Lotti, die Uhrmacherin. Marie von Ebner-Eschenbach
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Название: Lotti, die Uhrmacherin

Автор: Marie von Ebner-Eschenbach

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754175590

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      »Duplex also.«

      »Jawohl. Er weiß gerade keinen Arbeiter, dem er sich getraut, sie in die Hand zu geben. Überdies hat's Eile. Morgen abend möchte er sie wiederhaben.«

      Gottfried stellte ein hölzernes, mit Messing eingelegtes Kästchen vor Lotti hin. Die wandte demselben den Blick eines teilnehmenden Arztes für einen Patienten zu und fragte: »Was fehlt denn?«

      »Weiß nicht«, erwiderte Gottfried, »aber ich glaube, nicht viel. Der Herr hat mir eine lange Geschichte erzählt, er hat die Uhr von einem, der sie aus Leichtsinn oder aus Not losschlug, um ein Spottgeld. Will sie jetzt sehr teuer verkaufen, deshalb sollst du die Herstellung besorgen. Er schwatzte ein langes und breites, ich habe nicht zugehört. Es wäre auch überflüssig gewesen, nachdem ich wußte, was mich dabei anging.«

      Lotti, die das Kästchen nicht mehr aus den Augen gelassen, hatte es geöffnet und dann auch – mit seltsamer Spannung und Hast – die Uhr, welche darin gelegen. Unverwandt starrte sie den Namen F. Alexi & Sandoz frères auf der Küvette und die Zahl an, die darunterstand.

      »Verkauft – wie sagtest du? – aus Leichtsinn oder aus Not«, sprach sie gepreßten Tones.

      »Freilich, freilich«, versetzte er, lehnte sich tiefer in das Fenster zurück, sah auf den Boden nieder und schien ernstlich und scharf nachzudenken. »Du wirst mich doch heute im Geschäft besuchen!« rief er plötzlich aus.

      Lotti nickte bejahend; sie hatte bereits begonnen, die Uhr zu zerlegen.

      »Das Schild ist noch nicht aufgemacht«, fuhr Gottfried langsam und zögernd fort, »aber fertig ist es schon. Es wird nicht aufgemacht, bevor du die Erlaubnis dazu gibst.« Er hielt inne, er wartete, aber vergeblich. Lotti schwieg, und so hub er denn nach abermaliger Pause von neuem an: »Denk nur, welche Freiheit ich mir genommen – denk nur – ich habe auf das Schild schreiben lassen ... wie gesagt, oder nicht gesagt, auf jeden Fall, wie selbstverständlich – es kann geändert werden, wenn du es wünschest ...«

      Jetzt erst wagte er es wieder, sie anzusehen. Sie war ganz versunken in ihre Arbeit – eine unbegreiflich schwere Arbeit für sie, die Meisterin! Ihre sonst so sichere Hand zitterte, ihr Gesicht war hochgerötet, eine mühsam unterdrückte Erregung gab sich in ihrem ganzen Wesen kund.

      Was ist ihr denn? dachte Gottfried. – Ahnt sie, was er ihr zu sagen hat, und versetzt sie das in eine Befangenheit, die aussieht wie Bestürzung? Wär's doch so! dann nimmt sie wenigstens die Sache ernst, und er braucht nicht zu fürchten, mit einem Scherze heimgeschickt zu werden, das Ärgste, was ihm geschehen könnte, dem alten Menschen. Ihre sichtbare Unruhe befreit ihn von dieser Sorge und zugleich von aller Ängstlichkeit. Er atmet auf und spricht mit einem gewissen unbeholfenen Humor, dabei aber höchst bedeutsam und nachdrücklich: »Es wäre schade, wenn an dem Schilde etwas geändert werden müßte; es ist sehr hübsch ausgefallen ... Macht sich wirklich gut, auf glänzend schwarzem Grund, das G. & L. Feßler ... G. und L .... Gottfried und Lotti ...«

      Ihre Stirn glühte, ihre Wangen brannten, sie beugte sich tiefer über ihre Arbeit und wiederholte mechanisch und ausdruckslos: »Gottfried und Lotti?«

      Nein! Ihre Gedanken waren nicht bei ihm. In der Weise hätte sie ebensogut fremde Namen ausgesprochen. Die Worte, die sie vernommen, waren an ihr Ohr gedrungen, die schüchterne, inständig bittende Frage, die in ihnen lag, nicht an ihr Herz ...

      Jetzt trat von allen Pausen, die während dieses Gespräches gemacht wurden, die längste ein. Still war's im Zimmer, nichts hörbar als das Ticken der vielen Uhren und endlich ein tiefer, tiefer Seufzer aus Gottfrieds Brust.

      Lotti erhob den Blick und sah trotz des feuchten Schleiers, der sich vor ihre Augen gelegt hatte, den Ausdruck leidvoller Enttäuschung in seinen Zügen.

      »Was ist dir, Gottfried?« sprach sie.

      »Du hörst mich nicht an«, entgegnete er unmutig.

      Sie nahm sich mit Gewalt zusammen: »Doch, ich habe alles gehört.«

      »Hast du? Wirklich? und – hast nichts einzuwenden?... Es ist dir recht – du weißt ...«

      »Es ist mir recht, gewiß. Aber wenn du, Lieber, auf dein Schild auch nur G. Feßler hättest schreiben lassen, für uns hätte es dennoch und immer ›Geschwister Feßler‹ bedeutet.«

      »Geschwister – so? – - ja, Geschwister«, murmelte er und zögerte, die Hand anzunehmen, die Lotti ihm reichte. Allein er ergriff sie doch und drückte sie fest und treuherzig, als Lotti sagte: »Es versteht sich ja von selbst, daß wir zwei nach wie vor treu zusammenhalten.«

      »Das Schild wird also aufgemacht«, sprach er, mit einem herzhaften Versuch, vergnügt zu scheinen. »Komm es bewundern, komm bald!«

      Er nahm seinen Hut und verließ das Zimmer.

      Lotti war wieder allein und setzte ihre einen Augenblick unterbrochene Beschäftigung emsig fort. Sie hatte an der Uhr, die Gottfried mitgebracht, alle Brücken abgeschraubt, alle Räder ausgehoben, bis auf das Minutenrad. Das haftete noch, festgehalten vom Viertelrohr. Aber auch dieses muß nun weichen, das letzte Rad liegt bei seinen Kameraden, und Lotti hat gefunden, was sie suchte, was sie zu finden gewiß war. Ihren eigenen Namenszug und das Datum des 12. Mai, mit fast unsichtbar kleiner Schrift in die Bodenplatte eingeritzt und verborgen durch die Zähne des Rohres.

      Am 12. Mai, an dem Tage, der sich heute zum fünfzehnten Male jährte, hatte sie diese Zeichen da hineingeschrieben und diese Uhr ihrem Verlobten geschenkt und dabei gesagt: »Sie kann uns gute, sie kann uns traurige Stunden anzeigen, aber keine, in der unsere Treue gewankt.«

      So vermessene Behauptungen wagt die Jugend aufzustellen, solche Schwüre schwört die kindische Liebe, die, kaum erwacht, auch schon die Kraft in sich fühlt, ewig zu leben. Torheit ohnegleichen! Ebensogut könnte die Rose schwören, daß sie niemals welken wird, denkt Lotti, und halb erloschene Erinnerungen tauchen in ihrer Seele auf. Bleiche Schatten ringen sich los aus der Nacht der Vergessenheit und gewinnen allmählich Farbe und Gestalt. Sie ziehen langsam vorüber, mächtig genug, um noch eine leise Wehmut, nicht mehr mächtig, einen Schmerz zu erwecken. Sie gleichen dem Gedanken an einen dunkeln, peinvollen Traum, aus dem der Schläfer zum Licht und zum Frieden erwacht.

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