Auferstehung. Лев Толстой
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Auferstehung - Лев Толстой страница 22

Название: Auferstehung

Автор: Лев Толстой

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783752995770

isbn:

СКАЧАТЬ

      Nechljudow ließ sie los, und für einen Augenblick fühlte er sich verlegen und beschämt, ja er empfand sogar Abscheu vor sich selbst. Er hätte nun sich selbst glauben sollen, doch er begriff nicht, daß diese Verlegenheit, diese Scham die besten Gefühle seiner Seele waren, die sich hier offenbarten. Es schien ihm im Gegenteil, daß es lediglich seine Dummheit sei, die sich so äußerte, und daß er nunmehr das tun müsse, was alle in solchem Falle zu tun pflegen.

      Er holte sie nochmals ein, umarmte sie wieder und küßte sie auf den Hals. Dieser Kuss war schon von ganz anderer Art als die beiden früheren: jener unbewußte hinter dem Fliederbusch, und dann der zweite heute früh in der Kirche. Dieser dritte Kuss hatte etwas Furchtbares, und sie fühlte das.

      »Was tun Sie denn?« schrie sie mit einer Stimme, als habe er etwas unendlich Kostbares in Scherben geschlagen, und lief fort, so rasch sie konnte.

      Er kam in das Speisezimmer. Die Tanten standen feiertäglich gekleidet mit dem Hausarzt und einer Nachbarin bei dem Tische mit dem kalten Imbiss. Alles war ganz so wie gewöhnlich, nur in Nechljudows Seele tobte ein Sturm. Er verstand nichts von dem, was zu ihm gesprochen wurde, gab verkehrte Antworten und dachte nur an Katjuscha. Er war noch ganz im Banne der Empfindung, die er bei jenem letzten Kuss im Korridor gehabt hatte, und konnte an nichts anderes denken. Wenn sie ins Zimmer trat, fühlte er, ohne sie anzusehen, doch mit seinem ganzen Wesen ihre Gegenwart, und mußte sich gewaltsam beherrschen, um sie nicht anzusehen.

      Sogleich nach dem Mittagessen begab er sich in sein Zimmer und ging darin in großer Erregung lange auf und ab, wobei er auf jeden Laut, der sich im Hause vernehmen ließ, lauschte und jeden Augenblick ihren Schritt zu vernehmen hoffte. Jener animalische Mensch, der in ihm lebte, hatte jetzt nicht nur sein Haupt erhoben, sondern trat auch den geistigen Menschen unter seine Füße, der damals, bei seinem ersten Besuche, in ihm gelebt hatte und auch heute früh in der Kirche noch in ihm lebendig gewesen war. Dieser animalische Mensch herrschte jetzt ganz allein in seiner Seele. Obschon Nechljudow Katjuscha förmlich belauerte, gelang es ihm im Laufe des Tages doch nicht ein einziges Mal, ihr zu begegnen. Er nahm an, daß sie ihm aus dem Wege gehe. Gegen Abend jedoch fügte es sich, daß sie in das Zimmer gehen mußte, das neben dem seinigen lag. Der Doktor blieb über Nacht, und Katjuscha sollte für den Gast das Bett machen. Als Nechljudow ihre Schritte vernahm, ging er leise, mit verhaltenem Atem, als sei er im Begriff, ein Verbrechen zu begehen, hinter ihr in das Gastzimmer.

      Sie hatte beide Arme in den frischen Kissenüberzug gesteckt und hielt mit den Händen die Ecken des Kissens fest – und in dieser Haltung blickte sie sich lächelnd nach ihm um, doch war es kein frohes, heiteres Lächeln wie früher, es lag darin vielmehr etwas Erschrockenes, Klägliches. Dieses Lächeln schien ihm zu sagen, daß das, was er tat, eine Schlechtigkeit sei. Einen Augenblick hielt er inne. Noch war die Möglichkeit eines Kampfes gegeben. Noch ließ sich, wenn auch nur schwach, in seinem Innern die Stimme wahrer Liebe zu ihr vernehmen, die ihm von ihr, von ihren Gefühlen, von ihrem Leben sprach. Doch eine andere Stimme sprach: »Gib acht, sonst entgeht dir dein Genuss, dein Glück!« Und diese zweite Stimme übertönte die erste, und ein furchtbares, unwiderstehliches animalisches Gefühl bemächtigte sich seiner.

      Er ließ sie nicht aus seinen Armen, setzte sie auf das Bett und ließ sich in dem Gefühl, daß nun noch etwas geschehen müsse, neben ihr nieder.

      »Dmitrij Iwanowitsch, mein Lieber, lassen Sie mich, bitte, bitte, los!« – sprach sie mit kläglich flehender Stimme. »Matrona Pawlowna kommt!« schrie sie dann plötzlich und riß sich von ihm los.

      Wirklich näherte sich jemand der Tür.

      »Ich komme in der Nacht zu dir,« sprach Nechljudow. »Du bist doch allein?«

      »Was fällt Ihnen ein? Um nichts in der Welt!« sagte sie, doch nur mit dem Munde, während ihr ganzes erregtes, verwirrtes Wesen etwas anderes sagte.

      Es war in der Tat Matrona Pawlowna, die an die Tür gekommen war. Sie trat mit einer Bettdecke über dem Arm ins Zimmer, warf Nechljudow einen vorwurfsvollen Blick zu und meinte ärgerlich zu Katjuscha, sie habe nicht die richtige Decke genommen.

      Nechljudow ging schweigend hinaus. Er hatte nicht einmal das Gefühl der Beschämung. Er hatte an Matrona Pawlownas Miene gesehen, daß sie sein Verhalten mißbillige, und er sagte sich, daß sie recht habe, es zu mißbilligen, und wußte, daß das, was er tat, schlecht sei. Aber das animalische Gefühl, das über dem früheren Gefühl der reinen Liebe zu ihr emporgewuchert war, hatte ihn ganz in seinen Bann geschlagen und beherrschte ihn vollkommen, ohne irgendeine andere Empfindung neben sich aufkommen zu lassen. Er dachte jetzt nur daran, seiner Leidenschaft Genüge zu tun, und war blind für alles andere.

      Den ganzen Abend war er wie gestört – bald kam er zu den Tanten, bald ging er wieder in sein Zimmer oder auf den Flur hinaus, und er hatte nur den einen Gedanken, wie er sie allein zu Gesicht bekommen könnte; aber sie mied ihn offenbar, und auch Matrona Pawlowna war bemüht, sie nicht aus den Augen zu lassen.

      17

      So verging der ganze Abend, und die Nacht brach an. Der Doktor war zu Bett gegangen. Auch die Tanten legten sich schlafen. Nechljudow wußte, daß Matrona Pawlowna jetzt im Schlafzimmer der Tanten war, und daß Katjuscha allein im Mädchenzimmer weilte. Er ging wieder auf den Flur hinaus und von da auf die Treppe vor dem Hause. Draußen war es dunkel, feucht und warm, und der weiße Nebel, der im Frühling den letzten Schnee zum Schwinden bringt oder vielmehr von dem tauenden letzten Schnee erzeugt wird, erfüllte die ganze Atmosphäre. Vom Flusse her, der in einer Entfernung von hundert Schritten am Bergabhang vorüberströmte, ließen sich seltsame Laute vernehmen: der Eisgang hatte begonnen.

      Nechljudow stieg die Treppe hinunter und ging auf dem zu Eis erstarrten Schnee über die Pfützen hinweg nach dem Fenster des Mädchenzimmers. Sein Herz klopfte so laut in der Brust, daß er es hören konnte; sein Atem stockte oder entrang sich als schwerer Seufzer der Brust. In dem Mädchenzimmer brannte eine kleine Lampe. Katjuscha saß allein am Tische, in Nachdenken versunken, und sah vor sich hin. Nechljudow schaute sie lange an, ohne sich zu rühren – er wollte sehen, was sie trieb, wenn sie sich unbeobachtet wähnte. Zwei Minuten etwa saß sie regungslos da, dann erhob sie die Augen, lächelte und schüttelte, als wolle sie sich selbst einen Vorwurf machen, den Kopf; und dann, nachdem sie ihre Haltung verändert, legte sie mit einer leidenschaftlichen Bewegung beide Arme auf den Tisch und starrte vor sich hin ins Leere.

      Er stand da, sah sie an und hörte dabei unwillkürlich das Klopfen seines Herzens und gewisse seltsame Laute, die vom Flusse herüberdrangen. Dort, auf dem Flusse, ging im Nebel eine langsame, rastlose Arbeit vor sich – bald knackte und krachte es, bald erfolgte ein Sturz, bald klirrten die dünnen Eisschollen wie zersplittertes Glas.

      Er stand da und blickte auf das nachdenkliche, von innerer Gedankenarbeit zerquälte Gesicht Katjuschas, und er hatte ein lebhaftes Mitgefühl mit ihr, seltsamerweise jedoch steigerte gerade dieses Mitgefühl sein Verlangen nach ihr.

      Er klopfte ans Fenster. Sie erbebte am ganzen Körper, wie von einem elektrischen Schlage getroffen, und Entsetzen malte sich auf ihrem Gesichte. Dann sprang sie auf, ging zum Fenster und preßte ihr Gesicht gegen die Scheibe. Der Ausdruck des Entsetzens wich auch dann noch nicht von ihrem Gesichte, als sie, beide Handflächen wie Scheuklappen an die Augen legend, ihn erkannte. Ihr Gesicht war ungewöhnlich ernst – er hatte es nie so gesehen. Sie lächelte erst dann, als er sie anlächelte – lächelte nur gleichsam zum Zeichen, daß sie sich ihm unterwerfe, in ihrer Seele aber war kein Lächeln, sondern die helle Angst. Er machte ihr ein Zeichen mit der Hand, sie möchte doch zu ihm auf den Hof hinauskommen. Doch sie schüttelte verneinend den Kopf, sie wollte nicht hinaus und blieb am Fenster stehen. Er näherte sein Gesicht noch einmal dem Fenster und wollte soeben rufen, daß СКАЧАТЬ