Lotti, die Uhrmacherin. Marie von Ebner-Eschenbach
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Название: Lotti, die Uhrmacherin

Автор: Marie von Ebner-Eschenbach

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754175590

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СКАЧАТЬ sie auf die gründlichste Art der Welt widerlegt, durch eine Tatsache – hier war eine vierte Mudge. Zwillingsschwester der älteren, der von Maskelyn in Greenwich geprüften, und sicherlich in demselben Jahre mit dieser entstanden, wie denn auch die beiden jüngeren in einem Jahre gemacht worden waren.

      Die weltbekannten Beschreibungen, die wir von der ersten Seeuhr Mudges besitzen, paßten genau auf die, welche sich in Lottis Händen befand.

      Die Uhr war echt, ihr edler Ursprung über jeden Zweifel erhaben, es war eine ganze Mudge – die Lei stungsfähigkeit ausgenommen. Die durfte man freilich nicht mehr von ihr verlangen, der über hundert Jahre alten Greisin.

      Die letzte Lade, die von Lotti geöffnet wurde, enthielt schöne Arbeiten von Arnold, Richard, Recorder, Robert, Courvoisier, Ruderas, von hölzernen Unruhen Simon Henningers und Lorenz Freys und eine vollständig erhaltene hölzerne Taschenuhr von Andreas Dilger aus Gütenbach.

      Ein Familienerbe! – Als Bräutigam hatte sie der Urgroßvater Lottis ihrer Urgroßmutter zugleich mit seinem Herzen dargebracht. Gottfried nannte sie die Majoratsuhr. Sie war nie getragen worden, hatte als Schaustück im Glasschranke der Urgroßmutter geruht. Nur an hohen Festtagen wurde sie hervorgeholt und zur Freude des Enkelchen Lotti aufgezogen. Dann setzte sie sich aber auch stracks in Bewegung und vollführte einen so akkuraten und energischen Gang und bimmelte so fleißig fort, als ob sie noch in der Blüte ihrer Jahre stände und als ob sie all die Zeit einholen wollte, die sie in unfreiwilliger Muße versäumt.

      Wie war sie nett! Wie waren ihre hölzernen Räder, Platten, Kloben so bewunderungswürdig ausgearbeitet. Wie sauber aus-gestochen der Unruhkloben und die Stellungsflügel, und wie schön verziert die beiden und die Klobenplatte. Man sah der kleinen Dilger gar deutlich die Liebe an, mit welcher sie ausgeführt, und auch die, mit welcher sie zeitlebens gehegt und gepflegt worden war. Ihr gehörte Lottis letzter und zärtlicher Blick, bevor sie die Lade zuschob und dabei dachte: Ja, meine Uhren – die machen mir noch das Sterben schwer!

      In diesem Augenblick wurde die Zimmertür geöffnet.

      »Guten Morgen«, sprach eine tiefe und wohlklingende Stimme. Lotti wandte sich rasch: »Du, Gottfried? Ist es denn schon acht Uhr?«

      »Noch nicht«, war die Antwort, »ich bin heute unpünktlich.« »Zeichen und Wunder«, rief Lotti, »was ist geschehen? Was gibts'?«

      Gottfried war an den Arbeitstisch getreten. Er hob die kleinen Glasglocken von den Uhren, welche darunterlagen, und nahm diese in den allergenauesten Augenschein.

      »Du bist ja fertig«, sagte er nach einer Weile.

      »Beinahe – aber antworte mir doch – was gibt's?«

      Er richtete sich empor, sah Lotti mit geheimnisvoller Miene, halb freudig, halb zweifelnd, an und sagte: »Eine Überraschung.«

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      »Eine Überraschung?« wiederholte Lotti mit einem Anfluge von Sorge, »wenn ich Überraschungen nur zu schätzen wüßte.«

      »Diese wird dir gefallen«, entgegnete Gottfried. »Ich habe einen Laden gemietet und bereits eingerichtet.«

      Lotti schlug die Hände zusammen und konnte vor Staunen nur die Worte herausbringen: »Aber nein!... Aber wo?«

      Nun, nirgends anders als gleich nebenan in der breiten belebten Straße, die zum Domplatze führt. Ein allerliebster kleiner Laden, an dessen Ausschmückung seit acht Tagen eifrigst gearbeitet wurde, der ein schönes Fenster bekommen hatte aus einem Stück tauklaren Glases und eine geschmackvolle Vitrine mit feiner Einfassung aus Ebenholz. In dieser lagen seit gestern eine Kalenderuhr von Audemars und ein Chronometer von Dent inmitten anderer Uhren aus den vornehmsten Häusern.

      Lotti war bewundernd vor ihnen stehengeblieben, aber heute erfüllte deren Kostbarkeit sie mit Schrecken. »Ein solcher Wert!« meinte sie, »ein so großes Kapital!« Es schien ihr fast zu kühn, daß Gottfried die Bürgschaft dafür übernommen hatte.

      Er jedoch war durchdrungen von Ruhe und Zuversicht.

      Seit langer Zeit hatte er seine Vorbereitungen getroffen. Der Meister, der ihn beschäftigte, die Freunde, die er sich noch während seiner Lehrzeit erworben, unterstützten und förderten ihn dabei auf das kräftigste. Als ob es sich an ihm erproben sollte, daß nicht bloß diejenigen Vertrauen erringen, die es nicht wert sind, sondern manchmal doch auch einer, der es verdient, fand er allenthalben bereitwilliges Entgegenkommen. Es wurden ihm so billige und günstige Bedingungen gemacht, daß er, um in seinem Geschäfte zu bestehen, keineswegs auf ein besonderes Glück zu rechnen, sondern nur auf das Ausbleiben eines raffinierten Unglücks zu hoffen brauchte.

      Das setzte er Lotti auseinander, die ihm aufmerksam und immer freudiger zuhörte und endlich meinte, in der ganzen Geschichte gäbe es zwei verwunderliche Dinge; erstens, daß er sich zu dem jetzt gefaßten Entschluß solange nicht gebracht, und zweitens, daß er sich doch dazu gebracht. Was sie von der Sache halte, wisse er; hatte sie ihn nicht schon vor Jahren beschworen, sich auf eigene Füße zu stellen?

      Gottfried erwiderte, seine Pedanterie sei schuld, daß es nicht früher geschehen. Er hatte sich's einmal vorgesetzt, sein Geschäft nicht anzufangen, wenn er dazu auch nur einen Heller fremden Geldes brauchen würde. Um jedoch alles aus Eigenem bestreiten zu können, dazu habe es eben viel Zeit gebraucht.

      »Und gut angewandte, das weiß Gott«, meinte Lotti. »Heil dir, daß du gleich so stattlich ausrücken kannst an der Spitze von Dents und Audemars'...«

      »Die beide schon halb und halb verkauft sind«, fiel er ihr ins Wort.

      »Gottfried, du machst mich übermütig! Einen Wunsch hast du mir erfüllt, der schon vor Altersschwäche erloschen war – jetzt wird ein zweiter, dem es ähnlich ergangen, lebendig. Du mußt heiraten, Gottfried.«

      Er richtete seine kleinen, glänzenden braunen Augen fest auf sie und sprach ganz unternehmend: »Warum nicht?«

      »Das sag ich ja«, rief Lotti, »warum nicht? Warum solltest du die brave Frau nicht finden, die du verdienst? Nur suchen heißt es, nur sich ein wenig bemühen, nur nicht, wie du es bisher getan hast, jeder Gelegenheit aus dem Wege gehen, mit einem jungen Mädchen zusammenzukommen, das vielleicht denken könnte: Dieser Gottfried Feßler wäre kein übler Mann für mich.«

      Er lachte. »Ein junges Mädchen denkt das nicht.«

      »Ich meine auch kein sechzehnjähriges.«

      Lotti hatte sich an den Arbeitstisch begeben und begann die reparierten Uhrwerke in ihre Gehäuse einzusetzen.

      Gottfried stand am Fenster und sah ihr zu. »Wann wird die Bestellung abgeliefert werden?« fragte er nach einer kleinen Weile.

      »Kann morgen geschehen.«

      »Tu es selbst, ich bitte dich, und nimm zugleich Abschied von dem Meister. Du darfst für ihn nicht mehr arbeiten.«

      Lotti blickte ein wenig betroffen empor. »Abschied nehmen – das wäre schon gut, aber – so plötzlich, so ohne weiteres? Ich bin ihm Dank schuldig, er hat immer Rücksicht auf mich genommen, mich nie ohne Arbeit gelassen, immer gut und rasch bezahlt.«

      »Rasch ja, gut – nein. Mache dir keine Sorgen. Ich habe den Herrn bereits darauf vorbereitet, daß er jetzt seine beste Arbeiterin verliert. Wie leid ihm ist, mag Gott wissen, aber begreiflich СКАЧАТЬ