Auferstehung. Лев Толстой
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Название: Auferstehung

Автор: Лев Толстой

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783752995770

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СКАЧАТЬ für eine besondere Ehre, mit ihm bekannt zu sein. Und Nechljudow nahm das, wie immer, wenn er unter Leute kam, die er nicht kannte, als etwas Selbstverständliches hin. Hätte man ihn gefragt, wie er dazu komme, sich für etwas Besseres zu halten als die meisten andern Menschen, so wäre er die Antwort schuldig geblieben, da sein ganzes Leben nichts aufwies, was man als ein besonderes Verdienst hätte ansehen können. Daß er das Englische, Französische und Deutsche korrekt sprach, daß er Wäsche, Kleider, Krawatte und Hemdknöpfe trug, die in den ersten Modemagazinen gekauft waren, konnte, wie er selbst einsah, wohl kaum als Grund dafür gelten, daß man ihm eine bevorzugte Stellung zuerkannte. Dennoch machte er auf eine solche unbedingt Anspruch, nahm die ihm erwiesenen Achtungsbezeigungen als etwas ihm Zukommendes hin und fühlte sich gekränkt, wenn sie ihm jemand verweigerte. Und gerade hier, im Geschworenenzimmer, sollte er die peinliche Erfahrung machen, daß ihm jemand nicht die gebührende Achtung erwies. Unter den Geschworenen befand sich ein Bekannter Nechljudows, Peter Gerassimowitsch mit Vor- und Vatersnamen; seinen Familiennamen hatte Nechljudow nie gekannt, und er bildete sich sogar etwas darauf ein, ihn nie gekannt zu haben. Peter Gerassimowitsch war einmal Hauslehrer bei den Kindern von Nechljudows Schwester gewesen und hatte jetzt eine Anstellung als Gymnasiallehrer. Nechljudow hatte ihn nie gemocht, weil er sich gar zu familiär benahm, immer sehr laut und selbstzufrieden lachte und überhaupt ein »kommuner« Kerl war, wie Nechljudows Schwester sich ausdrückte.

      »Ah, auch Sie mußten 'ran!« begrüßte Peter Gerassimowitsch laut lachend Nechljudow. »Konnten Sie sich die Sache nicht vom Halse schaffen?«

      »Ich dachte nicht daran, sie mir vom Halse zu schaffen,« sagte Nechljudow ernst und düster.

      »Ei, das nenne ich Bürgertugend! Aber warten Sie nur, wenn Sie erst so recht ausgehungert sind und nicht zum Schlafen kommen, dann werden Sie ein anderes Lied singen!« sagte Peter Gerassimowitsch und begann noch lauter zu lachen.

      »Dieser Pfaffensprössling wird mich gleich zu duzen anfangen,« dachte Nechljudow, und mit einer Trauermiene, als hätte er soeben die Kunde vom Tode seiner sämtlichen Verwandten vernommen, ließ er Peter Gerassimowitsch stehen, um sich einer Gruppe zu nähern, in der ein glattrasierter, hochgewachsener, repräsentabler Herr soeben irgend etwas sehr lebhaft erzählte. Er erzählte von einem Prozeß, der augenblicklich in der Zivilkammer verhandelt wurde: er schien mit der Sache sehr vertraut und nannte sogar die Richter und berühmten Advokaten, die damit befaßt waren, beim Vor- und Vatersnamen. Er sprach von der sensationellen Wendung, die einer dieser berühmten Advokaten der Prozessverhandlung zu geben gewußt hätte – einer Wendung, infolge deren die eine Partei, eine alte Dame, der Gegenpartei eine große Geldsumme würde zahlen müssen, obschon sie, die alte Dame, durchaus im Rechte sei.

      »Ein ganz genialer Advokat!« sagte er.

      Man hörte ihn achtungsvoll an, und der eine oder andere versuchte, seinerseits etwas zu bemerken, doch er schnitt allen ohne weiteres das Wort ab, als könne nur er allein etwas über die Sache wissen.

      Obschon Nechljudow recht spät gekommen war, mußte er doch noch eine ganze Weile warten. Die Verzögerung hatte darin ihren Grund, daß eins der Mitglieder des Gerichtshofes noch nicht zur Stelle war.

      6

      Der Vorsitzende des Gerichtshofes war frühzeitig erschienen. Der Vorsitzende war ein hochgewachsener, beleibter Mann mit einem starken, bereits ergrauenden Backenbart. Er war verheiratet, führte jedoch ebenso wie seine Frau ein recht lockeres Leben. Sie legten einander nichts in den Weg. Er hatte heute morgen von einer Gouvernante, einer Schweizerin, die im Sommer in seinem Hause gelebt hatte und jetzt auf der Durchfahrt vom Süden nach Petersburg in der Stadt angekommen war, ein Briefchen erhalten, daß sie ihn zwischen drei und sechs Uhr im »Hotel Italia« erwarte. Es lag ihm daher daran, die heutige Sitzung recht früh beginnen und enden zu lassen, damit er noch vor sechs Uhr seine rothaarige Klara Wassiljewna, mit der er während des letzten Sommers in seiner Villa einen Roman angeknüpft hatte, im Hotel anträfe.

      Sobald er sein Kabinett betreten hatte, verriegelte er die Tür, holte aus dem untersten Fache des Aktenregals ein Paar Hanteln hervor und führte damit etwa zwanzig Bewegungen nach oben, nach vorn, nach der Seite und nach unten aus, worauf er, die Hanteln hoch über dem Kopfe haltend, dreimal die Kniebeuge machte.

      »Nichts erhält einen doch so gesund, wie das Abbrausen und Turnen,« dachte er, mit der linken Hand, deren Goldfinger einen kostbaren Ring trug, den Muskel des rechten Oberarmes betastend. Er hatte nur noch die »Mühle« zu machen – eine Übung, die er vor dem langen Sitzen in einer Verhandlung nie verabsäumte – als plötzlich an der Tür gerüttelt wurde. Irgend jemand wollte sie öffnen. Der Vorsitzende legte rasch die Hanteln an ihren Platz zurück und öffnete die Tür.

      »Verzeihen Sie,« sagte er.

      Ins Zimmer trat eins der Mitglieder des Gerichtshofes, ein Herr in goldener Brille, von kleinem Wuchs, mit hohen Schultern und finsterem Gesichte.

      »Matwjej Nikititsch ist wieder einmal nicht da,« sagte der Eintretende unzufrieden.

      »Nein, leider nicht,« entgegnete der Vorsitzende, während er sein Amtsgewand anlegte. »Er muß immer zu spät kommen.«

      »Merkwürdig – daß er sich daraus kein Gewissen macht!« sagte der Richter mit dem finsteren Gesichte, setzte sich unwillig hin und holte seine Zigaretten hervor.

      Dieser Richter war ein sehr pünktlicher Mann. Er hatte am Morgen ein unangenehmes Rencontre mit seiner Frau gehabt, die ihr Monatsgeld vorzeitig ausgegeben hatte. Sie hatte ihn um einen Vorschuss gebeten, er hatte ihr jedoch erklärt, daß er das prinzipiell ablehne, und so hatte es eine Szene gegeben. Die Frau sagte, daß sie unter diesen Umständen auch kein Mittagessen kochen könne, er möge sich nur danach einrichten. Damit waren sie voneinander geschieden, und er fürchtete nun, daß sie ihre Drohung wahr machen könnte, denn er mußte bei ihr auf alles gefaßt sein.

      »Das hat man nun von seinem moralischen Lebenswandel,« dachte er, während er den übers ganze Gesicht strahlenden gesunden, heiteren, gutmütigen Vorsitzenden ansah, der, die Ellbogen breit auf den Tisch stützend, sich mit den wohlgepflegten weißen Händen durch den dichten, langen Backenbart fuhr, der ihm links und rechts über den gestickten Uniformkragen fiel. »Der ist immer munter und guter Dinge, und ich habe ewig meinen Ärger!«

      Der Sekretär trat mit einem Aktenbündel ins Zimmer.

      »Ich danke Ihnen bestens,« sagte der Vorsitzende und rauchte sich eine Zigarette an. »Welche Sache wollen wir zuerst nehmen?«

      »Ich denke, den Giftmord,« sagte der Sekretär in gleichgültigem Tone.

      »Meinetwegen, nehmen wir den Giftmord,« sagte der Vorsitzende, in der Annahme, daß dieser Prozeß bis vier Uhr beendet sein würde, so daß er dann gleich wegfahren konnte.

      »Ist denn Matwjej Nikititsch noch nicht da?«

      »Nein, noch immer nicht.«

      »Ist Brewe schon da?«

      »Ja,« antwortete der Sekretär.

      »Dann sagen Sie ihm doch, wenn Sie ihn sehen, daß wir mit dem Giftmordprozess anfangen.«

      Brewe war der Staatsanwaltsgehilfe, der in dieser Sitzung die Anklage zu vertreten hatte.

      Als der Sekretär in den Korridor hinaustrat, stieß er gerade auf Brewe: mit hoch emporgezogenen Schultern ging dieser in aufgeknöpfter Uniform, das Portefeuille unterm Arm, fast im Laufschritt, laut mit den Absätzen polternd und den freien Arm wie einen Perpendikel СКАЧАТЬ