haben, indem sie künftig eine Verschreibung nicht eher sicher anzunehmen haben, als bis sie eine Zeitlang an der Sonne gelegen.
Früher hatt' ich in diesem Werke die tuchene Dinte ganz mit der sympathetischen verwechselt, welche auch nach kurzer Zeit verbleicht und verschwindet und gewöhnlich bei den Präliminar- sowohl als Hauptrezessen der Fürsten verschrieben wird, die aber rot aussieht. Einen Friedenschluß, der drei Jahr alt СКАЧАТЬ