Auferstehung. Лев Толстой
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Auferstehung - Лев Толстой страница 8

Название: Auferstehung

Автор: Лев Толстой

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783752995770

isbn:

СКАЧАТЬ hatte, riß er es entzwei: es klang ihm gar zu intim, was er schrieb; er schrieb ein zweites Billet – das klang aber wieder zu kühl, fast beleidigend kalt. Er zerriß es gleichfalls und drückte auf den Klingelknopf in der Wand. In der Tür erschien ein älterer, mürrisch dreinschauender, bis auf den Backenbart glattrasierter Lakai, der eine graue Baumwollschürze vorgebunden hatte.

      »Bitte, schicken Sie nach der Droschke.«

      »Zu Befehl.«

      »Und sagen Sie – es wartet hier jemand von Kortschagins – ich ließe danken und würde zusehen, daß ich noch hinkommen kann.«

      »Zu Befehl.«

      »Es ist nicht höflich, aber ich kann nicht schreiben – schließlich sehe ich sie ja doch heute,« dachte Nechljudow und ging, um sich anzukleiden.

      Als er sich angekleidet hatte und auf die Treppe hinaustrat, erwartete ihn bereits sein ständiger Mietskutscher mit der Gummiräderdroschke.

      »Gestern waren Sie eben vom Fürsten Kortschagin weggefahren,« sagte der Kutscher, während er ihm den starken, gebräunten Hals mit dem weißen Hemdkragen halb zuwandte – »als ich kam, um Sie abzuholen. ›Eben weg!‹ sagte der Schweizer.«

      »Auch die Droschkenkutscher wissen schon um meine Beziehungen zu den Kortschagins,« dachte Nechljudow, und die unentschiedene Frage, die ihn in der letzten Zeit immer wieder beschäftigt hatte, ob er die Kortschagina heiraten solle oder nicht, trat ihm lebhaft vor die Seele. Wie die meisten Fragen, die sich ihm zu jener Zeit aufdrängten, vermochte er auch diese weder in dem einen noch in dem andern Sinne zu entscheiden.

      Zugunsten einer Heirat überhaupt sprach zunächst der Umstand, daß die Ehe, indem sie die Unregelmäßigkeit des Geschlechtslebens beseitigte, neben all den sonstigen Annehmlichkeiten des häuslichen Herdes ihm die Möglichkeit eines sittlichen Lebens, worunter er das Familienleben verstand, gewährte; zweitens, und vor allem, sprach dafür der Umstand, daß die Familie, die Kinder, seinem jetzt inhaltleeren Leben eine tiefere Bedeutung geben würden. Das waren die allgemeinen Gründe, die für eine Heirat sprachen. Gegen eine solche sprach zunächst die allen älteren Junggesellen gemeinsame Furcht, die gewohnte Freiheit einzubüßen, und dann auch eine unbewußte Furcht vor dem geheimnisvollen Wesen des Weibes überhaupt.

      Zugunsten einer Ehe gerade mit Missi – die Kortschagina führte den Vornamen Maria, hatte aber, wie es in den Familien einer gewissen Gesellschaftsklasse üblich ist, ihren besonderen Kosenamen – sprach erstens, daß sie von »guter Rasse« war und in allen Dingen, von ihrer Art, sich zu kleiden, bis zu ihrer Sprechweise, ihrem Gang, ihrem Lachen sich vor dem Gros der Frauen auszeichnete, nicht gerade durch etwas Besonderes, Außerordentliches, sondern durch ihre »Korrektheit« – er kannte keine andere Bezeichnung für diese Eigenschaft, die er sehr hochschätzte; und zweitens sprach zugunsten einer Ehe mit ihr auch die Tatsache, daß sie ihn höher schätzte, als alle andern Menschen es taten, also nach seiner Meinung ihn verstand. Und dieses Verständnis für sein Wesen, diese Anerkennung seiner hohen Vorzüge galt Nechljudow als ein Beweis ihres Verstandes und der Richtigkeit ihres Urteils. Gegen eine Heirat speziell mit Missi sprach erstens der Umstand, daß es aller Wahrscheinlichkeit nach gar nicht schwer gewesen wäre, ein junges Mädchen zu finden, das noch weit mehr Vorzüge besaß als Missi und darum seiner in höherem Maße wert war, und zweitens auch der Umstand, daß sie bereits siebenundzwanzig Jahre zählte und sicherlich schon andere Neigungen gehabt hatte – ein Gedanke, der Nechljudow besonders peinlich war. Sein Stolz vertrug es nicht, daß sie jemals, auch in der Vergangenheit, einen andern Mann außer ihm geliebt haben sollte. Allerdings hatte sie nicht wissen können, daß sie ihm einmal begegnen würde, aber schon der Gedanke, daß sie früher jemanden geliebt haben könnte, hatte für ihn etwas Beleidigendes.

      Es sprachen also ebenso viele Gründe für die Ehe wie gegen sie. Die Beweiskraft dieser Gründe und Gegengründe schien sich die Waagschale zu halten, und Nechljudow besaß Humor genug, sich selbst scherzend als »Buridans Esel« zu bezeichnen. Er gefiel sich augenblicklich noch in dieser Rolle und wußte nicht, welchem der beiden Bündel er sich zuwenden sollte.

      »Übrigens, solange ich von Maria Wassiljewna, der Frau des Adelsmarschalls, keine Antwort habe und die Angelegenheit mit ihr nicht erledigt ist, kann ich überhaupt keinen Entschluss fassen,« sagte er sich.

      Und dieses Bewusstsein, daß er die Entscheidung noch hinausschieben könne und müsse, war ihm angenehm.

      »Ich habe ja auch später noch Zeit genug zu überlegen,« sprach er zu sich selbst, als seine Droschke geräuschlos die asphaltierte Auffahrt zum Gerichtsgebäude hinauffuhr. »Jetzt heißt es gewissenhaft, wie es meine Art ist, und wie ich es für meine Schuldigkeit halte, die Bürgerpflicht zu erfüllen. Die Sache ist ja zuweilen auch ganz interessant,« sagte er sich und schritt an dem Schweizer vorüber in den Flur des Gerichtsgebäudes.

      5

      In den Korridoren des Gerichtsgebäudes ging es bereits recht lebhaft zu, als Nechljudow eintrat.

      Die Gerichtsdiener gingen rasch, zuweilen sogar im Trabe, mit schlurrenden Schritten, die Füße kaum vom Boden aufhebend und schwer atmend, mit Aufträgen und Akten hin und her; Advokaten, Richter und Aktuare eilten bald dahin, bald dorthin; Bittsteller und Angeklagte, die nicht in Untersuchungshaft saßen, schlichen in düsterer Stimmung an den Wänden entlang oder saßen erwartungsvoll auf den Bänken.

      »Wo ist das Bezirksgericht?« fragte Nechljudow einen der Gerichtsdiener.

      »Welche Abteilung? Es gibt eine Zivilabteilung und ein Kriminalgericht ...«

      »Ich bin Geschworener.«

      »Also zum Kriminalgericht. Das hätten Sie gleich sagen können. Hier rechts, dann links die zweite Tür.«

      Nechljudow ging nach der ihm gewiesenen Richtung.

      An der Tür, die man ihm bezeichnet hatte, standen zwei Männer und warteten: der eine war ein dicker Kaufmann von großer Statur, ein gutmütiger Mensch, der offenbar zum Frühstück gut gegessen und getrunken hatte und sich in der heitersten Gemütsverfassung befand; der andere war ein Kommis von jüdischer Herkunft. Sie unterhielten sich über die Wollpreise, als Nechljudow auf sie zutrat und fragte, ob hier das Geschworenenzimmer sei.

      »Ganz recht, mein Herr, hier ist es. Auch Kollege? Geschworener?« fragte der gutmütige Kaufmann mit listigem Augenblinzeln. »Na, so werden wir also gemeinsam ans Werk gehen,« fuhr er auf Nechljudows bejahende Antwort fort. »Kaufmann zweiter Gilde Baklaschow,« sagte er, ihm seine weiche, breite, kurzfingerige Hand reichend. »Es bleibt uns nichts weiter übrig. Mit wem habe ich das Vergnügen?«

      Nechljudow nannte seinen Namen und begab sich in das Geschworenenzimmer.

      In dem nicht sehr großen Geschworenenzimmer befanden sich etwa zehn Leute verschiedener Art. Sie waren alle soeben erst angekommen, sie saßen oder gingen umher, musterten sich gegenseitig und machten sich miteinander bekannt. Ein verabschiedeter Offizier in Uniform war darunter, andere trugen Gehröcke, wieder andere Jacketts, und nur einer war im Bauernwams ohne Ärmel erschienen.

      Allen konnte man, obschon der Geschworenendienst sie mitten aus ihrer Arbeit herausgerissen hatte und ihnen, wie sie sagten, recht lästig fiel, doch eine gewisse Befriedigung vom Gesicht ablesen, die in dem Bewusstsein, eine wichtige öffentliche Tätigkeit auszuüben, ihren Grund hatte.

      Die Geschworenen, die sich teils einander vorgestellt hatten, teils sich mit Vermutungen über die Persönlichkeit dieses oder jenes Kollegen begnügten, sprachen miteinander СКАЧАТЬ