Auferstehung. Лев Толстой
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Auferstehung - Лев Толстой страница 24

Название: Auferstehung

Автор: Лев Толстой

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783752995770

isbn:

СКАЧАТЬ wollte mich verabschieden,« sagte er, ein Kuvert mit einem Hundertrubelschein in der Hand zerknitternd. »Hier, ich ...«

      Sie erriet seine Absicht, runzelte die Stirn, schüttelte den Kopf und stieß seine Hand fort.

      »Nein, nimm nur,« flüsterte er und steckte ihr das Kuvert in den Busen. Als ob er sich verbrannt hätte, lief er, das Gesicht verziehend und fast aufstöhnend, in sein Zimmer.

      Und lange darauf noch ging er in seinem Zimmer auf und ab, krümmte sich, sprang in die Höhe und ächzte laut, wie in körperlicher Qual, sobald er sich dieser Szene erinnerte.

      Doch was sollte er tun? Es ist immer dieselbe Geschichte. So war es auch mit Schönbock und der Gouvernante gewesen, von der jener ihm erzählt hatte; so war es mit Onkel Grischa gewesen, und so war es auch mit seinem eignen Vater, als dieser auf seinem Landgute lebte und ihm von einem Dorfmädchen ein unehelicher Sohn, Mitenjka, geboren wurde, der noch am Leben war. Wenn alle es so machten, dann mußte es jedenfalls so richtig sein. So suchte er sich zu trösten, ohne doch in Wirklichkeit einen Trost zu finden. Diese Erinnerung brannte ihn tief in seiner Seele.

      Dort, auf dem tiefsten Grunde seiner Seele, hatte er das Bewusstsein, so abscheulich, gemein und grausam gehandelt zu haben, daß er mit dem Bewusstsein dieser Handlung fortan nicht nur keinen Menschen verurteilen, sondern den Menschen überhaupt nicht in die Augen sehen durfte, ganz davon zu schweigen, daß er sich noch länger für den vortrefflichen, edlen, großherzigen Jüngling halten durfte, für den er sich bisher gehalten. Es war ihm aber Bedürfnis, sich für einen solchen zu halten, wenn anders er frisch und froh weiterleben wollte. Dafür gab es nur ein einziges Mittel: nicht an die Sache zu denken. Und das tat er denn auch.

      Das Leben, in das er nun eintrat: die neue örtliche Umgebung, die Kameraden, der Krieg – halfen ihm dabei. Und je länger er lebte, desto mehr vergaß er, bis er es schließlich wirklich ganz vergessen hatte.

      Nur einmal, als er nach dem Kriege in der Hoffnung, Katjuscha wiederzusehen, bei den Tanten vorsprach und erfuhr, daß sie nicht mehr da sei, daß sie bald nach seiner Abreise von ihnen weggezogen und, wie die Tanten gehört hatten, ganz und gar verkommen sei – nur dieses eine Mal fühlte er sich recht bedrückt und beklommen. Das Kind, das sie geboren hatte, konnte der Zeit nach sein Kind sein, aber es konnte ebensogut nicht das seinige sein. Die Tanten sagten, sie sei ganz verdorben, sei zum Laster veranlagt gewesen, ebenso wie ihre Mutter. Und dieses Urteil der Tanten war ihm angenehm, weil es ihn zu rechtfertigen schien. Anfangs hatte er noch die Absicht gehabt, sie und das Kind aufzusuchen, dann aber gab er, da in der Tiefe seiner Seele der Schmerz und die Scham bei jedem Gedanken an sie doch noch zu lebhaft waren, alle Bemühungen, sie aufzufinden, auf, vergaß vollends seine Sünde und hörte auf, an sie zu denken.

      Und nun rief dieser sonderbare Zufall wieder alle Erinnerungen in ihm wach und zwang ihn zu dem Bekenntnis seiner Herzlosigkeit, Grausamkeit und Verworfenheit, die es ihm ermöglicht hatten, während dieser zehn Jahre mit einer solchen Schuld auf dem Gewissen ruhig fortzuleben. Freilich war er von diesem Bekenntnis noch weit entfernt und augenblicklich nur von der einen Befürchtung erfüllt, daß die Sache jetzt ans Tageslicht kommen, daß sie oder ihr Verteidiger alles erzählen und ihn vor aller Welt blamieren könnte.

      19

      In dieser seelischen Verfassung befand sich Nechljudow, als er aus dem Gerichtssaal sich in das Geschworenenzimmer hinausbegeben hatte. Er saß am Fenster, hörte auf die Gespräche, die rings um ihn geführt wurden, und rauchte in einem fort.

      Der lustige Kaufmann hatte offenbar ein tiefes Verständnis für den Zeitvertreib, den der Kaufmann Smjelkow sich vor seinem Tode gewählt hatte.

      »Der hat es verstanden, Bruder! Der hat die Sache auf echt sibirische Art angefaßt! Der wußte, wo Bartel den Most holt: was für ein Prachtmädel er sich ausgesucht hat!«

      Der Obmann machte einige Äußerungen, des Inhalts, daß alles auf die Aussage der Sachverständigen ankomme. Peter Gerassimowitsch machte dem jüdischen Kommis gegenüber irgendeine scherzhafte Bemerkung, worauf dann beide laut zu lachen begannen. Nechljudow antwortete nur einsilbig auf alle an ihn gerichtete Fragen und hatte nur den einen Wunsch, daß man ihn in Ruhe lassen möchte.

      Als der Nuntius mit seinem schiefen Gange ins Zimmer trat und die Geschworenen in den Sitzungssaal zurückrief, empfand Nechljudow eine Angst, als ob er nicht als Richter, sondern als Angeklagter den Saal betreten sollte. In der Tiefe seiner Seele fühlte er schon, daß er ein Schurke sei, der sich schämen müsse, den Menschen in die Augen zu sehen, doch betrat er gleichwohl die Estrade in der gewohnten sicheren Haltung und setzte sich auf seinen Platz, als zweiter nach dem Obmann. Er legte ein Bein über das andere und begann mit seinem Pincenez zu spielen.

      Auch die Angeklagten waren irgendwohin hinausgeführt worden und wurden soeben wieder zurückgebracht.

      Im Saale waren jetzt neue Gestalten erschienen: die Leute, die als Zeugen vernommen werden sollten. Nechljudow bemerkte, daß die Maslowa mehrmals aufblickte, als könne sie ihre Blicke von einer in Samt und Seide gekleideten, auffallend herausgeputzten dicken Frau nicht abwenden, die in einem hohen Hut mit großer Schleife, mit einem eleganten Ridicule an dem bis an den Ellenbogen entblößten Arme, in der ersten Reihe vor der Barriere saß. Es war dies, wie er später erfuhr, eine Zeugin: die Wirtin des Hauses, in dem die Maslowa gelebt hatte.

      Das Zeugenverhör begann: Name, Konfession usw. Nachdem die einzelnen Zeugen befragt worden waren, ob sie ihre Aussage unter Eid oder unvereidigt machen wollten, kam wieder, schwerfällig daherschreitend, jener alte Priester in den Saal, rückte, wie vorher, das goldene Kreuz auf seinem seidenen Gewande zurecht und nahm mit der gleichen Ruhe und Zuversicht die Vereidigung der Zeugen vor. Als die Vereidigung beendet war, wurden alle Zeugen hinausgeführt, bis auf die Kitajewa, die Wirtin des Hauses, in dem Katjuscha gelebt hatte. Man befragte sie, was sie in dieser Angelegenheit wisse; die Kitajewa erzählte mit affektiertem Lächeln und deutschem Akzent ausführlich und zusammenhängend, was sie wußte, wobei ihr Kopf jeden Augenblick in dem riesigen Hut untertauchte.

      Zunächst war bei ihr, erzählte sie, der Korridorkellner Simon vorgefahren, um für einen reichen sibirischen Kaufmann ein Mädchen zu holen. Sie schickte die Ljubascha mit. Nach einiger Zeit kam Ljubascha nach Hause und brachte den Kaufmann mit. »Der Kaufmann war schon im Trans,« sagte die Kitajewa lächelnd – »und er trank dann bei uns weiter und traktierte die Mädchen; als ihm aber das Geld ausgegangen war, schickte er diese selbige Ljubascha, für die er nu mal ein Faible hatte, in sein Hotelzimmer,« sagte sie mit einem Blick auf die Angeklagte.

      Es schien Nechljudow, als habe die Maslowa bei diesen Worten gelächelt, und er fand dieses Lächeln widerwärtig. Ein seltsames, unbestimmtes Gefühl des Abscheus und des Mitleids zugleich regte sich in ihm.

      »Und welche Meinung hatten Sie von der Maslowa?« fragte errötend und zaghaft der Gerichtsamtskandidat, der vonseiten des Gerichts der Maslowa zum Verteidiger gestellt war.

      »Die allerbeste Meinung,« antwortete die Kitajewa – »ein gebildetes Mädchen, und ein adrettes Mädchen. Sie ist in 'ner guten Familie erzogen, und sie kann Französisch lesen. Sie hat wohl mal bißchen viel getrunken, aber sie hat sich nie vergessen. Wirklich ein sehr gutes Mädchen.«

      Katjuscha sah die Wirtin an, dann aber wandte sie plötzlich ihre Augen auf die Geschworenen und ließ sie auf Nechljudow ruhen, wobei ihr Gesicht einen ernsten und sogar strengen Ausdruck annahm. Eins ihrer strengen Augen schielte. Eine ganze Weile waren diese beiden seltsam blickenden Augen auf Nechljudow gerichtet, und trotz des Schreckens, der ihn ergriff, vermochte auch er seinen Blick von diesen schielenden Augen mit dem grellen Weiß nicht abzuwenden. Er gedachte jener furchtbaren Nacht mit dem brechenden Eis, und dem СКАЧАТЬ