Название: Auferstehung
Автор: Лев Толстой
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783752995770
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So verlebte die Maslowa sieben volle Jahre. Während dieser Zeit wechselte sie zweimal das Haus und war einmal im Hospital. Im siebenten Jahre ihres Aufenthalts in dem öffentlichen Hause und im achten nach ihrem ersten Fehltritt, als sie eben sechsundzwanzig Jahre alt war, ereignete sich jener Vorfall, der sie ins Gefängnis brachte und jetzt vor den Richterstuhl führte, nachdem sie sechs Monate lang mit Mörderinnen und Diebinnen zusammen in Untersuchungshaft gesessen hatte.
3
Zu der Zeit, als die Maslowa, ermüdet durch den langen Weg, mit den beiden sie eskortierenden Soldaten das Gebäude des Bezirksgerichts erreichte, lag jener Neffe ihrer Erzieherinnen, Fürst Dmitrij Iwanowitsch Nechljudow, der sie einst verführt hatte, in den zerknüllten Kissen seines mit einer Daunenmatratze versehenen Sprungfederbetts, hatte den Kragen seines feinen, auf der Brust mit Plättfalten versehenen Nachthemds aus holländischer Leinwand bequem aufgeknöpft und rauchte eine Zigarette. Er sah mit starren Augen vor sich hin und dachte über das nach, was er heute zu tun hatte, und was gestern gewesen.
Bei der Erinnerung an den gestrigen Abend, den er in dem reichen und angesehenen Hause der Kortschagins verbracht hatte, deren Tochter er, wie man allgemein annahm, heiraten sollte, entfuhr ihm unwillkürlich ein Seufzer. Er warf den Stummel der zu Ende gerauchten Zigarette fort und wollte sich aus dem silbernen Etui eine neue Zigarette herauslangen, doch besann er sich anders, ließ seine glatten, weißen Füße aus dem Bett gleiten, holte mit ihnen seine Pantoffel heran, warf den seidenen Schlafrock über die vollen Schultern und begab sich mit raschem, schwerem Schritt in den an das Schlafzimmer angrenzenden Ankleideraum, der ganz von dem Dufte der Elixiere, des Kölnischen Wassers, der Bartpomaden und Parfüms erfüllt war. Dort putzte er mit einem besonderen Pulver seine an vielen Stellen plombierten Zähne, spülte sie mit einem wohlriechenden Mundwasser ab und begann hierauf, sich von allen Seiten zu waschen und mit verschiedenen Handtüchern abzureiben. Als er die Hände mit wohlriechender Seife gesäubert, die langgewachsenen Nägel sorgfältig mit Bürsten geputzt und sich dann an dem großen marmornen Waschtisch das Gesicht und den starken Hals gewaschen hatte, ging er noch in ein drittes Zimmer neben dem Schlafgemach, wo ein Duschbad für ihn hergerichtet war. Nachdem er dort seinen muskulösen, mit starken Fettpolstern versehenen weißen Körper dem kalten Wasserstrahl ausgesetzt und ihn darauf mit einem rauen Laken frottiert hatte, zog er die saubere, geplättete Wäsche und die spiegelblanken Stiefeletten an und setzte sich vor die Toilette, um mittels zweier Bürsten den kurzen, schwarzen, krausen Vollbart und das auf dem Vorderteil des Schädels bereits ziemlich stark gelichtete lockige Haar zu frisieren. Alle Gegenstände, deren er sich bediente – alle Toiletteinstrumente, wie auch die Wäsche, die Kleider, das Schuhwerk, die Krawatten, die Busennadel, die Hemdknöpfe – waren von bester und teuerster Qualität, unauffällig und einfach, dauerhaft und kostbar.
Nachdem Nechljudow aus einem Dutzend Krawatten und Busennadeln die ersten, die ihm unter die Hand kamen, herausgegriffen hatte – vor Zeiten einmal war es ihm wohl neu und unterhaltend erschienen, darunter zu wählen, jetzt indes war ihm alles das ganz gleichgültig – zog er die auf dem Stuhle bereitliegenden, sauber gebürsteten Kleider an und ging, wenn auch nicht vollkommen frisch, so doch leidlich adrett und von Wohlgerüchen umweht, in den langgestreckten Speisesaal mit dem Tags vorher von drei Bauern frisch gewachsten Parkettfußboden, dem riesigen Eichenbüfett und dem ebenso riesigen Ausziehtisch, dessen breit auseinanderstehende, in Form von Löwentatzen geschnitzte Füße etwas Majestätisch-Feierliches hatten. Auf diesem Tische, der mit einem feinen, gestärkten, mit großen Monogrammen verzierten Tischtuch bedeckt war, stand eine silberne Kaffeekanne mit duftendem Kaffee, eine ebensolche Zuckerdose, eine Rahmkanne mit abgekochter Sahne und ein Korb mit frischer Semmel, kleinen Zwiebäcken und Biskuits. Neben dem Gedeck lagen die eingetroffenen Briefe und Zeitungen und das neueste Heft der »Revue des deux Mondes«. Nechljudow wollte eben nach den Briefen greifen, als aus der Tür, die nach dem Korridor führte, eine wohlbeleibte, bejahrte Frau in Trauer, mit einem Spitzenhäubchen, das den noch nicht frisch gemachten Haarscheitel verbarg, herangeschwebt kam. Es war die Kammerfrau der vor kurzem in derselben Wohnung verstorbenen Mutter Nechljudows, Agrafena Petrowna, die jetzt bei dem Sohne in der Stellung einer Haushälterin geblieben war. Agrafena Petrowna hatte wohl an die zehn Jahre mit der Mutter Nechljudows auf verschiedenen Reisen im Ausland verbracht und besaß ganz das Aussehen und die Manieren einer Dame. Sie hatte von Kindheit an im Hause der Nechljudows gelebt und Dmitrij Iwanowitsch bereits gekannt, als man ihn noch Mitenjka nannte.
»Guten Morgen, Dmitrij Iwanowitsch!«
»Guten Morgen, Agrafena Petrowna. Was gibt's Neues?« fragte Nechljudow leutselig.
»Ein Brief ist da, von der Fürstin, oder von dem fürstlichen Fräulein. Die Kammerzofe hat ihn schon vor einer ganzen Weile gebracht, sie wartet bei mir,« sagte Agrafena Petrowna, übergab ihm den Brief und lächelte verständnisinnig.
»Schön, sogleich,« sagte Nechljudow, während er den Brief nahm. Als er Agrafena Petrownas Lächeln bemerkte, runzelte er die Stirn.
Das Lächeln Agrafena Petrownas besagte, daß der Brief tatsächlich von der jungen Fürstin Kortschagin war, die Nechljudow nach Agrafena Petrownas Meinung zu heiraten im Begriff stand. Und diese Vermutung, die in Agrafena Petrownas Lächeln zum Ausdruck kam, war Nechljudow peinlich.
»Ich will ihr sagen, daß sie warten soll,« sagte Agrafena Petrowna, nahm den Tischabfeger, der nicht am richtigen Platze lag, legte ihn an einen andern Platz und schwebte zum Speisesaal hinaus.
Nechljudow erbrach den duftenden Brief, den Agrafena Petrowna ihm gebracht hatte, und begann zu lesen:
»Ich erfülle hiermit die von mir übernommene Pflicht, Ihr ›Gedächtnis‹ zu sein,« so stand auf dem dicken grauen Brieffbogen mit den ungleichen Rändern in fester, weitläuftiger Schrift zu lesen – »und so erinnere ich Sie daran, daß Sie heute, am 28. April, in der Schwurgerichtssitzung zu erscheinen haben, mithin nicht mit uns und Kolossow zusammen in die Gemäldeausstellung fahren können, wie Sie dies gestern mit dem Ihnen eigentümlichen Leichtsinn versprochen haben: es müßte denn sein, daß es Ihnen Vergnügen macht, für den Fall des Nichterscheinens 300 Rubel an die Gerichtskasse zu zahlen, die Sie besser für Ihren Marstall verwenden. Es fiel mir gestern ein, als Sie eben gegangen waren. Vergessen Sie es also nicht.
Fürstin M. Kortschagin«
Auf der andern Seite war hinzugefügt:
»Mama läßt Ihnen sagen, daß Ihr Couvert Sie bis spät in der Nacht erwartet. Kommen Sie auf jeden Fall, wann es auch sei.
M. K.«
Nechljudow runzelte die Stirn. Der Brief war die Fortsetzung jener geschickten Arbeit, die bereits seit zwei Monaten von der jungen Fürstin Kortschagin an ihm ausgeführt wurde, und die darin bestand, daß sie ihn mehr und mehr mit unsichtbaren Fäden an sich knüpfte. Dabei hatte Nechljudow, abgesehen von jener Unentschlossenheit, wie sie Leuten eigen zu sein pflegt, die nicht mehr in der ersten Jugendblüte stehen und nicht leidenschaftlich verliebt sind, noch einen ganz besondern Grund, der ihn bewog, selbst wenn er sich für die junge Fürstin entschied, doch nicht СКАЧАТЬ