Название: Charles Dickens
Автор: Charles Dickens
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783754174937
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Unter dem Schutze der Nacht flattert der schwachsinnige Kirchspieldiener in Chancery-Lane mit seinen Vorladungen herum, in denen der Name jedes Geschwornen falsch und nur sein eigner, den aber niemand lesen kann oder will, richtig geschrieben ist.
Nachdem die Vorladungen verteilt und die Zeugen benachrichtigt sind, begibt sich der Kirchspieldiener zu Mr. Krook, um hier einige Armenhausbewohner, die er bestellt hat, zu erwarten. Sie erscheinen bald darauf; er führt sie die Treppe hinauf, wo sie für die großen Augen in den Fensterläden etwas Neues zum Anstarren hinsetzen: Die letzte irdische Behausung für »Niemand«, – die letzte Behausung für jeden Sterblichen. Und die ganze Nacht hindurch steht der Sarg neben dem alten Mantelsack; und die einsame Gestalt auf dem Bett, die fünfundvierzig Jahre auf dem Pfad des Lebens gewandelt, liegt dort und hat nicht mehr Spur, die zu einer Entdeckung führen könnte, hinterlassen als ein ausgesetztes Kind.
Am nächsten Tag ist alles lebendig im Hof. Es ist wie ein Jahrmarkt, wie Mrs. Perkins in dickster Freundschaft mit Mrs. Piper in vertraulichem Gespräch zu dieser vortrefflichen Frau äußert. Der Totenbeschauer wird in dem Saal im ersten Stock der »Sonne« sitzen, wo sich zwei Mal wöchentlich die harmonische Gesellschaft versammelt und ein Herr von großem künstlerischem Ruf einen Lehnstuhl ausfüllt, vis à vis dem kleinen Swills, dem komischen Sänger, der, nach dem Zettel im Fenster zu schließen, hofft, daß sich seine Freunde um ihn scharen und »ein Talent ersten Ranges« unterstützen werden.
Die »Sonne« bestrahlt an diesem Morgen ein einträgliches Geschäft. Selbst Kinder bedürfen bei der allgemeinen Aufregung so sehr der Stärkung, daß ein Pastetenbäcker, der an der Ecke des Hofes einen fliegenden Laden errichtet hat, sagt, seine Likörbonbons gingen weg wie Rauch. In der Zwischenzeit zeigt der Kirchspieldiener, der zwischen Mr. Krooks Ladentür und dem Tor der »Sonne« hin und her spukt, die seiner Obhut anvertraute Sehenswürdigkeit ein paar diskreten Günstlingen, die sich ihm dafür mit einem Glas Ale oder dergleichen erkenntlich erweisen.
Zur festgesetzten Stunde erscheint der Totenbeschauer, von den Geschworenen erwartet und von einer Salve rasselnder Kegel aus der guten, trocknen Kegelbahn der »Sonne« begrüßt. Der Totenbeschauer besucht mehr Wirtshäuser als irgendein lebender Mensch. Der Geruch von Sägespänen, Bier, Tabakrauch und Branntwein ist ihm in seinem Beruf untrennbar geworden vom Tode, auch in seiner schrecklichsten Gestalt. Der Kirchspieldiener und der Wirt geleiten ihn in den Saal der »Harmonischen Gesellschaft«, wo er seinen Hut auf das Klavier legt und in einem Präsidenten-Lehnstuhl Platz nimmt – am obern Ende einer langen Tafel, die sich aus vielen aneinandergeschobenen kleinen Tischen zusammensetzt und verziert ist mit klebrigen Ringen, von Gläsern und Krügen herrührend, in endloser Verschlingung. Genau soviel Geschworne, als sich um die lange Tafel zusammendrängen können, sitzen dort. Die übrigen finden Platz mitten unter Spucknäpfen und Pfeifenständern oder lehnen am Klavier. Über dem Kopf des Totenbeschauers hängt ein kleiner eiserner Kranz, der Griff eines Klingelzugs, und im Laien erweckt er den Anschein, als sollte der Vorsitzende des Gerichtshofs im nächsten Augenblick gehängt werden.
»Man verlese und beeidige die Geschwornen!«
Während diese Zeremonie vor sich geht, macht der Eintritt eines kleinen, dicken Mannes mit einem mächtigen Hemdkragen, Triefaugen und einer roten Nase, der bescheiden an der Tür unter dem Publikum Platz nimmt, aber dennoch in dem Saale ganz zu Hause zu sein scheint, einiges Aufsehen. Ein allgemeines Flüstern verrät, daß es der kleine Swills ist. Man hält es nicht für unwahrscheinlich, daß er heute abend vor der »Harmonischen Versammlung« den Totenbeschauer kopieren wird.
»Also, meine Herren...« fängt der Vorsitzende an.
»Ruhe, Ruhe!« ruft der Kirchspieldiener. Er ruft es nicht dem Vorsitzenden zu, aber es klingt fast so.
»Also, meine Herren«, beginnt der Totenbeschauer von neuem, »Sie sind hier zusammengetreten, um über die Todesart einer gewissen Person die Tatsachen festzustellen. Sie werden Zeugenaussagen über die diesen Todesfall begleitenden Umstände hören und Ihren Wahrspruch nach den – Kegeln gibt's heute nicht, die Kegelbahn ist augenblicklich zu sperren, Kirchendiener! – nach den Zeugenaussagen und nach nichts anderm fällen. Zuerst haben wir die Leiche zu besichtigen.«
»Platz da, Platz!« ruft der Kirchspieldiener.
Alle verlassen in Prozession wie ein langgestreckter Leichenzug den Saal und begeben sich zur Besichtigung in Mr. Krooks zweiten Stock in das Hinterzimmer. Ein paar der Geschwornen verlassen es blaß und hastig auf der Stelle wieder. Der Kirchspieldiener ist eifrig bemüht, daß zwei um Ärmelaufschläge und Knopflöcher herum nicht sehr sauber aussehende Herren, für die er schon im Saal der »Harmonischen Gesellschaft« neben dem Totenbeschauer ein besonderes Tischchen hingestellt hat, alles genau zu sehen bekommen. Sie sind nämlich die öffentlichen Berichterstatter über solche Untersuchungen – nach der Zeile –, und auch er ist der allgemeinen menschlichen Schwäche unterworfen, zu hoffen, gedruckt zu lesen, was Mooney, der tätige und scharfsinnige Kirchspieldiener des Distriktes, alles gesagt und getan hat. Er wünscht sich innerlich, den Namen Mooney in dem vertraulichen Ton erwähnt zu lesen wie in letzter Zeit den Namen des Henkers.
Der kleine Swills wartet im Saal auf die Rückkehr des Totenbeschauers und der Geschwornen. Auch Mr. Tulkinghorn wartet. Mr. Tulkinghorn wird mit Ehrfurcht begrüßt und in die Nähe des Totenbeschauers gesetzt. Zwischen diesen hohen Gerichtsbeamten ein Zimmerkegelspiel und eine Kohlenkiste. Die Untersuchung wird fortgesetzt. Die Geschworenen erfahren, wie der Gegenstand ihrer Untersuchung gestorben ist. Über ihn selbst erfahren sie nichts.
»Ein angesehener Advokat ist hier, meine Herren«, sagt der Totenbeschauer, »der, wie ich höre, zufällig anwesend war, als man die Leiche entdeckte; aber er könnte nur wiederholen, was Sie bereits von dem Arzt, dem Hauswirt, der Mieterin im obern Stock und dem Schreibmaterialenhändler gehört haben, und wir brauchen ihn daher nicht weiter zu inkommodieren. Ist sonst noch jemand hier, der eine Auskunft geben könnte?«
Mrs. Perkins schiebt Mrs. Piper vor. Mrs. Piper wird vereidigt.
»Anastasia Piper, meine Herren, verheiratete Frauensperson. Nun, Mrs. Piper, was haben Sie uns über die Sache zu sagen?«
Mrs. Piper hat sehr viel zu sagen. Besonders in Klammer und ohne jede Interpunktion, kann aber nicht viel Auskunft geben. Mrs. Piper wohnt im Hof (wo ihr Mann Schreiner ist) und es ist seit langer Zeit den Nachbarn wohl bekannt (es war zwei Tage nach dem Tage wo Alexander James Piper der jetzt achtzehn Monate vier Tage alt ist die Nottaufe erhielt weil er aufgegeben war so sehr litt das arme Kind an Krämpfen) daß der Kläger – so nennt immer wieder Mrs. Piper den Verstorbenen sich angeblich dem Teufel verkauft haben sollte. Das Gerücht sei wahrscheinlich entstanden weil der Kläger danach ausgschaut hat. Der Kläger habe immer fuchtig und grimmig ausgschaut und sie habe immer gesagt man dürfe ihn nicht frei herumgehen lassen weil manche Kinder furchtsam sind (und wenn man ihr nicht glaube so solle man Mrs. Perkins fragen die hier ist und die bestätigen kann daß sie und ihr Mann und ihre Familie niemals keine Unwahrheit nicht spricht) sie habe gesehen wie die Kinder den Kläger geneckt und gequält haben (denn Kinder sind Kinder und man kann nicht von ihnen erwarten besonders wenn sie munter und lebhaft sind daß sie sich wie Methuselers benehmen) deswegen und wegen seines finstern Aussehens habe sie oft geträumt daß er eine Axt aus der Tasche gezogen habe um damit Johnny den Kopf СКАЧАТЬ