Krieg und Frieden. Лев Толстой
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Название: Krieg und Frieden

Автор: Лев Толстой

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783752994216

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СКАЧАТЬ das sei nicht schicklich, er sei eine wichtige Persönlichkeit geworden, von der man während dieser traurigen Nacht viel erwarte, und er sei deshalb verpflichtet, jedermanns Dienste anzunehmen. Er nahm also schweigend den Handschuh und setzte sich auf den Platz der Dame.

      Nach kaum zwei Minuten trat der Fürst Wassil majestätisch ein, mit hoch erhobenem Haupt und mit drei Sternen auf seinem langen Rock. Er ergriff Peters Hand, was er noch nie getan hatte.

      »Fassen Sie Mut, mon ami, er hat nach Ihnen gefragt, das ist gut.«

      »Wie ist die Gesundheit von …« begann Peter. Dann stockte er verwirrt, da er nicht wußte, ob er den Grafen seinen Vater nennen sollte.

      »Vor einer halben Stunde hat er einen neuen Schlaganfall gehabt. Mut, mein Freund.«

      Peter war so verwirrt, daß er ihn nicht verstand, er blickte den Fürsten entsetzt an. Dieser wechselte einige Worte mit dem Arzt und ging auf Zehenspitzen nach der offenen Tür. Die ältere Fürstin folgte ihm ebenso wie die Geistlichen und die Diener des Hauses. Im Krankenzimmer entstand eine Bewegung, und die Fürstin Drubezkoi ging mit bleicher Miene, aber fest in der Erfüllung ihrer Pflicht, hinaus, um Peter zu holen.

      »Gottes Gnade ist unerschöpflich«, sagte sie. »Die Zeremonie der letzten Ölung wird sogleich beginnen, kommen Sie!«

      Er erhob sich und bemerkte, daß alle Personen, welche in dem Saal waren, mit ihm in das nächste Zimmer gingen, als ob man sich keinem Zwang mehr zu fügen hätte.

      20

      Peter kannte dieses große Zimmer sehr wohl, in welchem eine Säulenreihe einen Alkoven bildete. Hinter den Säulen sah man ein großes, sehr hohes Bett mit schweren Vorhängen, die Nische daneben mit einem Glasfenster, welche die Heiligenbilder enthielt, war hell erleuchtet wie eine Kirche. In einem großen Lehnstuhl vor der Nische saß der Graf Besuchow mit seinem großen, majestätischen Gesicht, in eine seidene Decke gehüllt, halb liegend, auf tadellos weißen Kissen. Die Löwenmähne von grauen Haaren ließ sein schönes, edles, wachsbleiches Gesicht hervortreten. Seine starken Hände lagen regungslos auf der Decke. Zwischen den Zeigefinger und den Daumen der rechten Hand hatte man eine Kerze gesteckt, welche ein Diener neben dem Lehnstuhl hielt. Die Priester und Kirchensänger mit ihren langen Haaren und reichen Gewändern verrichteten mit feierlicher Langsamkeit den Gottesdienst. Weiterhin standen die beiden jüngeren Nichten mit Taschentüchern vor den Augen hinter ihrer älteren Schwester mit ihrem starren Gesicht. Ihnen gegenüber stand der Fürst Wassil, zwei Schritte von dem Sterbenden entfernt, mit einer Kerze in der linken Hand, und stützte sich auf die geschnitzte Lehne eines Stuhles. So oft er mit seiner rechten Hand, sich bekreuzigend, die Stirn berührte, blickte er nach dem Himmel auf. Hinter ihm standen Ärzte und Diener des Hauses, auf einer Seite die Männer, auf der anderen die Damen, wie in der Kirche. Alles schwieg und bekreuzigte sich, man hörte nur die Stimmen der Geistlichen und den vollen Chorgesang. Zuweilen seufzte einer der Anwesenden und änderte seine Stellung.

      Plötzlich durchschritt die Fürstin Drubezkoi das Zimmer mit der Zuversicht einer Person, welche weiß, was sie tut, und bot Peter eine Kerze an. Er zündete sie an, und in der Zerstreuung bekreuzigte er sich mit der Hand, welche die Kerze hielt.

      Sophie, die jüngste der Fürstinnen, betrachtete ihn lachend und versenkte dann wieder das Gesicht in das Taschentuch. Nach einem zweiten Blick auf Peter aber fühlte sie sich unfähig, noch länger den Ernst zu bewahren und zog sich hinter eine der Säulen zurück. Mitten in der Zeremonie verstummten plötzlich die Stimmen, die Priester flüsterten sich etwas zu. Der alte Diener, welcher die Hand des Grafen unterstützte, richtete sich auf und winkte nach den Damen. Sogleich trat die Fürstin Drubezkoi vor, beugte sich zu dem Sterbenden herab und winkte den Doktor Lorrain herbei. Er näherte sich leise, ergriff die Hand, welche auf der Decke lag, suchte den Puls und versenkte sich in seine Berechnung. Man drängte sich um ihn, man befeuchtete die Lippen des Sterbenden mit einem Erfrischungsmittel. Dann wurde die Zeremonie fortgesetzt. Während dieser Unterbrechung sah Peter, wie der Fürst Wassil seinen Stuhl verließ, sich der älteren Nichte näherte und mit ihr in den Hintergrund des Alkovens trat, worauf sie an dem großen Bett vorübergingen und durch eine kleine Tapetentür verschwanden. Noch war der Gottesdienst nicht beendet, als sie ihre Plätze wieder eingenommen hatten. Dieser Umstand erweckte die Neugierde Peters nicht, denn er war an diesem Abend überzeugt, daß alles, was vorging, so sein müsse. Der Gesang hörte auf und der Geistliche richtete Glückwünsche an den Sterbenden. Aber dieser lag noch immer regungslos da. Es entstand wieder Unruhe, man ging hin und her und flüsterte. Peter hörte, wie die Fürstin Drubezkoi leise sagte: »Man muß ihn durchaus wieder in sein Bett bringen, sonst ist es unmöglich …«

      Die Ärzte, die Nichten und die Diener umgaben den Sterbenden, welcher dadurch den Blicken Peters entzogen wurde. Er sah nur, daß man ihn aufhob. Die Diener kamen an dem jungen Mann vorüber, und er konnte während eines Augenblicks inmitten der Gruppe die mächtige Brust des Sterbenden, seine Schultern und seinen Kopf mit der Löwenmähne sehen, welcher während des ungleichen Ganges der Träger schwankte.

      Nach einigen Augenblicken der Geschäftigkeit um das Bett zogen sich die Diener zurück. Die Fürstin berührte Peter leicht mit der Fingerspitze. »Kommen Sie!« sagte sie.

      Er gehorchte. Man hatte dem Kranken durch Kissen eine aufrechte Lage gegeben, seine Hände lagen auf der grünen Decke und er sah gerade vor sich hin, mit jenem leeren Blick, den niemand beschreiben noch verstehen kann. Hatte er nichts zu sagen oder hatte er viel zu sagen? Peter blieb vor dem Bett stehen, ohne zu wissen, was er tun sollte, und richtete einen fragenden Blick auf seine Führerin, welche mit einer kaum merklichen Bewegung nach der Hand des Sterbenden wies und ihm ein Zeichen machte, dieselbe zu küssen. Peter bückte sich vorsichtig herab und drückte die Lippen auf die große Hand des Grafen.

      Kein Muskel zuckte auf dieser Hand noch auf dem Gesicht. Unschlüssig richtete Peter wieder den Blick auf die Fürstin, welche ihm ein Zeichen gab, sich auf den Lehnstuhl zu Füßen des Bettes zu setzen. Er setzte sich, ohne den Blick von ihr abzuwenden, sie senkte bestätigend den Kopf. Etwas beruhigt dadurch, aber sichtlich durch seine gewöhnliche Unbeholfenheit beengt, bemühte er sich, so wenig Platz als möglich einzunehmen und hielt die Blicke auf die Züge des Sterbenden gerichtet. Auch die Fürstin ließ ihn nicht aus den Augen, überzeugt von der Wichtigkeit dieses letzten und rührenden Zusammenseins von Vater und Sohn.

      Kaum waren zwei Minuten verflossen, welche Peter wie eine Stunde erschienen, als das Gesicht des Grafen plötzlich durch einen Krampf verzogen wurde und ein dumpfes Röcheln folgte. Das war für Peter das erste Anzeichen eines baldigen Endes. Die Fürstin Drubezkoi suchte die Wünsche des Sterbenden an seinen Augen abzulesen. Sie deutete bald auf Peter, bald auf Fürst Wassil, bald auf die Decke, aber alles war vergebens. Die Blicke des Kranken richteten sich starr auf den Kammerdiener am Fußende.

      »Er verlangt, man solle ihn umdrehen«, murmelte der Diener.

      Peter wollte ihm helfen, und es war ihm eben gelungen, als ein Arm des Grafen schwerfällig zurückfiel, ungeachtet der vergeblichen Anstrengung des Kranken, ihn wieder an sich zu ziehen.

      Hatte er den Schrecken, der sich auf dem bestürzten Gesicht Peters beim Anblick dieses gelähmten Gliedes zeigte, bemerkt, oder ging ihm ein anderer Gedanke durch den Kopf? Wer kann es sagen? Er betrachtete bald diesen ungehorsamen Arm, bald das entsetzte Gesicht seines Sohnes, und ein trübes, seltsames Lächeln erschien auf seinen Lippen. Beim Anblick desselben fühlte Peter sein Herz zittern, Tränen stiegen ihm in die Augen.

      Nachdem man den Kranken nach der Seite gewendet hatte, stieß er einen tiefen Seufzer aus.

      »Er ist eingeschlummert«, sagte die Fürstin Drubezkoi zu einer der Nichten. »Gehen wir!« Und Peter folgte ihr nach.

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