Название: Erzählungen aus 1001 Nacht - 1. Band
Автор: Anonym
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783966512220
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Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Zweiunddreißigste Nacht da war, fuhr sie also fort: »›Ich vernahm, o glücklicher König, daß die Alte zu des Barbiers zweitem Bruder sagte: ›Zieh deine Kleider aus‹; und er stand auf, fast von Sinnen, und zog sich aus und zeigte sich splitternackt. Und auch die Dame zog sich aus und sagte zu meinem Bruder: ›Wenn du etwas willst, so laufe mir nach, bis du mich fängst‹. Und sie lief ihm fort, und er lief ihr nach, und sie stürzte in ein Zimmer nach dem anderen, und stürzte aus einem Zimmer nach dem anderen, und mein Bruder setzte ihr wie ein Verrückter in rasendem Verlangen nach, derweilen ihm die Rute in furchtbarer Größe stand. Und schließlich stürzte sie in einen dunklen Raum, und er ihr nach; aber plötzlich trat er auf eine Stelle, die unter ihm nachgab; und ehe er noch wußte, wo er war, sah er sich mitten auf dem vollen Markt, im Basar der Lederhändler, die die Preise von Häuten und Fellen ausriefen, und kauften und verkauften. Und als sie ihn so sahen, nackt, mit stehender Rute, rasiert, und mit gefärbten Brauen und geschminkten Backen, da schrien sie und klatschten ihn aus, und begannen mit den Häuten auf seinen nackten Leib zu schlagen, bis er ohnmächtig hinfiel. Und sie warfen ihn auf einen Esel und führten ihn vor den Hauptmann der Wache. Sprach der Wali: ›Was ist dies?‹ Sprachen sie: ›Dieser Bursche fiel plötzlich in diesem Zustand aus des Veziers Haus auf uns nieder.‹ Und der Wali ließ ihm hundert Peitschenhiebe verabfolgen und verbannte ihn aus Bagdad. Ich aber ging ihm nach und brachte ihn heimlich in die Stadt zurück und gab ihm ein Taggeld, damit er leben konnte; und doch hätte ich, wäre nicht meine Großmut, seinesgleichen von mir weisen können.‹ Und der Kalif lieh das Ohr
Des Barbiers Erzählung von seinem dritten Bruder
Meines dritten Bruders Name war Al-Fakik, der Plauderer, und er ist der Blinde. Eines Tages trieben ihn Schicksal und Verhängnis vor ein schönes großes Haus, und er klopfte an die Tür, da er den Eigentümer sprechen wollte, um etwas von ihm zu erbetteln. Sprach der Herr des Hauses: ›Wer steht an der Tür?‹ Aber mein Bruder sprach kein Wort, und alsbald hörte er ihn mit lauter Stimme wiederholen: ›Wer ist da?‹ Doch er gab wiederum keine Antwort, und jetzt hörte er den Hausherrn an die Türe kommen; und er öffnete sie und fragte: ›Was willst du?‹ und mein Bruder versetzte: ›Etwas um Allahs, des Allmächtigen, willen.‹ ›Bist du blind?‹ fragte ihn der andere; und mein Bruder erwiderte: ›Ja‹. Sprach der Hausherr: ›Strecke deine Hand aus.‹ Und mein Bruder streckte die Hand aus, denn er glaubte, der andere werde ihm etwas geben; der aber ergriff sie, zog ihn ins Haus und führte ihn hinauf von Treppe zu Treppe, bis sie oben auf die Terrasse kamen; und mein Bruder glaubte derweilen, er werde ihm sicherlich Geld oder Speisung geben. Dort aber fragte er: ›Was begehrst du, o Blinder?‹ und Al-Fakik erwiderte: ›Etwas um des Allmächtigen willen.‹ ›Allah öffne dir eine andere Tür!‹ ›O! Weshalb sagtest du das nicht, als ich unten war?‹ ›O du Bettler, weshalb gabst du nicht Antwort, als ich dich zum erstenmal fragte?‹ ›Und was soll ich jetzt tun?‹ ›Es ist nichts für dich im Hause.‹ ›So führe mich die Treppe hinunter!‹ ›Der Weg liegt vor dir.‹ Und mein Bruder stand auf und tastete sich die Treppe hinunter, bis er der Tür auf zwanzig Stufen nahe war; da aber glitt er aus, und er fiel hinab und schlug sich den Kopf auf.
Und er ging hinaus und wußte nicht, wohin er sich wenden sollte, und er traf auf zwei andere Blinde, Gefährten von ihm, und sie fragten ihn: ›Was hast du heute verdient?‹ Und er erzählte ihnen, was ihm widerfahren war, und fügte hinzu: ›O meine Brüder, ich möchte einiges von unserm Gelde nehmen und mir Vorrat dafür kaufen.‹ Nun aber war der Herr des Hauses ihm gefolgt und hörte, was sie sagten; doch weder mein Bruder noch auch seine Gefährten wußten davon. So ging mein Bruder in seine Wohnung und setzte sich nieder, um seine Gefährten zu erwarten, und der Hausbesitzer folgte ihm unbemerkt. Als nun die anderen Blinden eingetreten waren, sagte mein Bruder zu ihnen: ›Verriegelt die Tür und durchsucht das Haus, ob uns auch kein Fremder gefolgt ist.‹ Als aber der Fremde das hörte, ergriff er einen Strick, der von der Decke herabhing, und klammerte sich daran, während sie im ganzen Hause umhergingen und suchten, aber niemanden fanden. Da kamen sie zurück, setzten sich neben meinen Bruder, zogen ihr Geld hervor und zählten es, und siehe, es waren zwölftausend Dirhems. Und jeder nahm, was er brauchte, und den Rest vergruben sie in einem Winkel des Zimmers. Dann trugen sie Speisen auf und setzten sich nieder, um zu essen. Und plötzlich hörte mein Bruder ein fremdes Kiefernpaar neben sich kauen und sagte zu seinen Freunden: ›Es ist ein Fremder unter uns‹; und er streckte die Hand aus und stieß auf die des Hausbesitzers. Da fielen sie alle über ihn her und schlugen ihn; und als sie müde wurden, riefen sie: ›O ihr Moslems, ein Dieb ist unter uns gekommen, um uns unser Geld zu stehlen!‹ Und eine Menge sammelte sich um sie; und der Eindringling hielt sich dicht an sie und klagte mit ihnen, als sie klagten; und er schloß wie sie die Augen, so daß niemand an seiner Blindheit zweifelte, und rief: ›O Moslems, ich stelle mich unter den Schutz des allmächtigen Allah und des Statthalters, denn ich habe ihm etwas mitzuteilen!‹ Und die Wache kam und legte die Hand an die ganze Gesellschaft, und unter ihnen auch an meinen Bruder, und trieb sie zum Hause des Statthalters, der sie vor sich kommen ließ und fragte: ›Was gibt es bei euch?‹ Sprach der Eindringling: ›Sieh zu und finde es selbst heraus, uns soll kein Wort entrissen werden, es sei denn durch die Folter, und also schlage mich, und nach mir schlage diesen, unseren Führer.‹ Und er zeigte auf meinen Bruder. Sie aber warfen den Fremden hin und versetzten ihm vierhundert Streiche auf den Rücken. Und da die Schläge ihn schmerzten, so öffnete er das eine Auge, und als sie ihn nur kräftiger schlugen, da öffnete er auch das zweite. Und als der Statthalter das sah, da sagte er zu ihm: ›Was sehe ich hier, Verfluchter?‹ und er versetzte: ›Gib mir den Siegelring der Gnade! Wir haben zu viert die Blinden gespielt, und wir betrügen die Leute, damit wir in die Häuser kommen und die Gesichter der Frauen unverschleiert erblicken und sie verführen können. Auf diese Weise haben wir viel Geld verdient, und unser Vorrat beläuft sich auf zwölftausend Dirhems. Sprach ich zu meinen Gefährten: Gebt mir meinen Anteil, dreitausend; aber sie standen auf und schlugen mich und nahmen mir das Geld weg, und ich stellte mich unter deinen Schutz und Allahs; lieber sollst du meinen Anteil haben als sie. Wenn du also sehen willst, ob meine Worte wahr sind, so schlage einen und jeden von den anderen, mehr noch als du mich geschlagen hast, so wird er die Augen auftun.‹ Und der Statthalter gab Befehl, die Folter mit meinem Bruder zu beginnen, und sie banden ihn an den Pfahl, und der Statthalter sagte: ›O Abschaum der Erde, verleugnet ihr die gütigen Gaben Allahs und tut, als wäret ihr blind?‹ ›Allah! Allah!‹ rief mein Bruder, ›bei Allah, unter uns ist niemand, der sehend ist.‹ Und sie schlugen ihn, bis er in Ohnmacht fiel; da rief der Statthalter: ›Laßt ihn, bis er zur Besinnung kommt, und dann schlagt ihn von neuem!‹ Und er ließ jedem der Gefährten mehr als dreihundert Streiche verabfolgen, während der falsche Bettler ihnen unaufhörlich sagte: ›Tut die Augen auf, sonst werdet ihr von neuem geschlagen.‹ Und schließlich sagte der Fremde zu dem Statthalter: ›Schicke einen mit mir, daß ich das Geld herbringe; denn diese Leute wollen die Augen nicht auftun, um nicht vor allem Volk entehrt zu sein.‹ Und der Statthalter schickte aus, um das Geld zu holen, und er gab dem Fremden seinen angeblichen Anteil, dreitausend Dirhems, behielt den Rest für sich und verbannte die drei Blinden aus der Stadt. Ich aber, o Beherrscher der Gläubigen, zog hinaus, holte meinen Bruder ein und fragte ihn nach seinem Erlebnis; und er erzählte mir, was ich dir erzählte; und ich brachte ihn heimlich zurück in die Stadt und gab ihm in aller Heimlichkeit ein Taggeld für Speise СКАЧАТЬ