Der Gewalt keine Chance. Martina Dr. Schäfer
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Название: Der Gewalt keine Chance

Автор: Martina Dr. Schäfer

Издательство: Bookwire

Жанр: Социология

Серия:

isbn: 9783741880735

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СКАЧАТЬ hier trifft die Sage wirklich das richtige Bild: Vampire sind tot, sie haben wenig oder gar keine Gefühle, auf jeden Fall kein Mitgefühl für ihr Gegenüber. Immerhin wollen sie sich selber noch ernähren und aufbauen. Ein Fünkchen Lebendigkeit ist noch da – ganz im Unterschied zu den richtig Toten, den Zombies, auf die ich im nächsten Absatz eingehen werde.

      Was auch immer man von Vampiren halten mag: Sie betreiben, in ihrer höchst egozentrischen Weise, wenigstens noch ein Mindestmaß an Kommunikation, gieren gar nach ihr, denn Kommunikation ist der Gartenschlauch, durch den sie die Energie aus ihrem Gegenüber saugen können. Sie haben eine Reihe von Bedürfnissen, die sie auf Kosten anderer Menschen befriedigen wollen. Die anderen Menschen, die Frauen, sind ihre Fleischhaufen, ihre Gazellenopfer oder Blutkonserven, auf die sie hungrig sind. Das heißt, sie spüren etwas: Hunger, Gier und Lust der Befriedigung.

      Manche Täter jedoch spüren auch das nicht mehr: weder die eigene Leere noch die Existenzberechtigung und Würde ihres mitmenschlichen Gegenübers. Zwar laufen sie noch herum, bewegen sich, reden, essen, atmen, doch ihr inneres Feuer ist erloschen, keine Glut atmet unter Asche und Lava.

      Man könnte eine ganze Reihe von Gründen dafür aufzählen, warum manche Leute so gefühlskalt geworden sind, dass sie wie Zombies wirken. Viele Ursachen haben sie zu lebenden Leichnamen gemacht: Möglicherweise haben sie selber als Kinder schwere Gewalt durch Eltern oder andere Erwachsene erlebt, vielleicht sind sie unter Krieg und Terror aufgewachsen oder mussten grauenhafte Dinge in einem Alter mit ansehen, in dem das kein Kind verarbeiten kann.

      Manchmal wissen die Psychologen letztlich nicht, welche Erlebnisse eine solche gestörte, abgetötete Persönlichkeitsstruktur hervorgerufen haben. Sie sprechen dann von endogenen Ursachen, also solchen, die so tief in der Seele verborgen liegen, dass man sie nicht ans Tageslicht holen kann. Psychiater machen auch oft physiologische Ursachen für eine pathologische Persönlichkeitsstruktur verantwortlich: die Hormone, die Nerven, die Gene usw.

      Zombies sind meistens etwas schwerere Kaliber als Vampire. Die Kriminalistik nennt solche Täter auch Psychopathen oder Soziopathen. Die Filmindustrie verdient Millionen mit ihren Stories über möglichst abstruse Zombiepersönlichkeiten wie z. B. in dem Film «Das Schweigen der Lämmer».

      Wie auch immer: So wie keine Frau dazu geboren worden ist, Gewalt zu erleiden, ist auch kein Mann dazu geboren worden, ein Täter zu werden. Die genetischen Anlagen der Menschen sind ausgeglichen genug, dass diese zwischen Krieg und Frieden wählen können. Es sind physische, psychische oder soziale Ursachen, welche die Waage des Verhaltens mehr zur einen oder zur anderen Seite neigen lassen.

      Das Ziel des Zombies ist, irgendwie aus diesem gefühlsstarren Zustand herauszukommen, «die Glaswand zu durchbrechen», wie einer einmal zu mir sagte.

      Manche nehmen Drogen, um wenigstens irgendetwas zu spüren, was den ganzen Zustand auf Dauer nur noch schlimmer macht. Manche Menschen werden erst in der Folge jahrelangen Drogenkonsums zum Zombie, denn die wahre Welt weckt nur selten solch exzessive Gefühle wie die künstlichen Stoffe, spiegelt uns solch rasante, klare Farben und grelle Lichtspiele vor.

      Eine andere Möglichkeit des Zombies ist, mit Hilfe starker und extremer Gefühle anderer Menschen, mitreißender, seelischer Erschütterungen die eigenen Gefühle aufzuwecken. Schreit das Gegenüber voller Qual, windet es sich mit schmerzverzerrtem Gesicht, rührt sich möglicherweise irgendwo tief drinnen im Zombie ein Funke. Sein Opfer ist der Zunder, aus dem er versucht, Funken für seine tote Seele zu schlagen.

      So nimmt man an, dass Exhibitionismus der Beginn eines solchen Verhaltens ist: Anfangs reichen dem Exhibitionisten die erschrockenen Blicke oder das Kreischen seiner Opfer. Später genügt dieser Reiz nicht mehr, und es treibt ihn, die Frauen oder Kinder, denen er sich präsentiert, auch anzufassen, festzuhalten. Der Schritt zur Gewaltanwendung ist dann nicht mehr sehr groß. Um einen solchen Suchtkreis zu durchbrechen, rät die Polizei, jeden Exhibitionisten sofort zu melden oder auch anzuzeigen.

      Was das schreiende Opfer im Zombie weckt, sind befriedigte Machtgelüste und Überlegenheitsgefühle: Du bist ja bloß eine schreiende Kreatur! Aber ich bin der Herr, wenn schon nicht über meine Gefühle, die längst tot sind, dann wenigstens über deine, darüber, dass du dich windest, winselst und dir vor Angst in die Hosen machst.

       Schlagworte

      Vampire saugen Energie aus dem Opfer. Zombies sind tot und deshalb gefährlich.

       Regeln

      Nie beim Täter nach den Ursachen fragen.

      1.5 Das habe ich gar nicht gewusst. Von Zuschauern, ängstlichen Müttern und anderen Zeugen

      Zu einer Gewaltsituation gehören nicht nur Opfer und Täter. Insbesondere dort, wo sexuelle Gewalt angewendet wird, ist bei diesem üblen Spiel noch eine dritte Figur zugegen: der Zuschauer. Ohne Zuschauer, ohne Menschen, die Hilfe verweigern, die wegschauen, wenn sie laut schreien müssten, wären die meisten Gewaltattacken gar nicht möglich.

      Die «klassische» Struktur dieser Situation ist jene des sexuellen Missbrauchs (als ob es einen Gebrauch geben könnte!) an einem Kind, sagen wir einem zwölfjährigen Mädchen. Täter ist der Stiefvater, die Mutter hat nach dem frühen Tod des leiblichen Vaters wieder geheiratet. Vom neuen Mann hat sie Zwillinge bekommen; ihre Berufstätigkeit hat sie daher aufgegeben und ist mit ihrer Tochter aus der ersten Ehe vom neuen Mann finanziell abhängig.

      Möglicherweise sieht die Zuneigung des Stiefvaters anfänglich sogar echt aus, wahrscheinlich hat er das Mädchen wirklich einmal gern gehabt; doch schleichend geschieht der oben beschriebene Übergang, die Überschreitung der Distanzschwellen. Statt freundlicher Worte kommen erotisierende Bemerkungen aus seinem Mund; statt zu warten, bis das Mädchen seine Freundlichkeit will, lockt er es an sich; statt ihm liebevoll auf die Schulter zu klopfen, wandert die Hand des Täters über die Beine und Knie des Mädchens, der kurze familiäre Kuss auf die Wange landet auf den Lippen usw.

      Es ist fast nicht möglich, dass ein solcher progressiver Prozess Außenstehenden verborgen bleibt. Doch das Problem mit den wegsehenden Leuten ist, dass sie ihren ersten Gefühlen, ihrer Intuition, ihren Beobachtungen genauso wenig trauen wie die Opfer in den ersten Stadien der sexuellen Anmache. Und wenn sie ihre Beobachtungen und Gefühle annehmen, glauben sie ihnen nicht, finden Beschönigungen, Gründe, dass das doch sicher nicht so gemeint war, wie es aussah. Sind sie bereit, die Beobachtungen anzunehmen, geschieht es gar, dass das Mädchen über die Belästigungen berichtet, kann es sein, dass die Zuschauerin sie abwimmelt, denn ein Annehmen der Tatsache, dass der Stiefvater seine Tochter sexuell anmacht, würde bedeuten, ihn aus dem Haus zu jagen, die Ehe aufzulösen, möglicherweise ein Strafverfahren – und sie stünde mit drei Kindern allein da!

      Die meisten Zeuginnen und Zeugen sexueller Gewalt gehören, wie in der geschilderten Familiensituation, zum System. Sie sind mehr oder minder genauso abhängig vom Täter wie das Opfer und seiner Willkür unterworfen.

      Doch ich habe auch schon Situationen sexueller Anmache durch eindeutig weniger eng verbundene Männer – Hausfreunde, Liebespartner, die nicht im gleichen Haushalt leben, längst geschiedene Väter, die nur noch zu Besuch kommen, usw. – erlebt. Abhängigkeiten können sehr subtiler Natur sein, unsichtbar, aber doch so wirksam, dass die Zeugen verhindert sind einzuschreiten, einzugreifen.

      Bei einem Explorationsgespräch saß ich mit einer Mutter keine zwanzig Meter vom Liegestuhl entfernt, auf dem ihre Tochter lag – der leibliche Vater, der längst nicht mehr im Haushalt lebte, in höchst anmachender Position neben ihr. Die Mutter war eine äußerst СКАЧАТЬ