Auferstehung. Лев Толстой
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Название: Auferstehung

Автор: Лев Толстой

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783752995770

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      Das Zimmer der Fürstin Sofia Wassiljewna lag hinter dem großen und dem kleinen Empfangszimmer. In dem großen Empfangszimmer blieb Missi, die vor Nechljudow herging, entschlossen stehen, faßte nach der Lehne eines vergoldeten kleinen Sessels und sah ihn an.

      Missi hätte Nechljudow, der als eine gute Partie galt, gar zu gern geheiratet. Er gefiel ihr außerdem, und sie hatte sich an den Gedanken gewöhnt, daß er der Ihrige – nicht sie die Seinige, sondern eben er der Ihrige – werden würde, und sie arbeitete mit einer zwar unbewußten, doch um so hartnäckigeren Verschlagenheit, wie man sie häufig auch bei Geisteskranken findet, auf dieses Ziel hin. Wenn sie ihn jetzt in dieses Gespräch gezogen hatte, so war es geschehen, weil sie ihn endlich zu einer Erklärung veranlassen wollte.

      »Ich sehe, daß Ihnen irgend etwas begegnet ist,« sagte sie, »was ist Ihnen?«

      Er erinnerte sich der Begegnung im Gerichtssaale und errötete, während seine Brauen sich verfinsterten.

      »Ja, es ist mir etwas begegnet,« sagte er, in dem Bestreben, die Wahrheit zu sagen – »etwas Seltsames, Ungewöhnliches, Bedeutsames.«

      »Was ist es? Können Sie es mir nicht sagen?«

      »Nein, ich kann es jetzt nicht sagen. Gestatten Sie mir, darüber zu schweigen. Ich habe noch nicht Zeit gefunden, mir darüber vollkommen klar zu werden,« sagte er und errötete noch stärker.

      »Und Sie werden es mir nicht sagen?« fragte sie, während ein Zucken über ihr Gesicht ging und der Stuhl, an dem sie sich festhielt, von seiner Stelle rückte.

      »Nein, ich kann es nicht,« antwortete er, und er fühlte dabei, daß er die Antwort, die er ihr gab, auch sich selbst gab, und daß er damit zugestand, wirklich etwas höchst Bedeutsames erlebt zu haben.

      »Nun, dann gehen wir.«

      Sie schüttelte den Kopf, als wolle sie sich irgend welcher überflüssigen Gedanken erwehren, und ging, rascher als sonst, voran.

      Es schien ihm, als presse sie ihre Lippen in unnatürlicher Weise aufeinander, um ihre Tränen zurückzuhalten. Es bedrückte und schmerzte ihn, daß er sie gekränkt hatte, doch er wußte, daß die geringste Schwäche von seiner Seite ihm verhängnisvoll werden, das heißt ihn binden mußte. Davor aber fürchtete er sich jetzt ganz besonders, und so folgte er ihr schweigend nach dem Kabinett der Fürstin.

      26

      Fürstin Sofia Wassiljewna hatte ihr Mittagsmahl beendet, das überaus schmackhaft und zugleich nahrhaft war, und das sie stets allein einzunehmen pflegte, damit niemand sie bei dieser unpoetischen Verrichtung beobachten könnte. Neben ihrem Ruhebett stand ein Tischchen mit Kaffee, und sie rauchte eine kleine Pachitos. Fürstin Sofia Wassiljewna war eine hagere, schlanke Brünette mit großen schwarzen Augen und langen Zähnen, die noch immer die Jugendliche spielte.

      Man sagte ihr nach, sie habe ein Verhältnis mit ihrem Arzt. Nechljudow hatte früher auf dieses Geklätsch nichts gegeben, heute jedoch erinnerte er sich nicht nur der umlaufenden Gerüchte, sondern hatte auch, als er den Arzt mit seinem pomadisierten, glänzenden, nach beiden Seiten auseinandergekämmten Barte neben ihrem Sessel sitzen sah, ein Gefühl der Abneigung und des Widerwillens.

      Dicht neben Sofia Wassiljewna saß Kolossow auf einem niedrigen, weichen Sessel an dem Kaffeetischchen und mischte seinen Kaffee. Auf dem Tischchen stand ein mit Likör gefülltes Gläschen.

      Missi kam mit Nechljudow zu ihrer Mutter, blieb jedoch nicht im Zimmer.

      »Wenn Mama müde wird und Sie fortjagt, dann kommen Sie zu mir,« sagte sie zu Nechljudow in einem Tone, als ob nichts zwischen ihnen vorgefallen wäre, und ging mit heiterem Lächeln, unhörbar über den dicken Teppich dahinschreitend, zur Tür hinaus.

      »Nun, seien Sie mir willkommen, mein Freund, setzen Sie sich und erzählen Sie,« sagte die Fürstin mit ihrem geschickt geheuchelten Lächeln, das einem echten Lächeln zum Verwechseln ähnlich war. Sie zeigte dabei ihre schönen, langen Zähne, die so geschickt gemacht waren, daß sie fast wie natürliche Zähne aussahen. »Man hat mir erzählt, daß Sie in einer sehr düsteren Stimmung vom Gericht zurückgekommen sind. Ich glaube, dieses Geschworenenamt muß für Leute von Herz und Gemüt recht schwer sein,« fügte sie auf französisch hinzu.

      »Ja, das ist wahr,« sagte Nechljudow – »man fühlt nicht selten seine ... fühlt, daß man kein Recht hat, zu richten ...«

      »Ja, in der Tat!« rief sie aus, als sei sie im höchsten Maße betroffen durch die Richtigkeit seiner Bemerkung, wie sie ihrem Partner überhaupt stets etwas Schmeichelhaftes zu erwidern wußte.

      »Nun, und was macht Ihr Bild? Ich interessiere mich sehr dafür,« fuhr sie fort. »Wenn ich nicht so leidend wäre, hätte ich mich längst zu einem Besuch bei Ihnen angemeldet.«

      »Ich habe nicht mehr daran weitergearbeitet,« antwortete Nechljudow trocken. Die Unaufrichtigkeit ihrer Schmeichelei entging ihm heute so wenig wie ihr Alter, das sie mit allen Mitteln der Toilettenkunst zu verheimlichen suchte. Er konnte heute gar nicht die rechte Stimmung finden, um den Liebenswürdigen zu spielen.

      »Das war sehr unrecht! Denken Sie sich, daß Rjepin Berühmter russischer Maler.selbst mir gesagt hat, er habe entschieden Talent,« sagte sie zu Kolossow mit einem Kopfnicken nach Nechljudow.

      »Daß sie sich nicht schämt, so zu lügen!« dachte Nechljudow stirnrunzelnd.

      Als sie die Überzeugung gewonnen hatte, daß Nechljudow nicht bei Laune und keine vernünftige Antwort aus ihm herauszubekommen sei, wandte sich Sofia Wassiljewna an Kolossow mit der Frage, welche Meinung er über das neueste Drama habe, und zwar in einem Tone, als sei die Meinung Kolossows geeignet, alle Zweifel betreffs dieses Dramas zu beseitigen, und als verdiene jedes Wort, das er über dieses Thema sagte, verewigt zu werden. Kolossow tadelte das Drama und äußerte bei dieser Gelegenheit seine Ansichten über die Kunst im allgemeinen. Fürstin Sofia Wassiljewna war durch die Richtigkeit seines Urteils im höchsten Maße frappiert – sie versuchte zwar, den Verfasser des Dramas zu verteidigen, doch erklärte sie sich schließlich für besiegt. Nechljudow sah und hörte wohl zu, doch beschäftigten ihn ganz andere Dinge.

      Wenn er so hörte, was Sofia Wassiljewna und Kolossow miteinander sprachen, dann hatte er den Eindruck, daß sie beide nicht das geringste Interesse an dem Drama oder aneinander hatten, und daß, wenn sie jetzt redeten, es einzig darum geschah, weil sie das physiologische Bedürfnis, nach dem Essen die Zungen- und Kehlkopfmuskel zu bewegen, befriedigen wollten. Er sah auch, daß Kolossow, der Branntwein, Wein und Likör getrunken hatte, ein wenig berauscht war, nicht so stark, wie die Bauern es zu sein pflegen, die nur selten trinken, sondern so, wie jene Leute es zumeist sind, denen das Weintrinken zur Gewohnheit geworden ist. Er schwankte nicht, redete auch keine Dummheiten, war jedoch in einem nicht normalen, aufgeregt-selbstzufriedenen Zustande. Endlich sah Nechljudow, daß die Fürstin Sofia Wassiljewna mitten im Gespräch unruhig nach dem Fenster blickte, durch das gerade auf sie ein Sonnenstrahl schräg einfiel, dessen greller Schein nur zu leicht ihre Jahre verraten konnte.

      »Wie richtig bemerkt!« sagte sie mit Bezug auf irgendeine Äußerung Kolossows und drückte auf den neben ihrem Ruhebett in der Wand befindlichen Klingelknopf.

      In diesem Augenblick erhob sich der Doktor und ging, ohne ein Wort zu sagen, wie jemand, der ständig im Hause verkehrt, aus dem Zimmer. Sofia Wassiljewna folgte ihm mit den Augen, während sie das Gespräch fortsetzte.

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